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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Drittes Vierteljahr.

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Till Eulenspiegel

Leopold:

Ach, Meister, zankt Euch nicht! Wir wollen gehen.

Es ist jetzt alles fertig. Und wir könnten

Höchstens mit unserm Durste Mitleid haben.

Es hat schon drei geschlagen. Leopold. --


Niklas:

Die Schenken sind geschlossen.


Adam:

Für die Frommen I

Wer schlau ist, findet leicht noch Unterschlupf.


Leopold:

Ja aber wo?

Hört mal, ich weiß ein Plätzchen,


Adam:

Da sind Studenten stets die ganze Nacht

Und allerlei gesiebtes Volk zu finden:

Gesoffen wird, gegrölt und musiziere;
'

Auch Dirnen gibts und öfters Schlägereil

Dort geht es lustig zu -- ihr werdet sehen.

Und heute vor der Exekutiv sind

Gewiß recht viele da.


Niklas:

Doch wenn wir Streit mit den Studenten kriegen?

(Man hört den Wächter tuten.)

Adam:

Wir hab'n ja unser Handwerkszeug im Sack!

Ja, das ist wahr! Macht schnell, der Wächter kommt --


Leopold:

Daß er uns nicht verschwatzt!

(Ab. -- Der Wächter tritt auf.)

Der Wächter:

Ihr guten Leute laßt euch sagen,

Die Glocke hat halb vier geschlagen;

Verwahrt das Feuer und das Licht,

Daß nicht der Stadt ein Schaden geschieht!

(Er geht ab, man hört ihn in der Entfernung tuten. Laurentia huscht an das Fenster
deK Kanzlerhauses und klopft leise.)

Hör doch! Mach doch auf! --


Laurentia:

Phe, Eulenspiegel!

(klopft)

Er hört mich nicht! -- Er wird doch nicht allein

Geflohen sein!?

(klopft)

So hör doch, Till!

(Der Kanzler öffnet das Fenster.)

Klopft jemand da?


Kanzler:
Laurentia:

Ich bin es, liebster Till! --

Herr Gott, wenn man uns sähe!

: (befremdet):

Wer ist da?


Kanzler

Laurentia, Gott! Wer sollt es denn auch sein,


Laurentia:

Wo sie dich alle doch im Stich gelassen!

Nur ich, Till, ich, ich halt auch jetzt zu dir!

Laurentia?


Kanzler:
Laurentia:

Ja doch, deine Tranke, Till!

Erkennst du mich denn nicht?

Gewiß doch, ja.


Kanzler:

Das Licht ist schlecht. -- Was willst du denn, Laurentia?


Laurentia:

O Till, sei doch nicht so verändert! Sprich!

Du schicktest Lamme doch --

Wen schickt' ich? -- Lamme?


Kanzler:
Laurentia:

Gott, wie bist du verstört! Du schriebst im Brief.

Ich solle um halb vier am Fenster klopfen,

Du hättn den Schlüssel und die Gäule ständen

Vorm Tor bereit --


Kanzler:

Die Gäule -- sieh, mein Kind!


Till Eulenspiegel

Leopold:

Ach, Meister, zankt Euch nicht! Wir wollen gehen.

Es ist jetzt alles fertig. Und wir könnten

Höchstens mit unserm Durste Mitleid haben.

Es hat schon drei geschlagen. Leopold. —


Niklas:

Die Schenken sind geschlossen.


Adam:

Für die Frommen I

Wer schlau ist, findet leicht noch Unterschlupf.


Leopold:

Ja aber wo?

Hört mal, ich weiß ein Plätzchen,


Adam:

Da sind Studenten stets die ganze Nacht

Und allerlei gesiebtes Volk zu finden:

Gesoffen wird, gegrölt und musiziere;
'

Auch Dirnen gibts und öfters Schlägereil

Dort geht es lustig zu — ihr werdet sehen.

Und heute vor der Exekutiv sind

Gewiß recht viele da.


Niklas:

Doch wenn wir Streit mit den Studenten kriegen?

(Man hört den Wächter tuten.)

Adam:

Wir hab'n ja unser Handwerkszeug im Sack!

Ja, das ist wahr! Macht schnell, der Wächter kommt —


Leopold:

Daß er uns nicht verschwatzt!

(Ab. — Der Wächter tritt auf.)

Der Wächter:

Ihr guten Leute laßt euch sagen,

Die Glocke hat halb vier geschlagen;

Verwahrt das Feuer und das Licht,

Daß nicht der Stadt ein Schaden geschieht!

(Er geht ab, man hört ihn in der Entfernung tuten. Laurentia huscht an das Fenster
deK Kanzlerhauses und klopft leise.)

Hör doch! Mach doch auf! —


Laurentia:

Phe, Eulenspiegel!

(klopft)

Er hört mich nicht! — Er wird doch nicht allein

Geflohen sein!?

(klopft)

So hör doch, Till!

(Der Kanzler öffnet das Fenster.)

Klopft jemand da?


Kanzler:
Laurentia:

Ich bin es, liebster Till! —

Herr Gott, wenn man uns sähe!

: (befremdet):

Wer ist da?


Kanzler

Laurentia, Gott! Wer sollt es denn auch sein,


Laurentia:

Wo sie dich alle doch im Stich gelassen!

Nur ich, Till, ich, ich halt auch jetzt zu dir!

Laurentia?


Kanzler:
Laurentia:

Ja doch, deine Tranke, Till!

Erkennst du mich denn nicht?

Gewiß doch, ja.


Kanzler:

Das Licht ist schlecht. — Was willst du denn, Laurentia?


Laurentia:

O Till, sei doch nicht so verändert! Sprich!

Du schicktest Lamme doch —

Wen schickt' ich? — Lamme?


Kanzler:
Laurentia:

Gott, wie bist du verstört! Du schriebst im Brief.

Ich solle um halb vier am Fenster klopfen,

Du hättn den Schlüssel und die Gäule ständen

Vorm Tor bereit —


Kanzler:

Die Gäule — sieh, mein Kind!


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[0031] Till Eulenspiegel Leopold: Ach, Meister, zankt Euch nicht! Wir wollen gehen. Es ist jetzt alles fertig. Und wir könnten Höchstens mit unserm Durste Mitleid haben. Es hat schon drei geschlagen. Leopold. — Niklas: Die Schenken sind geschlossen. Adam: Für die Frommen I Wer schlau ist, findet leicht noch Unterschlupf. Leopold: Ja aber wo? Hört mal, ich weiß ein Plätzchen, Adam: Da sind Studenten stets die ganze Nacht Und allerlei gesiebtes Volk zu finden: Gesoffen wird, gegrölt und musiziere; ' Auch Dirnen gibts und öfters Schlägereil Dort geht es lustig zu — ihr werdet sehen. Und heute vor der Exekutiv sind Gewiß recht viele da. Niklas: Doch wenn wir Streit mit den Studenten kriegen? (Man hört den Wächter tuten.) Adam: Wir hab'n ja unser Handwerkszeug im Sack! Ja, das ist wahr! Macht schnell, der Wächter kommt — Leopold: Daß er uns nicht verschwatzt! (Ab. — Der Wächter tritt auf.) Der Wächter: Ihr guten Leute laßt euch sagen, Die Glocke hat halb vier geschlagen; Verwahrt das Feuer und das Licht, Daß nicht der Stadt ein Schaden geschieht! (Er geht ab, man hört ihn in der Entfernung tuten. Laurentia huscht an das Fenster deK Kanzlerhauses und klopft leise.) Hör doch! Mach doch auf! — Laurentia: Phe, Eulenspiegel! (klopft) Er hört mich nicht! — Er wird doch nicht allein Geflohen sein!? (klopft) So hör doch, Till! (Der Kanzler öffnet das Fenster.) Klopft jemand da? Kanzler: Laurentia: Ich bin es, liebster Till! — Herr Gott, wenn man uns sähe! : (befremdet): Wer ist da? Kanzler Laurentia, Gott! Wer sollt es denn auch sein, Laurentia: Wo sie dich alle doch im Stich gelassen! Nur ich, Till, ich, ich halt auch jetzt zu dir! Laurentia? Kanzler: Laurentia: Ja doch, deine Tranke, Till! Erkennst du mich denn nicht? Gewiß doch, ja. Kanzler: Das Licht ist schlecht. — Was willst du denn, Laurentia? Laurentia: O Till, sei doch nicht so verändert! Sprich! Du schicktest Lamme doch — Wen schickt' ich? — Lamme? Kanzler: Laurentia: Gott, wie bist du verstört! Du schriebst im Brief. Ich solle um halb vier am Fenster klopfen, Du hättn den Schlüssel und die Gäule ständen Vorm Tor bereit — Kanzler: Die Gäule — sieh, mein Kind!

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_318948/31>, abgerufen am 29.12.2024.