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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Drittes Vierteljahr.

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Till Lulenspiegel

Ja, und es lebt noch in der Häuser Enge

Derselbe Rat, dieselbe dumme Menge!

Ihr grämt euch baß ob dieses Ärgernus, --

Mir macht, daß ihr nicht klüger seid, Verdruß.

Er lästert! Hört den Frechen! Tod ihm, Tod!


Volk:

Ihr haltet Ruhe, wie ich euch gebot!


Grober:

Still! Ruhe! Ruhe!


Einige:
(Er liest vom Blatt ab)

Wir kommen zu den Gründen -- merket auf!


Grober:

notorisch ist es dem Gericht und euch,

Daß Delinquent, alias Till Eulenspiegel,

Nachdem die Stadt erregt mit Ärgernus,

Item das Fürstenhaus mit Spott geschmäht,
'

Ingleichen auch des Kaisers Nam mißbrauchet

In greulicher Entstellung und auch Fälschung,

So ihm bewiesen ist durch Sachbeweis,

Derselbe vor die Frag gestellt, ob man

Ihn foltern solle, sich hat schuld bekannt,

Wogegen wiederum zur Sühne des

Verbrechens das Gesetz, so Kaiser Karl

Danach zu achten uns als Ordnung gab,
'

Muß nun in usum kommn mit aller Schärfe,

Damit nicht böse Lust zur Nachahmung

Des Schelmen lüsterne Gemüter führe,

Jedann auch, weil die gute Bürgerschaft

Muß sein geschützt vor Angriff auf den Frieden,

Und letzters, weil es das Gesetz so fordert,

Dem höchste Weisheit durch sich selbst gegeben,

Ergo so hat das hohe Kriminal

In seiner Weisheit und nach Würdigring

Der Umstand, die für Strafe sprechen oder nicht,

Denn beides ward gewürdigt, als zu Recht

Beschlossen, daß den Schelm zur Strafe man,

So recht und billig schien für sein Verbrechen

Und ausgemachte Bosheit und Betragen,

Ohr mildernd Umstand ziehe, der er sich

Unwert gemacht durch arge Renitenz,

In Konsequenz Verdammnis ausgesprochen

Und ihn verurteilt durch den Strang zum Tod. --


Ein Bürger:

Der arme Teufel! Seht, er ist recht blaß!

Er will noch reden! -- Ruhe! Er will reden!


Einige:

Da das Gesetz die letzte Gnade kennt,


Grober:

Ist eine Bitte ihm gewährt, soweit

Sie das lucticium nicht berührt. -- Sag er,

Was bittet er als letzte Gunst sich aus?


Eulenspiegel:

Die Wage der iustitia, hört ich recht,

Hat deutsches Zünglein! Bitt ich denn als Gunst, --

Da ich noch nach dem Sacktuch suchen muß --

Lese mir noch einmal vor den tollen Spruch!


Volk:

Er höhnt! Er höhnt noch das Gericht!


Till Lulenspiegel

Ja, und es lebt noch in der Häuser Enge

Derselbe Rat, dieselbe dumme Menge!

Ihr grämt euch baß ob dieses Ärgernus, —

Mir macht, daß ihr nicht klüger seid, Verdruß.

Er lästert! Hört den Frechen! Tod ihm, Tod!


Volk:

Ihr haltet Ruhe, wie ich euch gebot!


Grober:

Still! Ruhe! Ruhe!


Einige:
(Er liest vom Blatt ab)

Wir kommen zu den Gründen — merket auf!


Grober:

notorisch ist es dem Gericht und euch,

Daß Delinquent, alias Till Eulenspiegel,

Nachdem die Stadt erregt mit Ärgernus,

Item das Fürstenhaus mit Spott geschmäht,
'

Ingleichen auch des Kaisers Nam mißbrauchet

In greulicher Entstellung und auch Fälschung,

So ihm bewiesen ist durch Sachbeweis,

Derselbe vor die Frag gestellt, ob man

Ihn foltern solle, sich hat schuld bekannt,

Wogegen wiederum zur Sühne des

Verbrechens das Gesetz, so Kaiser Karl

Danach zu achten uns als Ordnung gab,
'

Muß nun in usum kommn mit aller Schärfe,

Damit nicht böse Lust zur Nachahmung

Des Schelmen lüsterne Gemüter führe,

Jedann auch, weil die gute Bürgerschaft

Muß sein geschützt vor Angriff auf den Frieden,

Und letzters, weil es das Gesetz so fordert,

Dem höchste Weisheit durch sich selbst gegeben,

Ergo so hat das hohe Kriminal

In seiner Weisheit und nach Würdigring

Der Umstand, die für Strafe sprechen oder nicht,

Denn beides ward gewürdigt, als zu Recht

Beschlossen, daß den Schelm zur Strafe man,

So recht und billig schien für sein Verbrechen

Und ausgemachte Bosheit und Betragen,

Ohr mildernd Umstand ziehe, der er sich

Unwert gemacht durch arge Renitenz,

In Konsequenz Verdammnis ausgesprochen

Und ihn verurteilt durch den Strang zum Tod. —


Ein Bürger:

Der arme Teufel! Seht, er ist recht blaß!

Er will noch reden! — Ruhe! Er will reden!


Einige:

Da das Gesetz die letzte Gnade kennt,


Grober:

Ist eine Bitte ihm gewährt, soweit

Sie das lucticium nicht berührt. — Sag er,

Was bittet er als letzte Gunst sich aus?


Eulenspiegel:

Die Wage der iustitia, hört ich recht,

Hat deutsches Zünglein! Bitt ich denn als Gunst, —

Da ich noch nach dem Sacktuch suchen muß —

Lese mir noch einmal vor den tollen Spruch!


Volk:

Er höhnt! Er höhnt noch das Gericht!


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[0040] Till Lulenspiegel Ja, und es lebt noch in der Häuser Enge Derselbe Rat, dieselbe dumme Menge! Ihr grämt euch baß ob dieses Ärgernus, — Mir macht, daß ihr nicht klüger seid, Verdruß. Er lästert! Hört den Frechen! Tod ihm, Tod! Volk: Ihr haltet Ruhe, wie ich euch gebot! Grober: Still! Ruhe! Ruhe! Einige: (Er liest vom Blatt ab) Wir kommen zu den Gründen — merket auf! Grober: notorisch ist es dem Gericht und euch, Daß Delinquent, alias Till Eulenspiegel, Nachdem die Stadt erregt mit Ärgernus, Item das Fürstenhaus mit Spott geschmäht, ' Ingleichen auch des Kaisers Nam mißbrauchet In greulicher Entstellung und auch Fälschung, So ihm bewiesen ist durch Sachbeweis, Derselbe vor die Frag gestellt, ob man Ihn foltern solle, sich hat schuld bekannt, Wogegen wiederum zur Sühne des Verbrechens das Gesetz, so Kaiser Karl Danach zu achten uns als Ordnung gab, ' Muß nun in usum kommn mit aller Schärfe, Damit nicht böse Lust zur Nachahmung Des Schelmen lüsterne Gemüter führe, Jedann auch, weil die gute Bürgerschaft Muß sein geschützt vor Angriff auf den Frieden, Und letzters, weil es das Gesetz so fordert, Dem höchste Weisheit durch sich selbst gegeben, Ergo so hat das hohe Kriminal In seiner Weisheit und nach Würdigring Der Umstand, die für Strafe sprechen oder nicht, Denn beides ward gewürdigt, als zu Recht Beschlossen, daß den Schelm zur Strafe man, So recht und billig schien für sein Verbrechen Und ausgemachte Bosheit und Betragen, Ohr mildernd Umstand ziehe, der er sich Unwert gemacht durch arge Renitenz, In Konsequenz Verdammnis ausgesprochen Und ihn verurteilt durch den Strang zum Tod. — Ein Bürger: Der arme Teufel! Seht, er ist recht blaß! Er will noch reden! — Ruhe! Er will reden! Einige: Da das Gesetz die letzte Gnade kennt, Grober: Ist eine Bitte ihm gewährt, soweit Sie das lucticium nicht berührt. — Sag er, Was bittet er als letzte Gunst sich aus? Eulenspiegel: Die Wage der iustitia, hört ich recht, Hat deutsches Zünglein! Bitt ich denn als Gunst, — Da ich noch nach dem Sacktuch suchen muß — Lese mir noch einmal vor den tollen Spruch! Volk: Er höhnt! Er höhnt noch das Gericht!

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_318948/40>, abgerufen am 29.12.2024.