Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Drittes Vierteljahr.Bausteine der chinesischen Aultur die einen gewissen Grad von Zivilisation erreicht haben, sind die Chinesen die Mit Recht hebt Meadows zugleich hervor, daß die Chinesen zwar zahlreiche, Wie erhaben anderseits manche unter den alten Monarchen Chinas ihren Wenn wir der ältesten Überlieferung trauen dürfen, scheint das chinesische Wenn es ein Moment gibt, das dem Studium der chinesischen Gesittung Bausteine der chinesischen Aultur die einen gewissen Grad von Zivilisation erreicht haben, sind die Chinesen die Mit Recht hebt Meadows zugleich hervor, daß die Chinesen zwar zahlreiche, Wie erhaben anderseits manche unter den alten Monarchen Chinas ihren Wenn wir der ältesten Überlieferung trauen dürfen, scheint das chinesische Wenn es ein Moment gibt, das dem Studium der chinesischen Gesittung <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0124" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/319073"/> <fw type="header" place="top"> Bausteine der chinesischen Aultur</fw><lb/> <p xml:id="ID_1029" prev="#ID_1028"> die einen gewissen Grad von Zivilisation erreicht haben, sind die Chinesen die<lb/> am wenigsten revolutionäre und die am meisten rebellische/'</p><lb/> <p xml:id="ID_1030"> Mit Recht hebt Meadows zugleich hervor, daß die Chinesen zwar zahlreiche,<lb/> mit Dynastienwechsel verbundene Rebellionen erlebt haben, aber nur eine Revo¬<lb/> lution: diejenige nämlich, durch die an Stelle des bisherigen Feudalismus die<lb/> zentralisierte Monarchie eingeführt wurde. Und es darf hinzugefügt werden,<lb/> daß diese einzige Revolution Chinas nicht von unten, sondern von oben her<lb/> erfolgte. Chinas größter Herrscher war zugleich Chinas einziger Revolutionär.</p><lb/> <p xml:id="ID_1031"> Wie erhaben anderseits manche unter den alten Monarchen Chinas ihren<lb/> Herrscherberuf und die Schwere ihrer Verantwortung als Mandatare des Himmels<lb/> auffaßten, dafür liegt mehr als ein denkwürdiger Beweis vor. Um nur ein<lb/> Beispiel zu erwähnen, so ist in dem uralten Shu-king, dem Buch der Urkunden,<lb/> das zu den sogenannten fünf kanonischen Büchern gehört, ein Gebet des Kaisers<lb/> T'arg, der nach der landläufigen Chronologie 1766 bis 1753 v. Chr. regiert<lb/> haben soll, enthalten, worin die großartigen Worte vorkommen: „Sollte ich<lb/> gefehlt haben, so wolle meine Schuld nicht den Völkern der zehntausend Gegenden<lb/> anrechnen; wenn aber die Völker der zehntausend Gegenden gefehlt haben, so<lb/> lasse ihre Schuld die meine sein."</p><lb/> <p xml:id="ID_1032"> Wenn wir der ältesten Überlieferung trauen dürfen, scheint das chinesische<lb/> Staatswesen bereits unter den beiden ersten Dynastien den Charakter einer<lb/> Feudalmonarchie getragen zu haben. Mit vollster Sicherheit gilt dies jedoch erst<lb/> von der dritten Dynastie, dem Hause Chou, das fast neun Jahrhunderte lang,<lb/> von 1122 bis 255 v. Chr., den Thron innehatte. Unter den Chou wuchs das<lb/> Lehenswesen zu einer so gefahrdrohenden Macht heran, daß die herrschende<lb/> Dynastie während der letzten zweihundertfunfzig Jahre nur noch ein Scheindasein<lb/> führte. Kämpfe der mächtigsten unter den Lehensfürsten um die Hegemonie<lb/> verheerten das Land, und mit der politischen Einheit drohte schließlich auch die<lb/> nationale in die Brüche zu gehen. Aber gerade diese Periode politischen und<lb/> sittlichen Verfalles bezeichnet zugleich die Blütezeit der klassischen Literatur. Das<lb/> Jahr 551 v. Chr., in welchem Konfuzius geboren wurde, ist der Beginn einer<lb/> neuen Ära in der Geschichte Chinas.</p><lb/> <p xml:id="ID_1033" next="#ID_1034"> Wenn es ein Moment gibt, das dem Studium der chinesischen Gesittung<lb/> neben dem allgemein kulturgeschichtlichen noch ein spezielles Interesse vom Stand¬<lb/> punkte der geschichtsphilosophischen und völkerpsychologischen Betrachtung verleiht,<lb/> so ist es das Walten einer großen Persönlichkeit, durch welches das ganze<lb/> Sittenleben, der nationale Habitus, ja, man könnte sast sagen, sogar das politische<lb/> Schicksal eines großen Kulturvolkes nicht nur beeinflußt, sondern geradezu bestimmt<lb/> wird. Wenn ich Konsuzius eben als eine große Persönlichkeit bezeichnete, so<lb/> möchte ich damit freilich das Epitheton „groß" nicht sowohl auf die spezifische<lb/> Eigenart seines Wesens bezogen wissen, als vielmehr auf die Intensität, Aus¬<lb/> dehnung und Dauer des Einflusses, der von ihm ausgegangen ist. Groß war<lb/> Konfuzius weder als Denker noch als Schriftsteller, obwohl er sowohl dem</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0124]
Bausteine der chinesischen Aultur
die einen gewissen Grad von Zivilisation erreicht haben, sind die Chinesen die
am wenigsten revolutionäre und die am meisten rebellische/'
Mit Recht hebt Meadows zugleich hervor, daß die Chinesen zwar zahlreiche,
mit Dynastienwechsel verbundene Rebellionen erlebt haben, aber nur eine Revo¬
lution: diejenige nämlich, durch die an Stelle des bisherigen Feudalismus die
zentralisierte Monarchie eingeführt wurde. Und es darf hinzugefügt werden,
daß diese einzige Revolution Chinas nicht von unten, sondern von oben her
erfolgte. Chinas größter Herrscher war zugleich Chinas einziger Revolutionär.
Wie erhaben anderseits manche unter den alten Monarchen Chinas ihren
Herrscherberuf und die Schwere ihrer Verantwortung als Mandatare des Himmels
auffaßten, dafür liegt mehr als ein denkwürdiger Beweis vor. Um nur ein
Beispiel zu erwähnen, so ist in dem uralten Shu-king, dem Buch der Urkunden,
das zu den sogenannten fünf kanonischen Büchern gehört, ein Gebet des Kaisers
T'arg, der nach der landläufigen Chronologie 1766 bis 1753 v. Chr. regiert
haben soll, enthalten, worin die großartigen Worte vorkommen: „Sollte ich
gefehlt haben, so wolle meine Schuld nicht den Völkern der zehntausend Gegenden
anrechnen; wenn aber die Völker der zehntausend Gegenden gefehlt haben, so
lasse ihre Schuld die meine sein."
Wenn wir der ältesten Überlieferung trauen dürfen, scheint das chinesische
Staatswesen bereits unter den beiden ersten Dynastien den Charakter einer
Feudalmonarchie getragen zu haben. Mit vollster Sicherheit gilt dies jedoch erst
von der dritten Dynastie, dem Hause Chou, das fast neun Jahrhunderte lang,
von 1122 bis 255 v. Chr., den Thron innehatte. Unter den Chou wuchs das
Lehenswesen zu einer so gefahrdrohenden Macht heran, daß die herrschende
Dynastie während der letzten zweihundertfunfzig Jahre nur noch ein Scheindasein
führte. Kämpfe der mächtigsten unter den Lehensfürsten um die Hegemonie
verheerten das Land, und mit der politischen Einheit drohte schließlich auch die
nationale in die Brüche zu gehen. Aber gerade diese Periode politischen und
sittlichen Verfalles bezeichnet zugleich die Blütezeit der klassischen Literatur. Das
Jahr 551 v. Chr., in welchem Konfuzius geboren wurde, ist der Beginn einer
neuen Ära in der Geschichte Chinas.
Wenn es ein Moment gibt, das dem Studium der chinesischen Gesittung
neben dem allgemein kulturgeschichtlichen noch ein spezielles Interesse vom Stand¬
punkte der geschichtsphilosophischen und völkerpsychologischen Betrachtung verleiht,
so ist es das Walten einer großen Persönlichkeit, durch welches das ganze
Sittenleben, der nationale Habitus, ja, man könnte sast sagen, sogar das politische
Schicksal eines großen Kulturvolkes nicht nur beeinflußt, sondern geradezu bestimmt
wird. Wenn ich Konsuzius eben als eine große Persönlichkeit bezeichnete, so
möchte ich damit freilich das Epitheton „groß" nicht sowohl auf die spezifische
Eigenart seines Wesens bezogen wissen, als vielmehr auf die Intensität, Aus¬
dehnung und Dauer des Einflusses, der von ihm ausgegangen ist. Groß war
Konfuzius weder als Denker noch als Schriftsteller, obwohl er sowohl dem
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |