Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Drittes Vierteljahr.Reichsspiegel Sabotage können nicht die Repressivmaßregeln des Staates, sondern nur Verant¬ Die Börse bedarf unter diesen Umständen aller Widerstandskraft, um nicht Mit dem Herannahen des Herbstes bildet der Geldmarkt den Gegenstand Reichsspiegel Sabotage können nicht die Repressivmaßregeln des Staates, sondern nur Verant¬ Die Börse bedarf unter diesen Umständen aller Widerstandskraft, um nicht Mit dem Herannahen des Herbstes bildet der Geldmarkt den Gegenstand <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0395" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/319342"/> <fw type="header" place="top"> Reichsspiegel</fw><lb/> <p xml:id="ID_1967" prev="#ID_1966"> Sabotage können nicht die Repressivmaßregeln des Staates, sondern nur Verant¬<lb/> wortlichkeitsgefühl und Disziplin schützen. Und hieraus ist denn zu ersehen, wie<lb/> kurzsichtig die englischen Eisenbahnverwaltungen gehandelt haben, wenn sie die<lb/> von Lloyd George vor vier Jahren eingeführten Einigungsämter derart zu benutzen<lb/> und zu beeinflussen wußten, daß die Angestellten über deren Parteilichkeit in<lb/> Empörung gerieten. (ZuicZczuici clelilAnt reZeZ plectuntur ^om'öl: die Folgen<lb/> einer solchen im höchsten Grade unsozialen Geschäftspolitik hat jetzt das gesamte<lb/> Land zu tragen. Es ist auch uns nützlich, diese Entwicklung vor Augen zu haben<lb/> und aus ihr zu lernen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1968"> Die Börse bedarf unter diesen Umständen aller Widerstandskraft, um nicht<lb/> ganz aus der Fassung zu geraten. Erneute Kursrückgänge, insbesondere auf dem<lb/> Montanmarkt, waren natürlich um so weniger vermeidlich, als die New-Iorker<lb/> Börse ihre Ruhe noch nicht wiedergefunden hat, sondern in unvermitteltem Tendenz¬<lb/> wechsel die Kurse auf und niederschwanken läßt. Es bestätigt sich aber immer mehr<lb/> die Mutmaßung, daß diese Kursbewegung hauptsächlich das Resultat von Opera-<lb/> tionen der Großfinanz ist, wie hier bereits ausgeführt wurde. Angeblich soll aus dem<lb/> Nachlaß des verstorbenen Eisenbahnkönigs Harriman, des Beherrschers der Union<lb/> Pacific, in erheblicher Menge Material auf den Markt geworfen worden. Wie dem auch<lb/> sei. die wirtschaftlichen Aspekten der Union stehen günstig, und lassen einen Pessi¬<lb/> mismus gerade jetzt als wenig angebracht erscheinen. Insbesondere ist die Besserung<lb/> in der Eisenindustrie unverkennbar und die allenthalben eintretenden Preissteigerungen<lb/> beweisen, daß erfreulicherweise die Lage des Weltmarktes eine gesündere geworden<lb/> ist und der Verbrauch zunimmt. Wir haben daher auch keine Veranlassung, hin¬<lb/> sichtlich der Weiterentwicklung unserer einheimischen Industrie trübe zu sehen. Bleibt<lb/> der Frieden erhalten, so wird die Besserung der Konjunktur der Industrie ganz<lb/> von selbst über die Schwierigkeiten hinweghelfen, mit denen sie jetzt noch zu kämpfen<lb/> hat. Die Frage der Erneuerung der Verbände, die jetzt so vieles Kopf¬<lb/> zerbrechen verursacht, wird dann, nach früheren Erfahrungen zu urteilen, sich im<lb/> Handumdrehen lösen, so laut auch noch die Stimmen derer tönen, die in einer<lb/> Erneuerung der Verbände nur die Durchfütterung schwacher Elemente auf Kosten<lb/> der leistungsfähigen erblicken. Diese möchten je eher je lieber die Eisenindustrie<lb/> vertrustet sehen; wenige gemischte Riesenbetriebe, die auch unter ungünstigen Ver-<lb/> Hältnissen durch die Herabdrückung der Selbstkosten noch lohnend arbeiten können<lb/> und denen eine Verständigung unter einander alsdann nicht schwer fallen würde.<lb/> Unleugbar drängt die Entwicklung jetzt nach diesem Ziel; doch wäre aus Gründen<lb/> naheliegender Natur die Ausbildung einer monopolistischen Industrie ein höchst<lb/> unerwünschtes Ergebnis, dem denn auch weder der Staat noch die Allgemeinheit<lb/> ruhig zuschauen dürften. Doppelt erfreulich ist es daher, daß die aufsteigende<lb/> Konjunktur Diskussionen über dieses Thema ersparen wird; denn die Gunst der<lb/> Machtlage wird selbst für einen schleunigen Zusammenschluß der Interessenten<lb/> sorgen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1969" next="#ID_1970"> Mit dem Herannahen des Herbstes bildet der Geldmarkt den Gegenstand<lb/> aufmerksamer Beobachtung. Einstweilen sind die Geldsätze noch vergleichsweise<lb/> niedrig, wenn sie auch in der letzten Zeit eine Anspannung erfahren haben. Dies<lb/> dürfte damit zusammenhängen, daß infolge der frühzeitigen Getreideernte die<lb/> regelmäßigen Herbstbedürfnisse sich schon geltend zu machen beginnen. Auch ist</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0395]
Reichsspiegel
Sabotage können nicht die Repressivmaßregeln des Staates, sondern nur Verant¬
wortlichkeitsgefühl und Disziplin schützen. Und hieraus ist denn zu ersehen, wie
kurzsichtig die englischen Eisenbahnverwaltungen gehandelt haben, wenn sie die
von Lloyd George vor vier Jahren eingeführten Einigungsämter derart zu benutzen
und zu beeinflussen wußten, daß die Angestellten über deren Parteilichkeit in
Empörung gerieten. (ZuicZczuici clelilAnt reZeZ plectuntur ^om'öl: die Folgen
einer solchen im höchsten Grade unsozialen Geschäftspolitik hat jetzt das gesamte
Land zu tragen. Es ist auch uns nützlich, diese Entwicklung vor Augen zu haben
und aus ihr zu lernen.
Die Börse bedarf unter diesen Umständen aller Widerstandskraft, um nicht
ganz aus der Fassung zu geraten. Erneute Kursrückgänge, insbesondere auf dem
Montanmarkt, waren natürlich um so weniger vermeidlich, als die New-Iorker
Börse ihre Ruhe noch nicht wiedergefunden hat, sondern in unvermitteltem Tendenz¬
wechsel die Kurse auf und niederschwanken läßt. Es bestätigt sich aber immer mehr
die Mutmaßung, daß diese Kursbewegung hauptsächlich das Resultat von Opera-
tionen der Großfinanz ist, wie hier bereits ausgeführt wurde. Angeblich soll aus dem
Nachlaß des verstorbenen Eisenbahnkönigs Harriman, des Beherrschers der Union
Pacific, in erheblicher Menge Material auf den Markt geworfen worden. Wie dem auch
sei. die wirtschaftlichen Aspekten der Union stehen günstig, und lassen einen Pessi¬
mismus gerade jetzt als wenig angebracht erscheinen. Insbesondere ist die Besserung
in der Eisenindustrie unverkennbar und die allenthalben eintretenden Preissteigerungen
beweisen, daß erfreulicherweise die Lage des Weltmarktes eine gesündere geworden
ist und der Verbrauch zunimmt. Wir haben daher auch keine Veranlassung, hin¬
sichtlich der Weiterentwicklung unserer einheimischen Industrie trübe zu sehen. Bleibt
der Frieden erhalten, so wird die Besserung der Konjunktur der Industrie ganz
von selbst über die Schwierigkeiten hinweghelfen, mit denen sie jetzt noch zu kämpfen
hat. Die Frage der Erneuerung der Verbände, die jetzt so vieles Kopf¬
zerbrechen verursacht, wird dann, nach früheren Erfahrungen zu urteilen, sich im
Handumdrehen lösen, so laut auch noch die Stimmen derer tönen, die in einer
Erneuerung der Verbände nur die Durchfütterung schwacher Elemente auf Kosten
der leistungsfähigen erblicken. Diese möchten je eher je lieber die Eisenindustrie
vertrustet sehen; wenige gemischte Riesenbetriebe, die auch unter ungünstigen Ver-
Hältnissen durch die Herabdrückung der Selbstkosten noch lohnend arbeiten können
und denen eine Verständigung unter einander alsdann nicht schwer fallen würde.
Unleugbar drängt die Entwicklung jetzt nach diesem Ziel; doch wäre aus Gründen
naheliegender Natur die Ausbildung einer monopolistischen Industrie ein höchst
unerwünschtes Ergebnis, dem denn auch weder der Staat noch die Allgemeinheit
ruhig zuschauen dürften. Doppelt erfreulich ist es daher, daß die aufsteigende
Konjunktur Diskussionen über dieses Thema ersparen wird; denn die Gunst der
Machtlage wird selbst für einen schleunigen Zusammenschluß der Interessenten
sorgen.
Mit dem Herannahen des Herbstes bildet der Geldmarkt den Gegenstand
aufmerksamer Beobachtung. Einstweilen sind die Geldsätze noch vergleichsweise
niedrig, wenn sie auch in der letzten Zeit eine Anspannung erfahren haben. Dies
dürfte damit zusammenhängen, daß infolge der frühzeitigen Getreideernte die
regelmäßigen Herbstbedürfnisse sich schon geltend zu machen beginnen. Auch ist
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