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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Drittes Vierteljahr.

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Fürst Bismarck und der Generalgouvemeur von Hannover

selten Gebrauch machen zu wollen, sondern auch den prinzipiellen und organi¬
satorischen Anträgen des Herrn von Hardenberg stets durch Ihre Unterschrift
Nachdruck zu geben.

Je ernster und energischer Sie in dieser Richtung vorgehen, um so zuver¬
sichtlicher dürfen Sie meiner unbedingten Unterstützung versichert sein.


v. Bismarck."

Noch im Laufe desselben Monats hatte v. Voigts-Rhetz Bismarck in einem
Privatschreiben gemeldet, er habe die Ausweisung eines adligen welstschen Agitators
zurückgenommen, nachdem sich derselbe verpflichtet hatte, sich fortan vom politischen
Treiben fernzuhalten. In dem gleichfalls privaten Erwiderungsbriefe fand Bis¬
marck es ganz natürlich, daß die von dem Generalgouvemeur einmal gewährte
Nachsicht in Kraft bleiben müsse, indessen gab er demselben zur Erwägung anheim,
ob es sich nicht mehr empfehlen würde, dergleichen Maßregeln, wenn einmal
erwogen und angeordnet, unter allen Umständen aufrecht zu erhalten. Es erscheine
nach außen leicht als eine Unentschlossenheit, als eine Order und Konterorder,
wenn auf persönliche Verwendung des Betroffenen eine Maßregel rückgängig
gemacht werde, die sich derselbe durch sein öffentliches Verhalten zugezogen habe.
Auf der anderen Seite sei nichts mehr geeignet, von Agitationen abzuschrecken,
als die feste Überzeugung, daß rückhaltslos und ohne Ansehen der Person gegen
jeden eingeschritten werde, der sich Ungehörigkeiten zuschulden kommen lasse. "Ein
pater peLLÄvi mag eine schwache Bürgschaft für die Zukunft sein, es ist aber
keine Strafe für das Vorgefallene, und die Aussicht, durch persönliche Fügsamkeit
alle üblen Folgen einer regierungsfeindlichen Tätigkeit von sich abwenden zu
können, ist nur zu sehr geeignet, zu solchem wohlfeilen Märtyrertum anzureizen".

Generalgouvemeur v. Voigts-Rhetz wird in seinem Erwiderungsschreiben sich
der Bismarckschen Anschauung gewiß angeschlossen haben, was Bismarck indessen
nicht abhielt, dem ersteren am 18. Februar 1867 noch einmal seine Grundsätze
darzulegen. Dieselben gipfelten in der Überzeugung, daß persönliche Rücksicht¬
nahmen wie die vorliegende bei prinzipiellen Gegnern kaum jemals ein anderes
Gefühl erzeugen würden als eine Steigerung des Glaubens, daß ihnen Unrecht
geschehe, und die Folge wäre eine Schwächung der Autorität des Gouvernements.

Die vorstehende .Korrespondenz ist nach mehr als einer Richtung hin charak¬
teristisch. Wir sehen daraus zunächst, wie tief durchdrungen Bismarck von seiner
Aufgabe als Ministerpräsident war; obwohl die Frage der Reorganisation des
hannoverschen Beamtentums in das Ressort des Ministers des Innern einschlug,
so griff er doch persönlich ein, den an die Spitze der Militär- und Zivilverwaltung
gestellten Gouverneur zu energischem Handeln antreibend. Selbst um die Auf¬
rechterhaltung von Ausweisungen kümmerte er sich. Echt bismarckisch sind sodann
die Grundsätze, welche ihn bei dem Assimilierungswerk der ihm so sehr am Herzen
liegenden Provinz Hannover leiteten. Er zeigt sich als ein Anhänger der Abschreckungs¬
theorie; wer gegen die Anordnungen der Regierung verstößt, gegen den muß
rückhaltslos eingeschritten werden, mag er ein Demokrat oder ein noch so feudaler
Herr sein. Der weitere Grundsatz Bismarcks, die hannoverschen Beamten möglichst in
die alten preußischen Provinzen zu versetzen, hat besonders den Ministerien und
Reichsämtern die schätzbarsten Kräfte geliefert.




Fürst Bismarck und der Generalgouvemeur von Hannover

selten Gebrauch machen zu wollen, sondern auch den prinzipiellen und organi¬
satorischen Anträgen des Herrn von Hardenberg stets durch Ihre Unterschrift
Nachdruck zu geben.

Je ernster und energischer Sie in dieser Richtung vorgehen, um so zuver¬
sichtlicher dürfen Sie meiner unbedingten Unterstützung versichert sein.


v. Bismarck."

Noch im Laufe desselben Monats hatte v. Voigts-Rhetz Bismarck in einem
Privatschreiben gemeldet, er habe die Ausweisung eines adligen welstschen Agitators
zurückgenommen, nachdem sich derselbe verpflichtet hatte, sich fortan vom politischen
Treiben fernzuhalten. In dem gleichfalls privaten Erwiderungsbriefe fand Bis¬
marck es ganz natürlich, daß die von dem Generalgouvemeur einmal gewährte
Nachsicht in Kraft bleiben müsse, indessen gab er demselben zur Erwägung anheim,
ob es sich nicht mehr empfehlen würde, dergleichen Maßregeln, wenn einmal
erwogen und angeordnet, unter allen Umständen aufrecht zu erhalten. Es erscheine
nach außen leicht als eine Unentschlossenheit, als eine Order und Konterorder,
wenn auf persönliche Verwendung des Betroffenen eine Maßregel rückgängig
gemacht werde, die sich derselbe durch sein öffentliches Verhalten zugezogen habe.
Auf der anderen Seite sei nichts mehr geeignet, von Agitationen abzuschrecken,
als die feste Überzeugung, daß rückhaltslos und ohne Ansehen der Person gegen
jeden eingeschritten werde, der sich Ungehörigkeiten zuschulden kommen lasse. „Ein
pater peLLÄvi mag eine schwache Bürgschaft für die Zukunft sein, es ist aber
keine Strafe für das Vorgefallene, und die Aussicht, durch persönliche Fügsamkeit
alle üblen Folgen einer regierungsfeindlichen Tätigkeit von sich abwenden zu
können, ist nur zu sehr geeignet, zu solchem wohlfeilen Märtyrertum anzureizen".

Generalgouvemeur v. Voigts-Rhetz wird in seinem Erwiderungsschreiben sich
der Bismarckschen Anschauung gewiß angeschlossen haben, was Bismarck indessen
nicht abhielt, dem ersteren am 18. Februar 1867 noch einmal seine Grundsätze
darzulegen. Dieselben gipfelten in der Überzeugung, daß persönliche Rücksicht¬
nahmen wie die vorliegende bei prinzipiellen Gegnern kaum jemals ein anderes
Gefühl erzeugen würden als eine Steigerung des Glaubens, daß ihnen Unrecht
geschehe, und die Folge wäre eine Schwächung der Autorität des Gouvernements.

Die vorstehende .Korrespondenz ist nach mehr als einer Richtung hin charak¬
teristisch. Wir sehen daraus zunächst, wie tief durchdrungen Bismarck von seiner
Aufgabe als Ministerpräsident war; obwohl die Frage der Reorganisation des
hannoverschen Beamtentums in das Ressort des Ministers des Innern einschlug,
so griff er doch persönlich ein, den an die Spitze der Militär- und Zivilverwaltung
gestellten Gouverneur zu energischem Handeln antreibend. Selbst um die Auf¬
rechterhaltung von Ausweisungen kümmerte er sich. Echt bismarckisch sind sodann
die Grundsätze, welche ihn bei dem Assimilierungswerk der ihm so sehr am Herzen
liegenden Provinz Hannover leiteten. Er zeigt sich als ein Anhänger der Abschreckungs¬
theorie; wer gegen die Anordnungen der Regierung verstößt, gegen den muß
rückhaltslos eingeschritten werden, mag er ein Demokrat oder ein noch so feudaler
Herr sein. Der weitere Grundsatz Bismarcks, die hannoverschen Beamten möglichst in
die alten preußischen Provinzen zu versetzen, hat besonders den Ministerien und
Reichsämtern die schätzbarsten Kräfte geliefert.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_318948/192>, abgerufen am 01.01.2025.