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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Drittes Vierteljahr.

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Die Bedeutung großer Armcenianöver

auftreten: die vorhandenen Kräfte in beschränktem Geländestreifen unter Rücksicht¬
nahme auf die benachbarten Truppen zur vollsten Kraft und Entwicklung zu
bringen, kommen also nicht zur Darstellung. Die Führer haben keine Gelegen¬
heit, sich in der Überwindung dieser großen Schwierigkeiten zu üben. Es wird
ein Fall geübt (Auftreten einer selbständig operierenden Division), der im
Ernstfalle zu den größten Seltenheiten und Ausnahmefällen gehört. Es soll
dabei nicht verkannt werden, daß durch die jetzt übliche Art der Manöverführung
(Detachementskrieg) die Entschlußfähigkeit, die richtige taktische Beurteilung einer
Lage besonders ausgebildet wird. Dies ist aber immer nur eine Seite der
Kriegführung. Die andere, welche das gemeinsame Arbeiten und Zusammen¬
wirken im höheren Verbände bezweckt, kommt bei unseren jetzigen Herbstübungen
für die höheren Einheiten von der Brigade an aufwärts nicht in genügender
Weise zum Ausdruck.

Aus dem Gesagten geht hervor, daß unsere ganze Ausbildung zwei Mängel
hat. Die höheren Führer haben entweder zu geringe oder gar keine Gelegen¬
heit, Truppenverbände zu führen, wie sie ihnen im Ernstfalle zugewiesen werden,
und die Übungen der größeren Verbände, soweit sie überhaupt stattfinden,
berücksichtigen nicht genügend die Verwendung im großen Rahmen. Diese Mängel
sind naturgemäß auch von unserer Militärverwaltung und obersten Heeresleitung
längst erkannt. Würden im Staatswesen nur rein militärische Interessen vor¬
wiegen und maßgebend sein, so dürfte ihre Beseitigung keine Schwierigkeiten
bereiten. Es wäre bloß notwendig, alljährlich alle Korps zu besonderen mehr¬
tägigen Armeemanövern zusammenzuziehen, die unter Leitung der Armeeinspekteure
abgehalten werden könnten. Diese Forderung ist bisher lediglich an der Kosten¬
frage gescheitert. Diese würden so hoch sein, daß auf die Bereitstellung der
dafür erforderlichen Mittel bislang nicht gerechnet werden konnte, da dies nicht
im Einklang mit unserer ganzen finanziellen Lage gestanden hätte.

Ist es sonnt nicht möglich gewesen, für die ganze Armee derartig große
Übungen anzulegen, so wünschenswert dies auch an und für sich sein würde,
so hat man sie doch wenigstens jährlich für einen Teil eingeführt, und wechselt
mit den dazu verwendeten Truppen nach einem bestimmten Turnus. Auf
diesem Wege wird wenigstens einem Teil der höheren Offiziere Gelegenheit
geboten, ihre Truppen unter möglichst kriegsgemäßen Verhältnissen im großen
Rahmen, der dem des Ernstfalles entspricht, zu führen. Dies sind die Kaiser¬
manöver.

Es ist schon gesagt, daß das Heer in Armeen gegliedert ist, an deren
Spitze je ein Armeeoberkommando steht. Es müßten also bei den Kaisermanövern
jedesmal auf jeder Seite zwei bis drei Armeekorps mit einer Kavalleriedivision
zusammengezogen und dafür ein besonderes Armeeoberkommando aufgestellt
werden. Aber auch dies war bisher für unsere Finanzen schon zu weitgehend.
Derartige große Manöver finden nur alle zwei bis drei Jahre statt, in den
dazwischen liegenden Jahren begnügt man sich mit geringeren Truppenstärken.


Die Bedeutung großer Armcenianöver

auftreten: die vorhandenen Kräfte in beschränktem Geländestreifen unter Rücksicht¬
nahme auf die benachbarten Truppen zur vollsten Kraft und Entwicklung zu
bringen, kommen also nicht zur Darstellung. Die Führer haben keine Gelegen¬
heit, sich in der Überwindung dieser großen Schwierigkeiten zu üben. Es wird
ein Fall geübt (Auftreten einer selbständig operierenden Division), der im
Ernstfalle zu den größten Seltenheiten und Ausnahmefällen gehört. Es soll
dabei nicht verkannt werden, daß durch die jetzt übliche Art der Manöverführung
(Detachementskrieg) die Entschlußfähigkeit, die richtige taktische Beurteilung einer
Lage besonders ausgebildet wird. Dies ist aber immer nur eine Seite der
Kriegführung. Die andere, welche das gemeinsame Arbeiten und Zusammen¬
wirken im höheren Verbände bezweckt, kommt bei unseren jetzigen Herbstübungen
für die höheren Einheiten von der Brigade an aufwärts nicht in genügender
Weise zum Ausdruck.

Aus dem Gesagten geht hervor, daß unsere ganze Ausbildung zwei Mängel
hat. Die höheren Führer haben entweder zu geringe oder gar keine Gelegen¬
heit, Truppenverbände zu führen, wie sie ihnen im Ernstfalle zugewiesen werden,
und die Übungen der größeren Verbände, soweit sie überhaupt stattfinden,
berücksichtigen nicht genügend die Verwendung im großen Rahmen. Diese Mängel
sind naturgemäß auch von unserer Militärverwaltung und obersten Heeresleitung
längst erkannt. Würden im Staatswesen nur rein militärische Interessen vor¬
wiegen und maßgebend sein, so dürfte ihre Beseitigung keine Schwierigkeiten
bereiten. Es wäre bloß notwendig, alljährlich alle Korps zu besonderen mehr¬
tägigen Armeemanövern zusammenzuziehen, die unter Leitung der Armeeinspekteure
abgehalten werden könnten. Diese Forderung ist bisher lediglich an der Kosten¬
frage gescheitert. Diese würden so hoch sein, daß auf die Bereitstellung der
dafür erforderlichen Mittel bislang nicht gerechnet werden konnte, da dies nicht
im Einklang mit unserer ganzen finanziellen Lage gestanden hätte.

Ist es sonnt nicht möglich gewesen, für die ganze Armee derartig große
Übungen anzulegen, so wünschenswert dies auch an und für sich sein würde,
so hat man sie doch wenigstens jährlich für einen Teil eingeführt, und wechselt
mit den dazu verwendeten Truppen nach einem bestimmten Turnus. Auf
diesem Wege wird wenigstens einem Teil der höheren Offiziere Gelegenheit
geboten, ihre Truppen unter möglichst kriegsgemäßen Verhältnissen im großen
Rahmen, der dem des Ernstfalles entspricht, zu führen. Dies sind die Kaiser¬
manöver.

Es ist schon gesagt, daß das Heer in Armeen gegliedert ist, an deren
Spitze je ein Armeeoberkommando steht. Es müßten also bei den Kaisermanövern
jedesmal auf jeder Seite zwei bis drei Armeekorps mit einer Kavalleriedivision
zusammengezogen und dafür ein besonderes Armeeoberkommando aufgestellt
werden. Aber auch dies war bisher für unsere Finanzen schon zu weitgehend.
Derartige große Manöver finden nur alle zwei bis drei Jahre statt, in den
dazwischen liegenden Jahren begnügt man sich mit geringeren Truppenstärken.


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[0354] Die Bedeutung großer Armcenianöver auftreten: die vorhandenen Kräfte in beschränktem Geländestreifen unter Rücksicht¬ nahme auf die benachbarten Truppen zur vollsten Kraft und Entwicklung zu bringen, kommen also nicht zur Darstellung. Die Führer haben keine Gelegen¬ heit, sich in der Überwindung dieser großen Schwierigkeiten zu üben. Es wird ein Fall geübt (Auftreten einer selbständig operierenden Division), der im Ernstfalle zu den größten Seltenheiten und Ausnahmefällen gehört. Es soll dabei nicht verkannt werden, daß durch die jetzt übliche Art der Manöverführung (Detachementskrieg) die Entschlußfähigkeit, die richtige taktische Beurteilung einer Lage besonders ausgebildet wird. Dies ist aber immer nur eine Seite der Kriegführung. Die andere, welche das gemeinsame Arbeiten und Zusammen¬ wirken im höheren Verbände bezweckt, kommt bei unseren jetzigen Herbstübungen für die höheren Einheiten von der Brigade an aufwärts nicht in genügender Weise zum Ausdruck. Aus dem Gesagten geht hervor, daß unsere ganze Ausbildung zwei Mängel hat. Die höheren Führer haben entweder zu geringe oder gar keine Gelegen¬ heit, Truppenverbände zu führen, wie sie ihnen im Ernstfalle zugewiesen werden, und die Übungen der größeren Verbände, soweit sie überhaupt stattfinden, berücksichtigen nicht genügend die Verwendung im großen Rahmen. Diese Mängel sind naturgemäß auch von unserer Militärverwaltung und obersten Heeresleitung längst erkannt. Würden im Staatswesen nur rein militärische Interessen vor¬ wiegen und maßgebend sein, so dürfte ihre Beseitigung keine Schwierigkeiten bereiten. Es wäre bloß notwendig, alljährlich alle Korps zu besonderen mehr¬ tägigen Armeemanövern zusammenzuziehen, die unter Leitung der Armeeinspekteure abgehalten werden könnten. Diese Forderung ist bisher lediglich an der Kosten¬ frage gescheitert. Diese würden so hoch sein, daß auf die Bereitstellung der dafür erforderlichen Mittel bislang nicht gerechnet werden konnte, da dies nicht im Einklang mit unserer ganzen finanziellen Lage gestanden hätte. Ist es sonnt nicht möglich gewesen, für die ganze Armee derartig große Übungen anzulegen, so wünschenswert dies auch an und für sich sein würde, so hat man sie doch wenigstens jährlich für einen Teil eingeführt, und wechselt mit den dazu verwendeten Truppen nach einem bestimmten Turnus. Auf diesem Wege wird wenigstens einem Teil der höheren Offiziere Gelegenheit geboten, ihre Truppen unter möglichst kriegsgemäßen Verhältnissen im großen Rahmen, der dem des Ernstfalles entspricht, zu führen. Dies sind die Kaiser¬ manöver. Es ist schon gesagt, daß das Heer in Armeen gegliedert ist, an deren Spitze je ein Armeeoberkommando steht. Es müßten also bei den Kaisermanövern jedesmal auf jeder Seite zwei bis drei Armeekorps mit einer Kavalleriedivision zusammengezogen und dafür ein besonderes Armeeoberkommando aufgestellt werden. Aber auch dies war bisher für unsere Finanzen schon zu weitgehend. Derartige große Manöver finden nur alle zwei bis drei Jahre statt, in den dazwischen liegenden Jahren begnügt man sich mit geringeren Truppenstärken.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_318948/354>, abgerufen am 01.01.2025.