Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Drittes Vierteljahr.Rcichsspiegcl deckung geht mit 59,8 Prozent nicht unwesentlich über das gesetzliche Drittel Kann man also mit dem Status der Reichsbank, so wie er sich äußerlich Rcichsspiegcl deckung geht mit 59,8 Prozent nicht unwesentlich über das gesetzliche Drittel Kann man also mit dem Status der Reichsbank, so wie er sich äußerlich <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0105" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/319054"/> <fw type="header" place="top"> Rcichsspiegcl</fw><lb/> <p xml:id="ID_972" prev="#ID_971"> deckung geht mit 59,8 Prozent nicht unwesentlich über das gesetzliche Drittel<lb/> hinaus und ist um 3^ Prozent größer als im Vorjahr. Man darf, also fest¬<lb/> stellen, daß die Maßregel der Reichsbank tatsächlich von Erfolg begleitet war.<lb/> Freilich haben sich dabei Nebenwirkungen unerfreulicher Art gezeigt, die kaum<lb/> den Absichten der Bankverwaltung entsprochen haben dürften. Die abnormen<lb/> Zinssätze an der Börse waren nicht mit Notwendigkeit durch das Vorgehen der<lb/> Reichsbank bedingt; sie standen mit der Lage des Geldmarktes im Widerspruch<lb/> und sind nur durch die Ausbeutung der Situation seitens der großen Geldgeber<lb/> hervorgerufen worden.</p><lb/> <p xml:id="ID_973" next="#ID_974"> Kann man also mit dem Status der Reichsbank, so wie er sich äußerlich<lb/> präsentiert, leidlich zufrieden sein, so gibt eine eingehendere Betrachtung doch<lb/> Anlaß zu ernsten Bedenken. Wir sehen, daß trotz der Hunderte von Millionen,<lb/> die dem deutschen Geldmarkt augenblicklich vom Ausland zur Verfügung gestellt<lb/> sind, die Ansprüche an die Bank gegen das Vorjahr noch gewachsen sind. Man<lb/> kann sich leicht vorstellen, um wie viel kritischer die Situation sich gestaltet hätte,<lb/> wenn diese zufällige Unterstützung nicht eingetreten wäre. Es ist daher im Grunde<lb/> genommen auch kein Anlaß, sich optimistischen Betrachtungen zu überlassen. Kurz¬<lb/> fristige ausländische Guthaben sind eine sehr zweifelhafte Hilfe für den Geld¬<lb/> markt. Die Rückzahlungsverpflichtung kann ihn leicht in eine noch schlimmere<lb/> Verfassung bringen als zuvor. Und augenblicklich müssen wir sogar mit ziem¬<lb/> licher Bestimmtheit darauf rechnen, daß das französische Geld in kurzem<lb/> unserem Markt entzogen wird. Schon die Gestaltung der politischen Verhält¬<lb/> nisse zwischen Deutschland und Frankreich macht dies wahrscheinlich; ist doch<lb/> bereits eine Jnterpellation in der französischen Kammer angekündigt, welche sich<lb/> mit dem Kapitalexport nach Deutschland beschäftigt. Man braucht dieses Hinüber¬<lb/> greifen der Politik in rein geschäftliche Verhältnisse im allgemeinen nicht allzu hoch<lb/> anzuschlagen, um doch der Meinung sein zu können, daß eine Rückwirkung ans<lb/> die Dispositionen des französischen Kapitals nicht ausbleiben wird. Davon<lb/> abgesehen wird Paris, das stark an London verschuldet ist und in Gemeinschaft<lb/> mit Brüssel 200 Millionen für Argentinien aufzubringen hat, schon aus<lb/> rein geschäftlichen Gründen seine Guthaben in Berlin größtenteils zurückziehen. Wir<lb/> werden also für den Hcrbsttcrmin, der ohnedies die größten Ansprüche zu<lb/> bringen pflegt, ohne diese Unterstützung des Auslandes auskommen müssen.<lb/> Betrachtet man unter diesen: Gesichtspunkt den Status der Reichsbank, so<lb/> eröffnet er eine recht bedenkliche Perspektive. Es zeigt sich, daß die von Quartal<lb/> zu Quartal sprunghaft steigende Inanspruchnahme des Instituts im Juniaus¬<lb/> weis nur durch eine zufällige Konstellation weniger scharf in die Erscheinung<lb/> getreten ist. Trotz der französischen Millionen hat das erhöhte steuerfreie Quartals¬<lb/> kontingent nicht ausgereicht, die Bank vor einem steuerpflichtigen Umlauf zu<lb/> schützen; wie hoch wäre er aber ohne jene Hilfe geworden und wie soll er sich<lb/> im Herbst gestalten? Man darf sich keinem Zweifel darüber hingeben: die<lb/> Ansprüche an die Reichsbank steigen unablässig, und die Verteuerung der</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0105]
Rcichsspiegcl
deckung geht mit 59,8 Prozent nicht unwesentlich über das gesetzliche Drittel
hinaus und ist um 3^ Prozent größer als im Vorjahr. Man darf, also fest¬
stellen, daß die Maßregel der Reichsbank tatsächlich von Erfolg begleitet war.
Freilich haben sich dabei Nebenwirkungen unerfreulicher Art gezeigt, die kaum
den Absichten der Bankverwaltung entsprochen haben dürften. Die abnormen
Zinssätze an der Börse waren nicht mit Notwendigkeit durch das Vorgehen der
Reichsbank bedingt; sie standen mit der Lage des Geldmarktes im Widerspruch
und sind nur durch die Ausbeutung der Situation seitens der großen Geldgeber
hervorgerufen worden.
Kann man also mit dem Status der Reichsbank, so wie er sich äußerlich
präsentiert, leidlich zufrieden sein, so gibt eine eingehendere Betrachtung doch
Anlaß zu ernsten Bedenken. Wir sehen, daß trotz der Hunderte von Millionen,
die dem deutschen Geldmarkt augenblicklich vom Ausland zur Verfügung gestellt
sind, die Ansprüche an die Bank gegen das Vorjahr noch gewachsen sind. Man
kann sich leicht vorstellen, um wie viel kritischer die Situation sich gestaltet hätte,
wenn diese zufällige Unterstützung nicht eingetreten wäre. Es ist daher im Grunde
genommen auch kein Anlaß, sich optimistischen Betrachtungen zu überlassen. Kurz¬
fristige ausländische Guthaben sind eine sehr zweifelhafte Hilfe für den Geld¬
markt. Die Rückzahlungsverpflichtung kann ihn leicht in eine noch schlimmere
Verfassung bringen als zuvor. Und augenblicklich müssen wir sogar mit ziem¬
licher Bestimmtheit darauf rechnen, daß das französische Geld in kurzem
unserem Markt entzogen wird. Schon die Gestaltung der politischen Verhält¬
nisse zwischen Deutschland und Frankreich macht dies wahrscheinlich; ist doch
bereits eine Jnterpellation in der französischen Kammer angekündigt, welche sich
mit dem Kapitalexport nach Deutschland beschäftigt. Man braucht dieses Hinüber¬
greifen der Politik in rein geschäftliche Verhältnisse im allgemeinen nicht allzu hoch
anzuschlagen, um doch der Meinung sein zu können, daß eine Rückwirkung ans
die Dispositionen des französischen Kapitals nicht ausbleiben wird. Davon
abgesehen wird Paris, das stark an London verschuldet ist und in Gemeinschaft
mit Brüssel 200 Millionen für Argentinien aufzubringen hat, schon aus
rein geschäftlichen Gründen seine Guthaben in Berlin größtenteils zurückziehen. Wir
werden also für den Hcrbsttcrmin, der ohnedies die größten Ansprüche zu
bringen pflegt, ohne diese Unterstützung des Auslandes auskommen müssen.
Betrachtet man unter diesen: Gesichtspunkt den Status der Reichsbank, so
eröffnet er eine recht bedenkliche Perspektive. Es zeigt sich, daß die von Quartal
zu Quartal sprunghaft steigende Inanspruchnahme des Instituts im Juniaus¬
weis nur durch eine zufällige Konstellation weniger scharf in die Erscheinung
getreten ist. Trotz der französischen Millionen hat das erhöhte steuerfreie Quartals¬
kontingent nicht ausgereicht, die Bank vor einem steuerpflichtigen Umlauf zu
schützen; wie hoch wäre er aber ohne jene Hilfe geworden und wie soll er sich
im Herbst gestalten? Man darf sich keinem Zweifel darüber hingeben: die
Ansprüche an die Reichsbank steigen unablässig, und die Verteuerung der
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |