Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Drittes Vierteljahr.Die Bayreuther Festspiele schreite das Feuer nie", in Siegfrieds Wälsungenmotiv singt. So muß Wotan Diesen moralischen Selbstverzicht Wotans und seinen Wunsch nach dem Auch im "Parsifal" ist das Heldentum verherrlicht. Dies Heldentum ist aber Den germanischen Urgedcmken des Heldentums, das die ethischen Werte des Die Gestalt der Kundry tritt als Kondwiramur auch schon bei Wolfram von ") L. v. Schröder: "Die Vollendung des arischen Mysteriums in Bayreuth." Das Werk
wird demnächst in diesen Blättern besprochen werden. Die Bayreuther Festspiele schreite das Feuer nie", in Siegfrieds Wälsungenmotiv singt. So muß Wotan Diesen moralischen Selbstverzicht Wotans und seinen Wunsch nach dem Auch im „Parsifal" ist das Heldentum verherrlicht. Dies Heldentum ist aber Den germanischen Urgedcmken des Heldentums, das die ethischen Werte des Die Gestalt der Kundry tritt als Kondwiramur auch schon bei Wolfram von ") L. v. Schröder: „Die Vollendung des arischen Mysteriums in Bayreuth." Das Werk
wird demnächst in diesen Blättern besprochen werden. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0328" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/319275"/> <fw type="header" place="top"> Die Bayreuther Festspiele</fw><lb/> <p xml:id="ID_1728" prev="#ID_1727"> schreite das Feuer nie", in Siegfrieds Wälsungenmotiv singt. So muß Wotan<lb/> einsehen, daß auch Siegfried nicht der freie, d. h. von den Göttern unabhängige<lb/> Held sein kann, da doch auch bei ihm Wotan selbst immer als Lenker und Leiter<lb/> der Ereignisse, wenn auch von Siegfried unerkannt, eintreten muß. Darum wünscht<lb/> er nun selbst das Ende, nämlich den Untergang der auf Verträge begründeten<lb/> egoistischen Weltordnung. Er weiß sehr wohl, daß dies auch den Untergang der<lb/> den Verträgen Untertan gewordenen Götter bedeutet. Daher reizt er Siegfried<lb/> selbst, ihm den Speer, in den die Verträge eingeschnitten, zu zerschlagen und auf<lb/> diese Weise den Eintritt einer neuen Weltordnung, die weder auf Egoismus noch<lb/> auf Verträgen aufgebaut sein würde, zu ermöglichen. ^</p><lb/> <p xml:id="ID_1729"> Diesen moralischen Selbstverzicht Wotans und seinen Wunsch nach dem<lb/> Untergange der in Schuld verstrickten Götterwelt brachte Wagner in geist¬<lb/> reicher, tief durchdachter und dramatisch fein begründeter Weise mit den altgerma¬<lb/> nischen Anschauungen von der Götterdämmerung in Verbindung. In diesem<lb/> gewaltigen Drama des Ringes ist die ganze ethische und moralische Weltanschauung<lb/> der alten Germanen, ihre Erkenntnis des Bösen, ihr Streben nach einer<lb/> erhabenen, moralischen Weltordnung geschildert. Fassen wir also den Ring<lb/> als den Ausdruck urgermanischen Geistes- und Gemütslebens auf, oder, wie<lb/> es mit Recht schon geschehen"), als die Vollendung, die erhabenste Erscheinung<lb/> uralt arisch-mystischen Empfindens, so bildet „Parsifal" seinem Inhalte nach die<lb/> Fortsetzung. Die altheidnische Götterwelt ist in der Götterdämmerung zugrunde<lb/> gegangen, auf sie soll eine reinere Weltordnung folgen, die sich aber ebenfalls auf<lb/> altgermanischen Denken und Empfinden aufbaut. Diese neue Welt wurde durch<lb/> das Christentum, wie es im germanischen Wesen seinen reinsten ethischen Ausdruck<lb/> findet, geschaffen und fand in Wagners „Parsifal" einen erhabenen Ausdruck.</p><lb/> <p xml:id="ID_1730"> Auch im „Parsifal" ist das Heldentum verherrlicht. Dies Heldentum ist aber<lb/> hier vertiefter, verinnerlichter. Handelte es sich im Ringe um Helden, die in der<lb/> Überwindung und Besiegung äußerer Feinde schon Unglaubliches leisteten, so<lb/> zeigt sich Parsifal als Held, indem er durch einen Sieg über sich selbst zur<lb/> höchsten Erkenntnis gelangt und so auch für die Außenwelt zum wahren Erlöser<lb/> wird, wie ihn Wotan bereits ersehnte.</p><lb/> <p xml:id="ID_1731"> Den germanischen Urgedcmken des Heldentums, das die ethischen Werte des<lb/> Menschen bestimmt, erkennen wir also auch im Parsifal als die eigentlich treibende<lb/> Seele des Dramas. Wie aber dieses Heldentum nunmehr ein bedeutend vertieftes<lb/> wird, daS ist die eigene künstlerische Tat des Meisters von Bayreuth. Denn diese<lb/> Vertiefung, die erst die geistige Verbindung zwischen Ring und „Parsifal" ergibt, hat<lb/> Wagner in den überlieferten Mythen, die er dramatisch behandelte, noch nicht mit vor¬<lb/> gefunden, sie ist sein eigenes Werk. Und solche poetischen Vertiefungen eines gegebenen<lb/> Motivs, die eben dieses Motiv auf eine vorher ungeahnte poetische Höhe erheben,<lb/> finden sich noch zahlreich sowohl im „Parsifal" als in den anderen Werken. Es<lb/> sei mir gestattet, hier nur auf einige andere Beispiele hinzuweisen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1732" next="#ID_1733"> Die Gestalt der Kundry tritt als Kondwiramur auch schon bei Wolfram von<lb/> Eschenbach und bei Chretien de TroyS auf. Bei beiden ist sie aber nur die</p><lb/> <note xml:id="FID_15" place="foot"> ") L. v. Schröder: „Die Vollendung des arischen Mysteriums in Bayreuth." Das Werk<lb/> wird demnächst in diesen Blättern besprochen werden.</note><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0328]
Die Bayreuther Festspiele
schreite das Feuer nie", in Siegfrieds Wälsungenmotiv singt. So muß Wotan
einsehen, daß auch Siegfried nicht der freie, d. h. von den Göttern unabhängige
Held sein kann, da doch auch bei ihm Wotan selbst immer als Lenker und Leiter
der Ereignisse, wenn auch von Siegfried unerkannt, eintreten muß. Darum wünscht
er nun selbst das Ende, nämlich den Untergang der auf Verträge begründeten
egoistischen Weltordnung. Er weiß sehr wohl, daß dies auch den Untergang der
den Verträgen Untertan gewordenen Götter bedeutet. Daher reizt er Siegfried
selbst, ihm den Speer, in den die Verträge eingeschnitten, zu zerschlagen und auf
diese Weise den Eintritt einer neuen Weltordnung, die weder auf Egoismus noch
auf Verträgen aufgebaut sein würde, zu ermöglichen. ^
Diesen moralischen Selbstverzicht Wotans und seinen Wunsch nach dem
Untergange der in Schuld verstrickten Götterwelt brachte Wagner in geist¬
reicher, tief durchdachter und dramatisch fein begründeter Weise mit den altgerma¬
nischen Anschauungen von der Götterdämmerung in Verbindung. In diesem
gewaltigen Drama des Ringes ist die ganze ethische und moralische Weltanschauung
der alten Germanen, ihre Erkenntnis des Bösen, ihr Streben nach einer
erhabenen, moralischen Weltordnung geschildert. Fassen wir also den Ring
als den Ausdruck urgermanischen Geistes- und Gemütslebens auf, oder, wie
es mit Recht schon geschehen"), als die Vollendung, die erhabenste Erscheinung
uralt arisch-mystischen Empfindens, so bildet „Parsifal" seinem Inhalte nach die
Fortsetzung. Die altheidnische Götterwelt ist in der Götterdämmerung zugrunde
gegangen, auf sie soll eine reinere Weltordnung folgen, die sich aber ebenfalls auf
altgermanischen Denken und Empfinden aufbaut. Diese neue Welt wurde durch
das Christentum, wie es im germanischen Wesen seinen reinsten ethischen Ausdruck
findet, geschaffen und fand in Wagners „Parsifal" einen erhabenen Ausdruck.
Auch im „Parsifal" ist das Heldentum verherrlicht. Dies Heldentum ist aber
hier vertiefter, verinnerlichter. Handelte es sich im Ringe um Helden, die in der
Überwindung und Besiegung äußerer Feinde schon Unglaubliches leisteten, so
zeigt sich Parsifal als Held, indem er durch einen Sieg über sich selbst zur
höchsten Erkenntnis gelangt und so auch für die Außenwelt zum wahren Erlöser
wird, wie ihn Wotan bereits ersehnte.
Den germanischen Urgedcmken des Heldentums, das die ethischen Werte des
Menschen bestimmt, erkennen wir also auch im Parsifal als die eigentlich treibende
Seele des Dramas. Wie aber dieses Heldentum nunmehr ein bedeutend vertieftes
wird, daS ist die eigene künstlerische Tat des Meisters von Bayreuth. Denn diese
Vertiefung, die erst die geistige Verbindung zwischen Ring und „Parsifal" ergibt, hat
Wagner in den überlieferten Mythen, die er dramatisch behandelte, noch nicht mit vor¬
gefunden, sie ist sein eigenes Werk. Und solche poetischen Vertiefungen eines gegebenen
Motivs, die eben dieses Motiv auf eine vorher ungeahnte poetische Höhe erheben,
finden sich noch zahlreich sowohl im „Parsifal" als in den anderen Werken. Es
sei mir gestattet, hier nur auf einige andere Beispiele hinzuweisen.
Die Gestalt der Kundry tritt als Kondwiramur auch schon bei Wolfram von
Eschenbach und bei Chretien de TroyS auf. Bei beiden ist sie aber nur die
") L. v. Schröder: „Die Vollendung des arischen Mysteriums in Bayreuth." Das Werk
wird demnächst in diesen Blättern besprochen werden.
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