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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Drittes Vierteljahr.

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Das landwirtschaftliche Genossenschaftswesen

der selbständigen Entschlußfreiheit erfolgen. Verhängnisvoll aber muß es wirken,
wenn nach dem System der Preußenkasse durch Ausschließlichkeitserklärungen,
geschäftliche Schikanen, ja durch Kreditentziehungen ein organisatorischer
oder wirtschaftlicher Zweck erreicht werden soll, den die Preußenkasse von
ihrem Standpunkt aus für erstrebenswert hält. Die einheitliche provinzielle
Zusammenfassung der Genossenschaften zu Verbandskassen mag an sich
ein ganz richtiges Ziel sein, aber es ist falsch und ungenossenschaftlich,
es durch Gewaltmahregeln erzwingen zu wollen, uni den Aktionsradius der
Preußenkasse zu vergrößern. Die Verwaltung der Preußenkasse steht ihren
Genossenschaften nicht gegenüber wie ein Geschäftsfreund dem andern, sondern
wie eine vorgesetzte Behörde ihrer untergebenen. Danach bemißt sie ihre
Handlungen, danach bemißt sie sogar ihre Verkehrsformen. Als Neuwied bei
ihr aufragt, ob sie in der Tat der Posenschen Landesgenossenschaftskasse eine
Kreditzusage gemacht habe, erwidert die Preußenkasse wörtlich: "Zunächst dürfen
wir um nähere Darstellung der Gründe bitten, aus denen Sie das Recht
herleiten, von dem Direktorium der Preußischen Zentralgenossenschaftskasse
Aufschluß über seine dienstlichen Maßnahmen (!!) und noch dazu in der von
Ihnen beliebten Form fordern zu dürfen."

Ist das nicht bezeichnend? Kann ein solcher hochfahrender bureaukratischer
Ton noch überboten werden? Dieser eine Passus wirst ein schärferes Licht
auf die Auffassung, welche die Preußenkasse von ihrer Stellung und ihrer
Aufgabe hat, -als es die längste Darlegung vermöchte.

Kein Wunder, wenn die Genossenschaften gegen ein solches Bevormundungs¬
system rebellieren! Jeder wahre Freund des Genossenschaftswesens muß seine
Freude darüber empfinden, daß die Genossenschaften sich Unabhängigkeitssinn
genug bewahrt haben, um sich gegen diese Art der Behandlung zur Wehr
zu setzen.

Wenn die Genossenschaften heute ernstlich wollten, es wäre ihnen nicht
schwer, die Fesseln der staatlichen Protektion abzustreifen und sich ganz auf
eigene Füße zu stellen. Die Zeiten sind heute anders als vor fünfzehn
Jahren; die landwirtschaftlichen Genossenschaften repräsentieren mit ihren
I.6/4 Milliarden Spareinlagen eine wirtschaftliche Macht, die auch gegenüber
den Ziffern der Großbanken imponiert. So gering auch im allgemeinen das
Verständnis für die Bedeutung des Genossenschaftswesens bei unseren Banken
sein mag, so kurzsichtig dürfte doch kaum eine sein, um den ungeheuren Wert
zu verkennen, der in der Angliederung einer solchen Organisation liegt. Und
die Durchführung dieser Aufgabe ist nicht einmal allzu schwierig; es bedarf
dazu nur des beiderseitigen Willens.




Das landwirtschaftliche Genossenschaftswesen

der selbständigen Entschlußfreiheit erfolgen. Verhängnisvoll aber muß es wirken,
wenn nach dem System der Preußenkasse durch Ausschließlichkeitserklärungen,
geschäftliche Schikanen, ja durch Kreditentziehungen ein organisatorischer
oder wirtschaftlicher Zweck erreicht werden soll, den die Preußenkasse von
ihrem Standpunkt aus für erstrebenswert hält. Die einheitliche provinzielle
Zusammenfassung der Genossenschaften zu Verbandskassen mag an sich
ein ganz richtiges Ziel sein, aber es ist falsch und ungenossenschaftlich,
es durch Gewaltmahregeln erzwingen zu wollen, uni den Aktionsradius der
Preußenkasse zu vergrößern. Die Verwaltung der Preußenkasse steht ihren
Genossenschaften nicht gegenüber wie ein Geschäftsfreund dem andern, sondern
wie eine vorgesetzte Behörde ihrer untergebenen. Danach bemißt sie ihre
Handlungen, danach bemißt sie sogar ihre Verkehrsformen. Als Neuwied bei
ihr aufragt, ob sie in der Tat der Posenschen Landesgenossenschaftskasse eine
Kreditzusage gemacht habe, erwidert die Preußenkasse wörtlich: „Zunächst dürfen
wir um nähere Darstellung der Gründe bitten, aus denen Sie das Recht
herleiten, von dem Direktorium der Preußischen Zentralgenossenschaftskasse
Aufschluß über seine dienstlichen Maßnahmen (!!) und noch dazu in der von
Ihnen beliebten Form fordern zu dürfen."

Ist das nicht bezeichnend? Kann ein solcher hochfahrender bureaukratischer
Ton noch überboten werden? Dieser eine Passus wirst ein schärferes Licht
auf die Auffassung, welche die Preußenkasse von ihrer Stellung und ihrer
Aufgabe hat, -als es die längste Darlegung vermöchte.

Kein Wunder, wenn die Genossenschaften gegen ein solches Bevormundungs¬
system rebellieren! Jeder wahre Freund des Genossenschaftswesens muß seine
Freude darüber empfinden, daß die Genossenschaften sich Unabhängigkeitssinn
genug bewahrt haben, um sich gegen diese Art der Behandlung zur Wehr
zu setzen.

Wenn die Genossenschaften heute ernstlich wollten, es wäre ihnen nicht
schwer, die Fesseln der staatlichen Protektion abzustreifen und sich ganz auf
eigene Füße zu stellen. Die Zeiten sind heute anders als vor fünfzehn
Jahren; die landwirtschaftlichen Genossenschaften repräsentieren mit ihren
I.6/4 Milliarden Spareinlagen eine wirtschaftliche Macht, die auch gegenüber
den Ziffern der Großbanken imponiert. So gering auch im allgemeinen das
Verständnis für die Bedeutung des Genossenschaftswesens bei unseren Banken
sein mag, so kurzsichtig dürfte doch kaum eine sein, um den ungeheuren Wert
zu verkennen, der in der Angliederung einer solchen Organisation liegt. Und
die Durchführung dieser Aufgabe ist nicht einmal allzu schwierig; es bedarf
dazu nur des beiderseitigen Willens.




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[0164] Das landwirtschaftliche Genossenschaftswesen der selbständigen Entschlußfreiheit erfolgen. Verhängnisvoll aber muß es wirken, wenn nach dem System der Preußenkasse durch Ausschließlichkeitserklärungen, geschäftliche Schikanen, ja durch Kreditentziehungen ein organisatorischer oder wirtschaftlicher Zweck erreicht werden soll, den die Preußenkasse von ihrem Standpunkt aus für erstrebenswert hält. Die einheitliche provinzielle Zusammenfassung der Genossenschaften zu Verbandskassen mag an sich ein ganz richtiges Ziel sein, aber es ist falsch und ungenossenschaftlich, es durch Gewaltmahregeln erzwingen zu wollen, uni den Aktionsradius der Preußenkasse zu vergrößern. Die Verwaltung der Preußenkasse steht ihren Genossenschaften nicht gegenüber wie ein Geschäftsfreund dem andern, sondern wie eine vorgesetzte Behörde ihrer untergebenen. Danach bemißt sie ihre Handlungen, danach bemißt sie sogar ihre Verkehrsformen. Als Neuwied bei ihr aufragt, ob sie in der Tat der Posenschen Landesgenossenschaftskasse eine Kreditzusage gemacht habe, erwidert die Preußenkasse wörtlich: „Zunächst dürfen wir um nähere Darstellung der Gründe bitten, aus denen Sie das Recht herleiten, von dem Direktorium der Preußischen Zentralgenossenschaftskasse Aufschluß über seine dienstlichen Maßnahmen (!!) und noch dazu in der von Ihnen beliebten Form fordern zu dürfen." Ist das nicht bezeichnend? Kann ein solcher hochfahrender bureaukratischer Ton noch überboten werden? Dieser eine Passus wirst ein schärferes Licht auf die Auffassung, welche die Preußenkasse von ihrer Stellung und ihrer Aufgabe hat, -als es die längste Darlegung vermöchte. Kein Wunder, wenn die Genossenschaften gegen ein solches Bevormundungs¬ system rebellieren! Jeder wahre Freund des Genossenschaftswesens muß seine Freude darüber empfinden, daß die Genossenschaften sich Unabhängigkeitssinn genug bewahrt haben, um sich gegen diese Art der Behandlung zur Wehr zu setzen. Wenn die Genossenschaften heute ernstlich wollten, es wäre ihnen nicht schwer, die Fesseln der staatlichen Protektion abzustreifen und sich ganz auf eigene Füße zu stellen. Die Zeiten sind heute anders als vor fünfzehn Jahren; die landwirtschaftlichen Genossenschaften repräsentieren mit ihren I.6/4 Milliarden Spareinlagen eine wirtschaftliche Macht, die auch gegenüber den Ziffern der Großbanken imponiert. So gering auch im allgemeinen das Verständnis für die Bedeutung des Genossenschaftswesens bei unseren Banken sein mag, so kurzsichtig dürfte doch kaum eine sein, um den ungeheuren Wert zu verkennen, der in der Angliederung einer solchen Organisation liegt. Und die Durchführung dieser Aufgabe ist nicht einmal allzu schwierig; es bedarf dazu nur des beiderseitigen Willens.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_318948/164>, abgerufen am 29.12.2024.