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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Drittes Vierteljahr.

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Reichsspiegel

bestellt ist, lehrt der Zusammenbruch des Märkischen Bankvereins in
Gevelsberg. Hier ist nicht wie in früheren Fällen, wo kleinere Provinzial-
banken Schiffbruch erlitten, ein isoliert stehendes Institut, sondern eines, das
zu anderen Banken, nämlich der Mittelrheinischen Bank in Koblenz und
der Rheinischen Bank, in engen Beziehungen stand, und das durch diese
etzteren zum Konzern der Dresdner Bank gehörte, ein Opfer übermäßiger
Kreditgewährung und unvorsichtiger, wenn nicht untreuer Geschäftsführung
geworden. Auch der Märkische Bankverein dürfte mit erheblichen Summen als
Schuldner in den Büchern der genannten Banken figurieren; muß es nicht irre¬
führen, wenn solche Kredite als "Bankguthaben" bezeichnet werden?

Im übrigen ist der bemerkenswerteste Posten des Ausweises die abermalige
starke Zunahme von Kreditoren und Depositen. Diese haben sich seit
dem letzten Halbjahresausweis zusammen um 364,5 Millionen vermehrt. Aller¬
dings weist die Juni- gegen die Aprilbilanz einen Rückgang von 116 Millionen
auf; diese Verminderung ist indessen natürlich, da wir wissen, daß er an allen
Ouartalsterminen einzutreten und sich in kurzer Zeit wieder auszugleichen pflegt.
Für die Vergleichung des konstanten Wachstums bieten daher die Jahres¬
durchschnittsziffern eine weit bessere Grundlage. Während nun aber der Durch¬
schnittsbetrag der fremden Gelder im Jahre 1910 um etwa 800 Millionen Mark
größer war als im Jahre 1909, scheint im laufenden Jahre eine solche Zunahme
nicht erzielt zu werden; auch hier ist also eine Verlangsamung des Tempos
eingetreten, das zweifelsohne in einem inneren Zusammenhang mit der Be¬
schränkung der Kreditgewährung steht. Denn es liegt auf der Hand, daß,
sobald die Banken ihre Unternehmungslust im aktiven Geschäft zügeln, gewisse
Regressivmaßregeln im Passivgeschäft die Folge sein müssen. Es wäre sehr
erfreulich, wenn der Übereifer im Zusammentreiben fremder Gelder, der von den
konkurrierenden Depositenkassen und Filialen der Banken entfaltet wird, auf
diese Weise etwas gedämpft würde. Es ist durchaus kein volkswirtschaftlicher
Gewinn, wenn die Aufsammlung dieser fremden Gelder unter Anwendung
forcierter Maßregeln, insbesondere die Gewährung zu hoher Zinsen, betrieben
wird. Die Banken geraten hierbei, je mehr sie kleine und kleinste Plätze auf¬
suchen, in den Geschäftsbereich der Sparkassen und Kreditgenossenschaften, die
ihre zu ganz andern Zwecken bestimmten Betriebskapitalien als "Spargelder"
oder "Depositen" gegen Gewährung einer höheren als der bankmäßigen Zins¬
vergütung zu gewinnen suchen. Mit diesen Instituten in Konkurrenz zu treten,
sollten die Banken vermeiden. Denn es würden empfindliche Nachteile für diese
letzteren entstehen müssen, sei es nun, daß ihnen infolge des Wettbewerbs
Kapital entzogen wird, sei es, daß sie unter dem Druck der Konkurrenz auch
ihr Zinsangebot in unwirtschaftlicher Weise steigern. Von allen Seiten ertönen
Klagen über diesen ungezügelten Wettbewerb: ein sicheres Zeichen dafür, daß
auf allen Seiten gesündigt wird. Aufgabe der Banken aber wäre es, hier
Zurückhaltung zu üben; denn sie sind es, die durch den Ausbau ihrer Organi-


Reichsspiegel

bestellt ist, lehrt der Zusammenbruch des Märkischen Bankvereins in
Gevelsberg. Hier ist nicht wie in früheren Fällen, wo kleinere Provinzial-
banken Schiffbruch erlitten, ein isoliert stehendes Institut, sondern eines, das
zu anderen Banken, nämlich der Mittelrheinischen Bank in Koblenz und
der Rheinischen Bank, in engen Beziehungen stand, und das durch diese
etzteren zum Konzern der Dresdner Bank gehörte, ein Opfer übermäßiger
Kreditgewährung und unvorsichtiger, wenn nicht untreuer Geschäftsführung
geworden. Auch der Märkische Bankverein dürfte mit erheblichen Summen als
Schuldner in den Büchern der genannten Banken figurieren; muß es nicht irre¬
führen, wenn solche Kredite als „Bankguthaben" bezeichnet werden?

Im übrigen ist der bemerkenswerteste Posten des Ausweises die abermalige
starke Zunahme von Kreditoren und Depositen. Diese haben sich seit
dem letzten Halbjahresausweis zusammen um 364,5 Millionen vermehrt. Aller¬
dings weist die Juni- gegen die Aprilbilanz einen Rückgang von 116 Millionen
auf; diese Verminderung ist indessen natürlich, da wir wissen, daß er an allen
Ouartalsterminen einzutreten und sich in kurzer Zeit wieder auszugleichen pflegt.
Für die Vergleichung des konstanten Wachstums bieten daher die Jahres¬
durchschnittsziffern eine weit bessere Grundlage. Während nun aber der Durch¬
schnittsbetrag der fremden Gelder im Jahre 1910 um etwa 800 Millionen Mark
größer war als im Jahre 1909, scheint im laufenden Jahre eine solche Zunahme
nicht erzielt zu werden; auch hier ist also eine Verlangsamung des Tempos
eingetreten, das zweifelsohne in einem inneren Zusammenhang mit der Be¬
schränkung der Kreditgewährung steht. Denn es liegt auf der Hand, daß,
sobald die Banken ihre Unternehmungslust im aktiven Geschäft zügeln, gewisse
Regressivmaßregeln im Passivgeschäft die Folge sein müssen. Es wäre sehr
erfreulich, wenn der Übereifer im Zusammentreiben fremder Gelder, der von den
konkurrierenden Depositenkassen und Filialen der Banken entfaltet wird, auf
diese Weise etwas gedämpft würde. Es ist durchaus kein volkswirtschaftlicher
Gewinn, wenn die Aufsammlung dieser fremden Gelder unter Anwendung
forcierter Maßregeln, insbesondere die Gewährung zu hoher Zinsen, betrieben
wird. Die Banken geraten hierbei, je mehr sie kleine und kleinste Plätze auf¬
suchen, in den Geschäftsbereich der Sparkassen und Kreditgenossenschaften, die
ihre zu ganz andern Zwecken bestimmten Betriebskapitalien als „Spargelder"
oder „Depositen" gegen Gewährung einer höheren als der bankmäßigen Zins¬
vergütung zu gewinnen suchen. Mit diesen Instituten in Konkurrenz zu treten,
sollten die Banken vermeiden. Denn es würden empfindliche Nachteile für diese
letzteren entstehen müssen, sei es nun, daß ihnen infolge des Wettbewerbs
Kapital entzogen wird, sei es, daß sie unter dem Druck der Konkurrenz auch
ihr Zinsangebot in unwirtschaftlicher Weise steigern. Von allen Seiten ertönen
Klagen über diesen ungezügelten Wettbewerb: ein sicheres Zeichen dafür, daß
auf allen Seiten gesündigt wird. Aufgabe der Banken aber wäre es, hier
Zurückhaltung zu üben; denn sie sind es, die durch den Ausbau ihrer Organi-


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[0297] Reichsspiegel bestellt ist, lehrt der Zusammenbruch des Märkischen Bankvereins in Gevelsberg. Hier ist nicht wie in früheren Fällen, wo kleinere Provinzial- banken Schiffbruch erlitten, ein isoliert stehendes Institut, sondern eines, das zu anderen Banken, nämlich der Mittelrheinischen Bank in Koblenz und der Rheinischen Bank, in engen Beziehungen stand, und das durch diese etzteren zum Konzern der Dresdner Bank gehörte, ein Opfer übermäßiger Kreditgewährung und unvorsichtiger, wenn nicht untreuer Geschäftsführung geworden. Auch der Märkische Bankverein dürfte mit erheblichen Summen als Schuldner in den Büchern der genannten Banken figurieren; muß es nicht irre¬ führen, wenn solche Kredite als „Bankguthaben" bezeichnet werden? Im übrigen ist der bemerkenswerteste Posten des Ausweises die abermalige starke Zunahme von Kreditoren und Depositen. Diese haben sich seit dem letzten Halbjahresausweis zusammen um 364,5 Millionen vermehrt. Aller¬ dings weist die Juni- gegen die Aprilbilanz einen Rückgang von 116 Millionen auf; diese Verminderung ist indessen natürlich, da wir wissen, daß er an allen Ouartalsterminen einzutreten und sich in kurzer Zeit wieder auszugleichen pflegt. Für die Vergleichung des konstanten Wachstums bieten daher die Jahres¬ durchschnittsziffern eine weit bessere Grundlage. Während nun aber der Durch¬ schnittsbetrag der fremden Gelder im Jahre 1910 um etwa 800 Millionen Mark größer war als im Jahre 1909, scheint im laufenden Jahre eine solche Zunahme nicht erzielt zu werden; auch hier ist also eine Verlangsamung des Tempos eingetreten, das zweifelsohne in einem inneren Zusammenhang mit der Be¬ schränkung der Kreditgewährung steht. Denn es liegt auf der Hand, daß, sobald die Banken ihre Unternehmungslust im aktiven Geschäft zügeln, gewisse Regressivmaßregeln im Passivgeschäft die Folge sein müssen. Es wäre sehr erfreulich, wenn der Übereifer im Zusammentreiben fremder Gelder, der von den konkurrierenden Depositenkassen und Filialen der Banken entfaltet wird, auf diese Weise etwas gedämpft würde. Es ist durchaus kein volkswirtschaftlicher Gewinn, wenn die Aufsammlung dieser fremden Gelder unter Anwendung forcierter Maßregeln, insbesondere die Gewährung zu hoher Zinsen, betrieben wird. Die Banken geraten hierbei, je mehr sie kleine und kleinste Plätze auf¬ suchen, in den Geschäftsbereich der Sparkassen und Kreditgenossenschaften, die ihre zu ganz andern Zwecken bestimmten Betriebskapitalien als „Spargelder" oder „Depositen" gegen Gewährung einer höheren als der bankmäßigen Zins¬ vergütung zu gewinnen suchen. Mit diesen Instituten in Konkurrenz zu treten, sollten die Banken vermeiden. Denn es würden empfindliche Nachteile für diese letzteren entstehen müssen, sei es nun, daß ihnen infolge des Wettbewerbs Kapital entzogen wird, sei es, daß sie unter dem Druck der Konkurrenz auch ihr Zinsangebot in unwirtschaftlicher Weise steigern. Von allen Seiten ertönen Klagen über diesen ungezügelten Wettbewerb: ein sicheres Zeichen dafür, daß auf allen Seiten gesündigt wird. Aufgabe der Banken aber wäre es, hier Zurückhaltung zu üben; denn sie sind es, die durch den Ausbau ihrer Organi-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_318948/297>, abgerufen am 04.01.2025.