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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Drittes Vierteljahr.

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Die Bedeutung großer Armcemanöver

höher der Dienstgrad und die Stellung ist, die sie einnehmen. Ein Kompagnie¬
chef hat im Sommer fast täglich Gelegenheit, seine Kompagnie zu exerzieren
und zu führen. Beim Regimentskommandeur ist das schon sehr viel seltener
der Fall. Für den Brigadekommandeur sind noch regelmäßig Brigadeübungen
auf dem Truppenübungsplatz vorgesehen. Für den Divisionskommandeur ist
dies schon nicht mehr der Fall. Nur während des Korpsmanövers wird ihm
an zwei, höchstens drei Tagen die Möglichkeit gegeben, seine Diviston unter
annähernd kriegsmäßigen Verhältnissen zu führen. Die ganze übrige Zeit des
Jahres hat er die Truppen seiner Division niemals beisammen. Der komman¬
dierende General führt unter gewöhnlichen Verhältnissen sein Armeekorps über¬
haupt nicht mehr im Manöver, denn das gelegentlich eintägige Manöver gegen
einen markierter Feind kann als vollgültige Übung nicht betrachtet werden.
Einen Armeeverband besitzen wir nicht. Manöver, bei denen Korps gegen
Korps, oder gar Armee gegen Armee kämpfen, finden nicht regelmäßig bei allen
Truppen statt.

Nun sind die Heere aller Staaten im Laufe der Zeiten bedeutend gewachsen.
Mit Recht sprechen wir von Millionenheeren. Wir wissen, daß bei einem
Kriegsausbruch das ganze deutsche Heer, durch eine große Zahl von Reserve¬
divisionen verstärkt, die unter Umständen zu Reservekorps zusammengefaßt werden
können, an die bedrohte Grenze geworfen wird. Beim Aufmarsch wird sich ein
Korps dicht neben dem andern befinden, in engster Fühlung miteinander.
Straßenmangel wird unter Umständen dazu zwingen, mehrere Korps auf dieselbe
Straße hintereinander zu setzen. Das ganze Heer ist in mehrere Armeen
gegliedert, die ihre Direktiven vom großen Hauptquartier erhalten. In dieser
engen Versammlung muß, wenn eine Offensive beabsichtigt ist, der Vormarsch
angetreten werden. In dieser massierten Form wird das Heer ans den Gegner
stoßen, sei es, daß dieser sich hinter einem günstigen Geländeabschnitt defensiv
verhält oder ebenfalls in ähnlicher Formation die Offensive ergriffen hat. Auf
diese Weise kommt es zur großen rangierten Schlacht, bei der alle Verbände,
bis zu den Korps hinaus, mit beiderseitiger Anlehnung ihrer Flügel in eng
begrenztem Geländestreifen kämpfen müssen. Das wird das Bild des ersten
großen Zusammentreffens sein, das ausschlaggebend für den ganzen Verlauf des
Feldzuges sein kann. Da wir Truppe und Führer sür den Kriegsfall aus¬
bilden, müßten auch logischerweise unsere Übungen so angelegt sein, daß sie
diesen: Bilde möglichst entsprechen würden.

In Wirklichkeit ist dies aber nicht der Fall. Die größten Übungen, die
wir bei den Manövern abhalten, sind die sogenannten Korpsmanöver, bei denen
eine Division gegen die andere übt. Die Divistonen sind dabei aber in der
Regel selbständig operierende Truppenkörper, ohne unmittelbare Anlehnung an
Nachbartruppen, ohne sich im Korps- oder Armeeverbande zu befinden. Sie
haben infolge dessen auch freien Bewegungs- und Entwicklnngsraum nach allen
Seiten. Gerade die Schwierigkeiten, die in der großen rangierten Schlacht


Die Bedeutung großer Armcemanöver

höher der Dienstgrad und die Stellung ist, die sie einnehmen. Ein Kompagnie¬
chef hat im Sommer fast täglich Gelegenheit, seine Kompagnie zu exerzieren
und zu führen. Beim Regimentskommandeur ist das schon sehr viel seltener
der Fall. Für den Brigadekommandeur sind noch regelmäßig Brigadeübungen
auf dem Truppenübungsplatz vorgesehen. Für den Divisionskommandeur ist
dies schon nicht mehr der Fall. Nur während des Korpsmanövers wird ihm
an zwei, höchstens drei Tagen die Möglichkeit gegeben, seine Diviston unter
annähernd kriegsmäßigen Verhältnissen zu führen. Die ganze übrige Zeit des
Jahres hat er die Truppen seiner Division niemals beisammen. Der komman¬
dierende General führt unter gewöhnlichen Verhältnissen sein Armeekorps über¬
haupt nicht mehr im Manöver, denn das gelegentlich eintägige Manöver gegen
einen markierter Feind kann als vollgültige Übung nicht betrachtet werden.
Einen Armeeverband besitzen wir nicht. Manöver, bei denen Korps gegen
Korps, oder gar Armee gegen Armee kämpfen, finden nicht regelmäßig bei allen
Truppen statt.

Nun sind die Heere aller Staaten im Laufe der Zeiten bedeutend gewachsen.
Mit Recht sprechen wir von Millionenheeren. Wir wissen, daß bei einem
Kriegsausbruch das ganze deutsche Heer, durch eine große Zahl von Reserve¬
divisionen verstärkt, die unter Umständen zu Reservekorps zusammengefaßt werden
können, an die bedrohte Grenze geworfen wird. Beim Aufmarsch wird sich ein
Korps dicht neben dem andern befinden, in engster Fühlung miteinander.
Straßenmangel wird unter Umständen dazu zwingen, mehrere Korps auf dieselbe
Straße hintereinander zu setzen. Das ganze Heer ist in mehrere Armeen
gegliedert, die ihre Direktiven vom großen Hauptquartier erhalten. In dieser
engen Versammlung muß, wenn eine Offensive beabsichtigt ist, der Vormarsch
angetreten werden. In dieser massierten Form wird das Heer ans den Gegner
stoßen, sei es, daß dieser sich hinter einem günstigen Geländeabschnitt defensiv
verhält oder ebenfalls in ähnlicher Formation die Offensive ergriffen hat. Auf
diese Weise kommt es zur großen rangierten Schlacht, bei der alle Verbände,
bis zu den Korps hinaus, mit beiderseitiger Anlehnung ihrer Flügel in eng
begrenztem Geländestreifen kämpfen müssen. Das wird das Bild des ersten
großen Zusammentreffens sein, das ausschlaggebend für den ganzen Verlauf des
Feldzuges sein kann. Da wir Truppe und Führer sür den Kriegsfall aus¬
bilden, müßten auch logischerweise unsere Übungen so angelegt sein, daß sie
diesen: Bilde möglichst entsprechen würden.

In Wirklichkeit ist dies aber nicht der Fall. Die größten Übungen, die
wir bei den Manövern abhalten, sind die sogenannten Korpsmanöver, bei denen
eine Division gegen die andere übt. Die Divistonen sind dabei aber in der
Regel selbständig operierende Truppenkörper, ohne unmittelbare Anlehnung an
Nachbartruppen, ohne sich im Korps- oder Armeeverbande zu befinden. Sie
haben infolge dessen auch freien Bewegungs- und Entwicklnngsraum nach allen
Seiten. Gerade die Schwierigkeiten, die in der großen rangierten Schlacht


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[0353] Die Bedeutung großer Armcemanöver höher der Dienstgrad und die Stellung ist, die sie einnehmen. Ein Kompagnie¬ chef hat im Sommer fast täglich Gelegenheit, seine Kompagnie zu exerzieren und zu führen. Beim Regimentskommandeur ist das schon sehr viel seltener der Fall. Für den Brigadekommandeur sind noch regelmäßig Brigadeübungen auf dem Truppenübungsplatz vorgesehen. Für den Divisionskommandeur ist dies schon nicht mehr der Fall. Nur während des Korpsmanövers wird ihm an zwei, höchstens drei Tagen die Möglichkeit gegeben, seine Diviston unter annähernd kriegsmäßigen Verhältnissen zu führen. Die ganze übrige Zeit des Jahres hat er die Truppen seiner Division niemals beisammen. Der komman¬ dierende General führt unter gewöhnlichen Verhältnissen sein Armeekorps über¬ haupt nicht mehr im Manöver, denn das gelegentlich eintägige Manöver gegen einen markierter Feind kann als vollgültige Übung nicht betrachtet werden. Einen Armeeverband besitzen wir nicht. Manöver, bei denen Korps gegen Korps, oder gar Armee gegen Armee kämpfen, finden nicht regelmäßig bei allen Truppen statt. Nun sind die Heere aller Staaten im Laufe der Zeiten bedeutend gewachsen. Mit Recht sprechen wir von Millionenheeren. Wir wissen, daß bei einem Kriegsausbruch das ganze deutsche Heer, durch eine große Zahl von Reserve¬ divisionen verstärkt, die unter Umständen zu Reservekorps zusammengefaßt werden können, an die bedrohte Grenze geworfen wird. Beim Aufmarsch wird sich ein Korps dicht neben dem andern befinden, in engster Fühlung miteinander. Straßenmangel wird unter Umständen dazu zwingen, mehrere Korps auf dieselbe Straße hintereinander zu setzen. Das ganze Heer ist in mehrere Armeen gegliedert, die ihre Direktiven vom großen Hauptquartier erhalten. In dieser engen Versammlung muß, wenn eine Offensive beabsichtigt ist, der Vormarsch angetreten werden. In dieser massierten Form wird das Heer ans den Gegner stoßen, sei es, daß dieser sich hinter einem günstigen Geländeabschnitt defensiv verhält oder ebenfalls in ähnlicher Formation die Offensive ergriffen hat. Auf diese Weise kommt es zur großen rangierten Schlacht, bei der alle Verbände, bis zu den Korps hinaus, mit beiderseitiger Anlehnung ihrer Flügel in eng begrenztem Geländestreifen kämpfen müssen. Das wird das Bild des ersten großen Zusammentreffens sein, das ausschlaggebend für den ganzen Verlauf des Feldzuges sein kann. Da wir Truppe und Führer sür den Kriegsfall aus¬ bilden, müßten auch logischerweise unsere Übungen so angelegt sein, daß sie diesen: Bilde möglichst entsprechen würden. In Wirklichkeit ist dies aber nicht der Fall. Die größten Übungen, die wir bei den Manövern abhalten, sind die sogenannten Korpsmanöver, bei denen eine Division gegen die andere übt. Die Divistonen sind dabei aber in der Regel selbständig operierende Truppenkörper, ohne unmittelbare Anlehnung an Nachbartruppen, ohne sich im Korps- oder Armeeverbande zu befinden. Sie haben infolge dessen auch freien Bewegungs- und Entwicklnngsraum nach allen Seiten. Gerade die Schwierigkeiten, die in der großen rangierten Schlacht

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_318948/353>, abgerufen am 29.12.2024.