Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Drittes Vierteljahr.Über Wilhelm Gstwalds Aultnrphilosophic Menschen zur zweckmäßigeren Verwendung der verfügbaren Energien. Warum Die Auffassung Ostwalds vom Staate führt zu weiteren Konsequenzen. Zur Aber der Staat ist eigentlich auch schon ein überwundener Standpunkt. Das *) Ein Beurteiler, der gewiß den berechtigten Internationalismus zu schätzen weiß, hat
über den Unterschied zwischen kosmopolitisch und international neuerdings gute Ausführungen gemacht, nämlich der amerikanische Austauschprofessor H, Münsterberg bei der Eröffnung des Internationalen Studentenbereins in Berlin, Vgl. Internat. Wochenschrift vom 1. April 191t. Über Wilhelm Gstwalds Aultnrphilosophic Menschen zur zweckmäßigeren Verwendung der verfügbaren Energien. Warum Die Auffassung Ostwalds vom Staate führt zu weiteren Konsequenzen. Zur Aber der Staat ist eigentlich auch schon ein überwundener Standpunkt. Das *) Ein Beurteiler, der gewiß den berechtigten Internationalismus zu schätzen weiß, hat
über den Unterschied zwischen kosmopolitisch und international neuerdings gute Ausführungen gemacht, nämlich der amerikanische Austauschprofessor H, Münsterberg bei der Eröffnung des Internationalen Studentenbereins in Berlin, Vgl. Internat. Wochenschrift vom 1. April 191t. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0367" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/319314"/> <fw type="header" place="top"> Über Wilhelm Gstwalds Aultnrphilosophic</fw><lb/> <p xml:id="ID_1850" prev="#ID_1849"> Menschen zur zweckmäßigeren Verwendung der verfügbaren Energien. Warum<lb/> liegt uns z. B. etwas an der Gründung des Deutschen Reiches? Sein ganzer<lb/> Wert beruht, wenn wir Ostwald glauben wollen, darauf, „daß es uns ermöglicht,<lb/> unsere menschlichen Aufgaben mit einem besseren ökonomischen Koeffizienten aus-<lb/> zuführen. Wäre etwas wie unsere Unfall- und Jnvaliditätsversicherung aus¬<lb/> führbar gewesen, solange die deutsche Kleinstaaterei bestand? ... Eine entsprechende<lb/> Organisation war im kleinen Kreise unausführbar. Es ist also nur (I) die rationelle<lb/> Zusammenfassung der vorher getrennt gewesenen Energien, worin der Wert der<lb/> großen Gesamtorganisation besteht, und ebenso wie ein Großbetrieb irgendwelche<lb/> Waren billiger und besser liefern kann als der in seinen technischen Mitteln<lb/> beschränkte Kleinbetrieb, so bringt der politische Großbetrieb Leistungen fertig, an<lb/> deren Ausführung der Kleinbetrieb überhaupt nicht gehen kann." Ob sie, die<lb/> unsere staatliche Einheit schufen, wohl gewußt haben, daß sie es nur um des<lb/> ökonomischen Großbetriebes willen taten? Und für dieses nationale Warenhaus die<lb/> Sehnsucht von Jahrzehnten, die Begeisterung der großen Kriege, soviel Blut und Eisen!</p><lb/> <p xml:id="ID_1851"> Die Auffassung Ostwalds vom Staate führt zu weiteren Konsequenzen. Zur<lb/> Erreichung seiner Zwecke muß der Staat alle großen Energiekonzentrationen in<lb/> seiner Hand vereinigen und darf sie nicht in Privatbauten lassen. Eine solche<lb/> Zusammenfassung von Kräften, die der Staat zum Besten seiner Angehörigen ein¬<lb/> zusetzen hat, war das Heer. Aber der Krieg ist nur noch ein Jngenieurproblem,<lb/> meint Ostwald, und wird überhaupt in absehbarer Zeit durch eine internationale<lb/> Organisation unterdrückt werden, „nachdem man einmal begriffen hat, daß diese<lb/> Form der Erledigung der Schwierigkeiten zwischen Völkern von allen möglichen<lb/> die unzweckmäßigste, weil energiezerstörendste ist". Die moderne Form der Energie¬<lb/> anhäufung ist das Kapital. Ostwald rät daher den Staaten, seine Zusammen¬<lb/> fassung in wenigen Händen so wenig zu dulden wie das Halten einer stehenden<lb/> Armee durch einen Privatmann. Eingriffe ins Privateigentum sollte daher der<lb/> Staat nicht scheuen. — Die Überschätzung des ökonomischen Gesichtspunktes neben<lb/> den imponderablen Werten geht bei Ostwald so weit, daß er auch die bedenklichen<lb/> Seiten einer kommerziellen Organisation der wissenschaftlichen Arbeit (Anstellung<lb/> wissenschaftlicher Arbeiter zur kommerziellen Ausbeutung ihrer Erfindungen) noch<lb/> als Kulturfortschritt ansieht, ja daß er das Duell bei Offizieren auch deshalb<lb/> verwirft, weil jeder ausgebildete Offizier ein Kapital darstellt, das beim Duell<lb/> gefährdet wirbt</p><lb/> <p xml:id="ID_1852" next="#ID_1853"> Aber der Staat ist eigentlich auch schon ein überwundener Standpunkt. Das<lb/> Bewußtsein, daß die Menschheit ein Ganzes, ein zusammenhängendes Lebewesen<lb/> sei. ist für Ostwald die wertvollste aller sozialen Empfindungen. Es läge nahe,<lb/> die Wurzeln dieses Menschheits- und des Humanitätsbegriffes wie des ganzen<lb/> Positivismus im Aufklärungszeitalter zu suchen. Denn es ist gerade der für uns<lb/> national rückgratschwache Deutsche so gefährliche Kosmopolitismus jener Zeit, den<lb/> Ostwald vertritt, nicht der berechtigte Internationalismus, der in der gegenseitigen<lb/> Auswirkung der nationalen Individualitäten besteht"). Jedenfalls wirkt Ostwalds</p><lb/> <note xml:id="FID_18" place="foot"> *) Ein Beurteiler, der gewiß den berechtigten Internationalismus zu schätzen weiß, hat<lb/> über den Unterschied zwischen kosmopolitisch und international neuerdings gute Ausführungen<lb/> gemacht, nämlich der amerikanische Austauschprofessor H, Münsterberg bei der Eröffnung des<lb/> Internationalen Studentenbereins in Berlin, Vgl. Internat. Wochenschrift vom 1. April 191t.</note><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0367]
Über Wilhelm Gstwalds Aultnrphilosophic
Menschen zur zweckmäßigeren Verwendung der verfügbaren Energien. Warum
liegt uns z. B. etwas an der Gründung des Deutschen Reiches? Sein ganzer
Wert beruht, wenn wir Ostwald glauben wollen, darauf, „daß es uns ermöglicht,
unsere menschlichen Aufgaben mit einem besseren ökonomischen Koeffizienten aus-
zuführen. Wäre etwas wie unsere Unfall- und Jnvaliditätsversicherung aus¬
führbar gewesen, solange die deutsche Kleinstaaterei bestand? ... Eine entsprechende
Organisation war im kleinen Kreise unausführbar. Es ist also nur (I) die rationelle
Zusammenfassung der vorher getrennt gewesenen Energien, worin der Wert der
großen Gesamtorganisation besteht, und ebenso wie ein Großbetrieb irgendwelche
Waren billiger und besser liefern kann als der in seinen technischen Mitteln
beschränkte Kleinbetrieb, so bringt der politische Großbetrieb Leistungen fertig, an
deren Ausführung der Kleinbetrieb überhaupt nicht gehen kann." Ob sie, die
unsere staatliche Einheit schufen, wohl gewußt haben, daß sie es nur um des
ökonomischen Großbetriebes willen taten? Und für dieses nationale Warenhaus die
Sehnsucht von Jahrzehnten, die Begeisterung der großen Kriege, soviel Blut und Eisen!
Die Auffassung Ostwalds vom Staate führt zu weiteren Konsequenzen. Zur
Erreichung seiner Zwecke muß der Staat alle großen Energiekonzentrationen in
seiner Hand vereinigen und darf sie nicht in Privatbauten lassen. Eine solche
Zusammenfassung von Kräften, die der Staat zum Besten seiner Angehörigen ein¬
zusetzen hat, war das Heer. Aber der Krieg ist nur noch ein Jngenieurproblem,
meint Ostwald, und wird überhaupt in absehbarer Zeit durch eine internationale
Organisation unterdrückt werden, „nachdem man einmal begriffen hat, daß diese
Form der Erledigung der Schwierigkeiten zwischen Völkern von allen möglichen
die unzweckmäßigste, weil energiezerstörendste ist". Die moderne Form der Energie¬
anhäufung ist das Kapital. Ostwald rät daher den Staaten, seine Zusammen¬
fassung in wenigen Händen so wenig zu dulden wie das Halten einer stehenden
Armee durch einen Privatmann. Eingriffe ins Privateigentum sollte daher der
Staat nicht scheuen. — Die Überschätzung des ökonomischen Gesichtspunktes neben
den imponderablen Werten geht bei Ostwald so weit, daß er auch die bedenklichen
Seiten einer kommerziellen Organisation der wissenschaftlichen Arbeit (Anstellung
wissenschaftlicher Arbeiter zur kommerziellen Ausbeutung ihrer Erfindungen) noch
als Kulturfortschritt ansieht, ja daß er das Duell bei Offizieren auch deshalb
verwirft, weil jeder ausgebildete Offizier ein Kapital darstellt, das beim Duell
gefährdet wirbt
Aber der Staat ist eigentlich auch schon ein überwundener Standpunkt. Das
Bewußtsein, daß die Menschheit ein Ganzes, ein zusammenhängendes Lebewesen
sei. ist für Ostwald die wertvollste aller sozialen Empfindungen. Es läge nahe,
die Wurzeln dieses Menschheits- und des Humanitätsbegriffes wie des ganzen
Positivismus im Aufklärungszeitalter zu suchen. Denn es ist gerade der für uns
national rückgratschwache Deutsche so gefährliche Kosmopolitismus jener Zeit, den
Ostwald vertritt, nicht der berechtigte Internationalismus, der in der gegenseitigen
Auswirkung der nationalen Individualitäten besteht"). Jedenfalls wirkt Ostwalds
*) Ein Beurteiler, der gewiß den berechtigten Internationalismus zu schätzen weiß, hat
über den Unterschied zwischen kosmopolitisch und international neuerdings gute Ausführungen
gemacht, nämlich der amerikanische Austauschprofessor H, Münsterberg bei der Eröffnung des
Internationalen Studentenbereins in Berlin, Vgl. Internat. Wochenschrift vom 1. April 191t.
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