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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Drittes Vierteljahr.

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Reichsspieael

noch nicht so hochmögende Gouverneure wie jetzt. Es sei nur noch ein Punkt
erwähnt, zu dessen Berührung eine allgemein gehaltene Bemerkung von Peters
anregt. Er sagt nebenbei, daß wir von den Portugiesen, über deren Kolonien
wir uns früher lustig machten, vieles lernen könnten, und da hat er recht. Die
Portugiesen sind längst in ihren Teil des Ovambogebietes eingedrungen und haben
eine Reihe von Stationen angelegt, die zum Teil sogar eigentlich aus deutschem
Gebiet liegen sollen, während wir immer noch zögern, an die Erschließung des
Ambolandes heranzugehen. Wenn man erfährt, mit welcher Energie die Portugiesen
am Kumme und Okawango vorgehen, so mutet uns die ausweichende Erklärung,
die jüngst der Gouverneur von Südwest im Landesrat abgegeben hat, reichlich
sonderbar an. Mit ewiger Vorsicht kommen wir nicht weiter I

Peters meint so ungefähr, es werde in Südwest zuviel regiert, das
Beamtentum tyrannisiere bis zu einem gewissen Grade das gesellschaftliche und
öffentliche Leben, und auch darin hat er zum Teil nicht unrecht. Ein drastisches
Beispiel können wir hier mitteilen; die Angelegenheit spielt zwar nach der Heimat
herüber, aber sie läßt doch erkennen, wie sich die Welt in den Köpfen mancher --
beileibe nicht aller -- Beamten spiegelt. Da hatte sich ein um die koloniale Sache
hochverdientes Blatt erlaubt, die Kameruner Amtstätigkeit des jetzigen Südwester
Gouverneurs zu kritisieren. Die Folge war, daß die Zeitung von Windhuk aus
unter schriftlichen Protest abbestellt wurde. Wenn die Herren die Zeitung nicht
mehr lesen wollten, so war das ihre Sache, sie hätten aber nicht so kindlich sein
sollen, dies ihrem Herrn und Meister zuliebe auch noch schriftlich mitzuteilen; das
erregt nur Heiterkeit und beeinflußt die Publizistik in keiner Weise. Peters spielt
sodann auf die verschiedenen Willkürakte an, die sich die Kolonialverwaltung
gegenüber gerichtlichen Entscheidungen in letzter Zeit erlaubt hat. In diesem Fall
müssen wir die Verwaltung der Kolonie in Schutz nehmen, denn sie hat hier nur
den Weisungen aus Berlin entsprechend gehandelt. Bezeichnend ist, daß solche
Rücksichtslosigkeiten eigentlich nur in der Ära Dernburg vorgekommen sind. Die Zahl
der Beamten und die Stärke der Schutztruppe jetzt einzuschränken, wie Peters will,
dürfte vorläufig nicht angehen, denn die Verhältnisse haben sich noch keineswegs
so gefestigt, daß man ohne Gefahr die Verwaltung vorwiegend der deutschen
Bevölkerung und die Sorge für die Sicherheit des Landes allein der Landespolizei
überlassen könnte. Aber die Weiterentwicklung der Südwester Selbstverwaltung
ist sicherlich dringend zu wünschen. Vorläufig haben sich die maßgebenden Berufs¬
stände noch nicht ganz auf einen feststehenden moclus vivencli geeinigt, wie
u. a. die Spaltung des Farmerbundes gezeigt hat. Da die beiden feindlichen
Lager zunächst wohl kaum auf der Grundlage einer Berufsvereinigung
sich zusammenfinden werden, so ist regierungsseitig der Gedanke einer Landwirt¬
schaftskammer in die Debatte geworfen worden. Sie würde nun freilich einen
Farmerbund nur unvollkommen ersetzen, aber doch wenigstens der Farmwirtschaft
die Vertretung ihrer Interessen, wenn auch unter amtlicher Führung, sichern und
dem späteren Wiederaufleben des Farmerbundes die Wege ebnen. Vielleicht kommt
dann endlich ein ernsthafter Ansatz zu einem Kreditinstitut für die Farmwirtschaft
heraus, dem die Bureaukratie anscheinend hilflos gegenübersteht. Auch wenn dadurch
die Schuldenlast der Kolonie noch um eine bis zwei Millionen vermehrt würde,
so würde sich dies auf der anderen Seite, auch für die anderen Berufsstände, bezahlt


Reichsspieael

noch nicht so hochmögende Gouverneure wie jetzt. Es sei nur noch ein Punkt
erwähnt, zu dessen Berührung eine allgemein gehaltene Bemerkung von Peters
anregt. Er sagt nebenbei, daß wir von den Portugiesen, über deren Kolonien
wir uns früher lustig machten, vieles lernen könnten, und da hat er recht. Die
Portugiesen sind längst in ihren Teil des Ovambogebietes eingedrungen und haben
eine Reihe von Stationen angelegt, die zum Teil sogar eigentlich aus deutschem
Gebiet liegen sollen, während wir immer noch zögern, an die Erschließung des
Ambolandes heranzugehen. Wenn man erfährt, mit welcher Energie die Portugiesen
am Kumme und Okawango vorgehen, so mutet uns die ausweichende Erklärung,
die jüngst der Gouverneur von Südwest im Landesrat abgegeben hat, reichlich
sonderbar an. Mit ewiger Vorsicht kommen wir nicht weiter I

Peters meint so ungefähr, es werde in Südwest zuviel regiert, das
Beamtentum tyrannisiere bis zu einem gewissen Grade das gesellschaftliche und
öffentliche Leben, und auch darin hat er zum Teil nicht unrecht. Ein drastisches
Beispiel können wir hier mitteilen; die Angelegenheit spielt zwar nach der Heimat
herüber, aber sie läßt doch erkennen, wie sich die Welt in den Köpfen mancher —
beileibe nicht aller — Beamten spiegelt. Da hatte sich ein um die koloniale Sache
hochverdientes Blatt erlaubt, die Kameruner Amtstätigkeit des jetzigen Südwester
Gouverneurs zu kritisieren. Die Folge war, daß die Zeitung von Windhuk aus
unter schriftlichen Protest abbestellt wurde. Wenn die Herren die Zeitung nicht
mehr lesen wollten, so war das ihre Sache, sie hätten aber nicht so kindlich sein
sollen, dies ihrem Herrn und Meister zuliebe auch noch schriftlich mitzuteilen; das
erregt nur Heiterkeit und beeinflußt die Publizistik in keiner Weise. Peters spielt
sodann auf die verschiedenen Willkürakte an, die sich die Kolonialverwaltung
gegenüber gerichtlichen Entscheidungen in letzter Zeit erlaubt hat. In diesem Fall
müssen wir die Verwaltung der Kolonie in Schutz nehmen, denn sie hat hier nur
den Weisungen aus Berlin entsprechend gehandelt. Bezeichnend ist, daß solche
Rücksichtslosigkeiten eigentlich nur in der Ära Dernburg vorgekommen sind. Die Zahl
der Beamten und die Stärke der Schutztruppe jetzt einzuschränken, wie Peters will,
dürfte vorläufig nicht angehen, denn die Verhältnisse haben sich noch keineswegs
so gefestigt, daß man ohne Gefahr die Verwaltung vorwiegend der deutschen
Bevölkerung und die Sorge für die Sicherheit des Landes allein der Landespolizei
überlassen könnte. Aber die Weiterentwicklung der Südwester Selbstverwaltung
ist sicherlich dringend zu wünschen. Vorläufig haben sich die maßgebenden Berufs¬
stände noch nicht ganz auf einen feststehenden moclus vivencli geeinigt, wie
u. a. die Spaltung des Farmerbundes gezeigt hat. Da die beiden feindlichen
Lager zunächst wohl kaum auf der Grundlage einer Berufsvereinigung
sich zusammenfinden werden, so ist regierungsseitig der Gedanke einer Landwirt¬
schaftskammer in die Debatte geworfen worden. Sie würde nun freilich einen
Farmerbund nur unvollkommen ersetzen, aber doch wenigstens der Farmwirtschaft
die Vertretung ihrer Interessen, wenn auch unter amtlicher Führung, sichern und
dem späteren Wiederaufleben des Farmerbundes die Wege ebnen. Vielleicht kommt
dann endlich ein ernsthafter Ansatz zu einem Kreditinstitut für die Farmwirtschaft
heraus, dem die Bureaukratie anscheinend hilflos gegenübersteht. Auch wenn dadurch
die Schuldenlast der Kolonie noch um eine bis zwei Millionen vermehrt würde,
so würde sich dies auf der anderen Seite, auch für die anderen Berufsstände, bezahlt


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_318948/199>, abgerufen am 01.01.2025.