Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Reichsspwgel

von Nationalgefühl, unter französischen Schutz stellen lassen. Einer militärischen
Geheimbehörde gegenüber, die nur dem Generalstab verantwortlich ist, dem
"öuroau srabe", sind selbst die höchsten Zivilbehörden machtlos. Vermöge ihrer
Landes und Personenkenntnis, ihrer geheimen unkontrollierbaren Arbeit, entfaltet
sie neben ihrer militärischen eine sehr wichtige politische Tätigkeit, die jahrelang
von der französischen Regierung geduldet oder gar unterstützt wurde. Unsere
mehrfach wechselnden, daher landesunkundigen Gesandten und die wenigen Konsuln
sind dagegen machtlos. Ihren Reklamationen werden Scheingründe entgegen¬
gehalten, die diese oder jene Maßnahme im militärischen Interesse notwendig
erscheinen lassen. Dieses Verhalten wird auch in Zukunft Konfliktsstoff in sich
bergen und muß bei den Verhandlungen im Auge behalten werden. Die Klagen
über das Durchkreuzen deutscher wirtschaftlicher Interessen seitens der Franzosen
wollen nicht verstummen. Sie gehen von einwandfreien, geachteten Besitzern
deutscher Staatsangehörigkeit aus und beleuchten die Eigenart des Treibens des
"Kureau arabe". Es entstanden zum Beispiel Streitigkeiten oder Meinungs¬
verschiedenheiten zwischen einem französischen Truppenbefehlshaber und einem
deutschen Besitzer über die Zugehörigkeit eines von französischen Truppen besetzten
Besitzteils. Der deutsche Farmer wandte sich an den Kadi, der zur Prüfung der
Ansprüche die Papiere einforderte. Als nach einiger Zeit der Farmer nach dem
Ausgang des Streits sich erkundigte, mußte er vom Kadi erfahren, daß die Papiere
verschwunden seien. Das war gut für den Kadi, denn hätte dieser zugunsten des
Deutschen entschieden, so wäre er verschwunden und ein neuer Kadi eingesetzt.
So ging es einem Kalb, der Land an einen Deutschen verkauft hatte: er verschwand
sofort, ein anderer wurde eingesetzt, der Kauf war ungültig.

Aus allem dürfte hervorgehen, daß die Vertragsverhandlungen schwierig und
langwierig sich gestalten werden. Mögen sie im entgegenkommenden Geiste geführt
werden. Mögen aber auch die Franzosen von der Notwendigkeit strikter Durch¬
führung überzeugt werden. Andernfalls wird Deutschlands Ehre berührt. Und
diese wissen Volk und das unübertroffene Heer allezeit zu verteidigen.


Generalmajor z. v, Loebel
Straßburger Brief

Elsaß und Lothringen -- Die Elsässer und Frankreich -- Strever und Schwätzer --
Geduld I

Will man das Verständnis sür die sogenannte elsaß -lothringische Frage fördern,
so möge man zunächst vermeiden, von Elsaß und Lothringen stets in einem Atemzuge
zu sprechen und auf dieser doppelten Basis das Verständnis zu suchen. Es ist
vielmehr streng zu beachten, daß der ganze Kampf Elsaß-Lothringens um seine
Autonomie seine Initiative eigentlich nur vom Elsaß erhält, während Lothringen
großenteils mehr geschoben Heeresfolge leistet.

Dies erklärt sich daraus, daß Lothringen wenigstens in seinen westlichen, rein
französisch sprechenden Teilen schon länger zu Frankreich gehört hatte und bereits
so vollständig in ihm aufgegangen war, daß es seinen französischen Charakter --
der sich abgesehen von der Sprache in den Lebensgewohnheiten, der Bauweise
seiner Dörfer, der Art seiner Ackerwirtschaft und vielem anderen äußert -- nur


Reichsspwgel

von Nationalgefühl, unter französischen Schutz stellen lassen. Einer militärischen
Geheimbehörde gegenüber, die nur dem Generalstab verantwortlich ist, dem
„öuroau srabe", sind selbst die höchsten Zivilbehörden machtlos. Vermöge ihrer
Landes und Personenkenntnis, ihrer geheimen unkontrollierbaren Arbeit, entfaltet
sie neben ihrer militärischen eine sehr wichtige politische Tätigkeit, die jahrelang
von der französischen Regierung geduldet oder gar unterstützt wurde. Unsere
mehrfach wechselnden, daher landesunkundigen Gesandten und die wenigen Konsuln
sind dagegen machtlos. Ihren Reklamationen werden Scheingründe entgegen¬
gehalten, die diese oder jene Maßnahme im militärischen Interesse notwendig
erscheinen lassen. Dieses Verhalten wird auch in Zukunft Konfliktsstoff in sich
bergen und muß bei den Verhandlungen im Auge behalten werden. Die Klagen
über das Durchkreuzen deutscher wirtschaftlicher Interessen seitens der Franzosen
wollen nicht verstummen. Sie gehen von einwandfreien, geachteten Besitzern
deutscher Staatsangehörigkeit aus und beleuchten die Eigenart des Treibens des
„Kureau arabe«. Es entstanden zum Beispiel Streitigkeiten oder Meinungs¬
verschiedenheiten zwischen einem französischen Truppenbefehlshaber und einem
deutschen Besitzer über die Zugehörigkeit eines von französischen Truppen besetzten
Besitzteils. Der deutsche Farmer wandte sich an den Kadi, der zur Prüfung der
Ansprüche die Papiere einforderte. Als nach einiger Zeit der Farmer nach dem
Ausgang des Streits sich erkundigte, mußte er vom Kadi erfahren, daß die Papiere
verschwunden seien. Das war gut für den Kadi, denn hätte dieser zugunsten des
Deutschen entschieden, so wäre er verschwunden und ein neuer Kadi eingesetzt.
So ging es einem Kalb, der Land an einen Deutschen verkauft hatte: er verschwand
sofort, ein anderer wurde eingesetzt, der Kauf war ungültig.

Aus allem dürfte hervorgehen, daß die Vertragsverhandlungen schwierig und
langwierig sich gestalten werden. Mögen sie im entgegenkommenden Geiste geführt
werden. Mögen aber auch die Franzosen von der Notwendigkeit strikter Durch¬
führung überzeugt werden. Andernfalls wird Deutschlands Ehre berührt. Und
diese wissen Volk und das unübertroffene Heer allezeit zu verteidigen.


Generalmajor z. v, Loebel
Straßburger Brief

Elsaß und Lothringen — Die Elsässer und Frankreich — Strever und Schwätzer —
Geduld I

Will man das Verständnis sür die sogenannte elsaß -lothringische Frage fördern,
so möge man zunächst vermeiden, von Elsaß und Lothringen stets in einem Atemzuge
zu sprechen und auf dieser doppelten Basis das Verständnis zu suchen. Es ist
vielmehr streng zu beachten, daß der ganze Kampf Elsaß-Lothringens um seine
Autonomie seine Initiative eigentlich nur vom Elsaß erhält, während Lothringen
großenteils mehr geschoben Heeresfolge leistet.

Dies erklärt sich daraus, daß Lothringen wenigstens in seinen westlichen, rein
französisch sprechenden Teilen schon länger zu Frankreich gehört hatte und bereits
so vollständig in ihm aufgegangen war, daß es seinen französischen Charakter —
der sich abgesehen von der Sprache in den Lebensgewohnheiten, der Bauweise
seiner Dörfer, der Art seiner Ackerwirtschaft und vielem anderen äußert — nur


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0244" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/319193"/>
            <fw type="header" place="top"> Reichsspwgel</fw><lb/>
            <p xml:id="ID_1451" prev="#ID_1450"> von Nationalgefühl, unter französischen Schutz stellen lassen. Einer militärischen<lb/>
Geheimbehörde gegenüber, die nur dem Generalstab verantwortlich ist, dem<lb/>
&#x201E;öuroau srabe", sind selbst die höchsten Zivilbehörden machtlos. Vermöge ihrer<lb/>
Landes und Personenkenntnis, ihrer geheimen unkontrollierbaren Arbeit, entfaltet<lb/>
sie neben ihrer militärischen eine sehr wichtige politische Tätigkeit, die jahrelang<lb/>
von der französischen Regierung geduldet oder gar unterstützt wurde. Unsere<lb/>
mehrfach wechselnden, daher landesunkundigen Gesandten und die wenigen Konsuln<lb/>
sind dagegen machtlos. Ihren Reklamationen werden Scheingründe entgegen¬<lb/>
gehalten, die diese oder jene Maßnahme im militärischen Interesse notwendig<lb/>
erscheinen lassen. Dieses Verhalten wird auch in Zukunft Konfliktsstoff in sich<lb/>
bergen und muß bei den Verhandlungen im Auge behalten werden. Die Klagen<lb/>
über das Durchkreuzen deutscher wirtschaftlicher Interessen seitens der Franzosen<lb/>
wollen nicht verstummen. Sie gehen von einwandfreien, geachteten Besitzern<lb/>
deutscher Staatsangehörigkeit aus und beleuchten die Eigenart des Treibens des<lb/>
&#x201E;Kureau arabe«. Es entstanden zum Beispiel Streitigkeiten oder Meinungs¬<lb/>
verschiedenheiten zwischen einem französischen Truppenbefehlshaber und einem<lb/>
deutschen Besitzer über die Zugehörigkeit eines von französischen Truppen besetzten<lb/>
Besitzteils. Der deutsche Farmer wandte sich an den Kadi, der zur Prüfung der<lb/>
Ansprüche die Papiere einforderte. Als nach einiger Zeit der Farmer nach dem<lb/>
Ausgang des Streits sich erkundigte, mußte er vom Kadi erfahren, daß die Papiere<lb/>
verschwunden seien. Das war gut für den Kadi, denn hätte dieser zugunsten des<lb/>
Deutschen entschieden, so wäre er verschwunden und ein neuer Kadi eingesetzt.<lb/>
So ging es einem Kalb, der Land an einen Deutschen verkauft hatte: er verschwand<lb/>
sofort, ein anderer wurde eingesetzt, der Kauf war ungültig.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1452"> Aus allem dürfte hervorgehen, daß die Vertragsverhandlungen schwierig und<lb/>
langwierig sich gestalten werden. Mögen sie im entgegenkommenden Geiste geführt<lb/>
werden. Mögen aber auch die Franzosen von der Notwendigkeit strikter Durch¬<lb/>
führung überzeugt werden. Andernfalls wird Deutschlands Ehre berührt. Und<lb/>
diese wissen Volk und das unübertroffene Heer allezeit zu verteidigen.</p><lb/>
            <note type="byline"> Generalmajor z.   v, Loebel</note><lb/>
          </div>
          <div n="2">
            <head> Straßburger Brief</head><lb/>
            <note type="argument"> Elsaß und Lothringen &#x2014; Die Elsässer und Frankreich &#x2014; Strever und Schwätzer &#x2014;<lb/>
Geduld I</note><lb/>
            <p xml:id="ID_1453"> Will man das Verständnis sür die sogenannte elsaß -lothringische Frage fördern,<lb/>
so möge man zunächst vermeiden, von Elsaß und Lothringen stets in einem Atemzuge<lb/>
zu sprechen und auf dieser doppelten Basis das Verständnis zu suchen. Es ist<lb/>
vielmehr streng zu beachten, daß der ganze Kampf Elsaß-Lothringens um seine<lb/>
Autonomie seine Initiative eigentlich nur vom Elsaß erhält, während Lothringen<lb/>
großenteils mehr geschoben Heeresfolge leistet.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1454" next="#ID_1455"> Dies erklärt sich daraus, daß Lothringen wenigstens in seinen westlichen, rein<lb/>
französisch sprechenden Teilen schon länger zu Frankreich gehört hatte und bereits<lb/>
so vollständig in ihm aufgegangen war, daß es seinen französischen Charakter &#x2014;<lb/>
der sich abgesehen von der Sprache in den Lebensgewohnheiten, der Bauweise<lb/>
seiner Dörfer, der Art seiner Ackerwirtschaft und vielem anderen äußert &#x2014; nur</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0244] Reichsspwgel von Nationalgefühl, unter französischen Schutz stellen lassen. Einer militärischen Geheimbehörde gegenüber, die nur dem Generalstab verantwortlich ist, dem „öuroau srabe", sind selbst die höchsten Zivilbehörden machtlos. Vermöge ihrer Landes und Personenkenntnis, ihrer geheimen unkontrollierbaren Arbeit, entfaltet sie neben ihrer militärischen eine sehr wichtige politische Tätigkeit, die jahrelang von der französischen Regierung geduldet oder gar unterstützt wurde. Unsere mehrfach wechselnden, daher landesunkundigen Gesandten und die wenigen Konsuln sind dagegen machtlos. Ihren Reklamationen werden Scheingründe entgegen¬ gehalten, die diese oder jene Maßnahme im militärischen Interesse notwendig erscheinen lassen. Dieses Verhalten wird auch in Zukunft Konfliktsstoff in sich bergen und muß bei den Verhandlungen im Auge behalten werden. Die Klagen über das Durchkreuzen deutscher wirtschaftlicher Interessen seitens der Franzosen wollen nicht verstummen. Sie gehen von einwandfreien, geachteten Besitzern deutscher Staatsangehörigkeit aus und beleuchten die Eigenart des Treibens des „Kureau arabe«. Es entstanden zum Beispiel Streitigkeiten oder Meinungs¬ verschiedenheiten zwischen einem französischen Truppenbefehlshaber und einem deutschen Besitzer über die Zugehörigkeit eines von französischen Truppen besetzten Besitzteils. Der deutsche Farmer wandte sich an den Kadi, der zur Prüfung der Ansprüche die Papiere einforderte. Als nach einiger Zeit der Farmer nach dem Ausgang des Streits sich erkundigte, mußte er vom Kadi erfahren, daß die Papiere verschwunden seien. Das war gut für den Kadi, denn hätte dieser zugunsten des Deutschen entschieden, so wäre er verschwunden und ein neuer Kadi eingesetzt. So ging es einem Kalb, der Land an einen Deutschen verkauft hatte: er verschwand sofort, ein anderer wurde eingesetzt, der Kauf war ungültig. Aus allem dürfte hervorgehen, daß die Vertragsverhandlungen schwierig und langwierig sich gestalten werden. Mögen sie im entgegenkommenden Geiste geführt werden. Mögen aber auch die Franzosen von der Notwendigkeit strikter Durch¬ führung überzeugt werden. Andernfalls wird Deutschlands Ehre berührt. Und diese wissen Volk und das unübertroffene Heer allezeit zu verteidigen. Generalmajor z. v, Loebel Straßburger Brief Elsaß und Lothringen — Die Elsässer und Frankreich — Strever und Schwätzer — Geduld I Will man das Verständnis sür die sogenannte elsaß -lothringische Frage fördern, so möge man zunächst vermeiden, von Elsaß und Lothringen stets in einem Atemzuge zu sprechen und auf dieser doppelten Basis das Verständnis zu suchen. Es ist vielmehr streng zu beachten, daß der ganze Kampf Elsaß-Lothringens um seine Autonomie seine Initiative eigentlich nur vom Elsaß erhält, während Lothringen großenteils mehr geschoben Heeresfolge leistet. Dies erklärt sich daraus, daß Lothringen wenigstens in seinen westlichen, rein französisch sprechenden Teilen schon länger zu Frankreich gehört hatte und bereits so vollständig in ihm aufgegangen war, daß es seinen französischen Charakter — der sich abgesehen von der Sprache in den Lebensgewohnheiten, der Bauweise seiner Dörfer, der Art seiner Ackerwirtschaft und vielem anderen äußert — nur

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_318948
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_318948/244
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_318948/244>, abgerufen am 29.12.2024.