Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Zweites Vierteljahr.Fritz Anders gemeinheit preisgegeben, ohne sie zu seinem eigenen Nutzen auszubeuten. Eine Allihns Vielseitigkeit machte sich schon gleich zu Anfang seiner literarischen Bei der Fülle von verschiedenartigen Interessen, die Allihn beschäftigten, konnte In weiteren Kreisen ist der Name Fritz Anders, wie gesagt, erst durch die Fritz Anders gemeinheit preisgegeben, ohne sie zu seinem eigenen Nutzen auszubeuten. Eine Allihns Vielseitigkeit machte sich schon gleich zu Anfang seiner literarischen Bei der Fülle von verschiedenartigen Interessen, die Allihn beschäftigten, konnte In weiteren Kreisen ist der Name Fritz Anders, wie gesagt, erst durch die <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0089" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/318372"/> <fw type="header" place="top"> Fritz Anders</fw><lb/> <p xml:id="ID_389" prev="#ID_388"> gemeinheit preisgegeben, ohne sie zu seinem eigenen Nutzen auszubeuten. Eine<lb/> seiner literarischen Arbeiten auf diesem Gebiete, die „Theorie und Praxis des<lb/> Orgelbaus", eine völlige Neubearbeitung des Töpferschen Lehrbuches, wird als<lb/> ein klassisches Werk geschätzt. Auch der Photographie, besonders der Amateur¬<lb/> photographie, hat er neue Wege gewiesen.</p><lb/> <p xml:id="ID_390"> Allihns Vielseitigkeit machte sich schon gleich zu Anfang seiner literarischen<lb/> Tätigkeit bemerkbar. Diese begann etwa 1871 mit „Dürerstudien". Dürer war<lb/> damals „aktuell"; das erstarkte Nationalgefühl hatte das Verständnis für den<lb/> größten deutschen Künstler der Vergangenheit geweckt. Im folgenden Jahre<lb/> debütierte Allihn mit einem Aufsatz über Dürers Befestigungskunst in den „Grenz¬<lb/> boten", zu deren treuesten Mitarbeitern er vier Jahrzehnte lang gehörte. Man<lb/> kann sich kaum vorstellen, daß die Beiträge, die er lieferte, alle aus derselben<lb/> Feder stammen. Schon 1873 schrieb er einen Artikel „Sozialdemokratisches"; aus<lb/> demselben Jahre stammt der Aufsatz „Malertechnik". Im Jahre 1881 beginnt die<lb/> lange Folge der „Skizzen", die seinen Schriftstellernamen „Fritz Anders" eigentlich<lb/> erst bekannt gemacht haben, zugleich veröffentlichte er in den grünen Heften aber<lb/> auch Beiträge über meteorologische Fragen, über Lutherfestspiele, über die Fort¬<lb/> schritte der Photographie, Plaudereien über „Thüringer Manövertage", Be¬<lb/> trachtungen über die Themen „Die Evangelische Kirche und der Staat", „Schäden<lb/> der Kirche", „Evangelischer Bund" und „Spiritismus". Im Jahre 1888 schrieb<lb/> er u. a. über „Vogelschutzgesetze", über „ein neues Metall" und über „Gedanken¬<lb/> übertragung".</p><lb/> <p xml:id="ID_391"> Bei der Fülle von verschiedenartigen Interessen, die Allihn beschäftigten, konnte<lb/> von einer Zersplitterung seiner eigenartigen Begabung und seiner Leistungen doch<lb/> nicht die Rede sein. Er gehörte zu den beneidenswerten Menschen, die nie den<lb/> Überblick über das Ganze verlieren, und denen sich das Weltbild aus lauter liebevoll<lb/> erfaßten Einzelheiten ziemlich vollständig zusammensetzt. Und in: Grunde genommen<lb/> war doch alles, was er tat und trieb, nur Vorarbeit für seine literarische Tätigkeit,<lb/> der alle diese Spezialstudien zugute kommen mußten. Deshalb gibt es in seinen<lb/> Schriften aber auch nirgends eine Stelle, wo der Fachmann beim Lesen überlegen<lb/> lächeln darf. Ihm selbst freilich mag der Genuß der Lektüre andrer Autoren<lb/> eben wegen seiner mannigfachen Spezialkenntnisse oft genug getrübt worden sein.<lb/> Fand er gar einmal in einem „Grenzboten"-Artikel einen Schnitzer — und seinem<lb/> scharfen Auge entging so leicht nichts! —, so machte er seinem Ärger gewöhnlich<lb/> Luft auf einer Postkarte, die sich weder die Redaktion noch der betreffende Mit¬<lb/> arbeiter hinter den Spiegel steckte.</p><lb/> <p xml:id="ID_392" next="#ID_393"> In weiteren Kreisen ist der Name Fritz Anders, wie gesagt, erst durch die<lb/> jetzt in drei Bänden gesammelt vorliegenden „Skizzen aus dem deutschen Volks¬<lb/> leben" (Leipzig, Fr, W. Grunow) bekannt geworden, deren flüssiger Stil und<lb/> humoristische Grundstimmung so manchen Leser über die bitterernste Tendenz dieser<lb/> kleinen Arbeiten getäuscht haben. Es sind Bilder, denen man anmerkt, daß sie<lb/> nach dem Leben entworfen sind, und daß ein paar hundert Zeitgenossen dazu<lb/> Modell gestanden haben. Das Abderitentum deutscher Kleinstädter wird hier<lb/> amüsant geschildert, und man glaubt in all den Vertretern des Bureaukratismus,<lb/> der Schulmeistern und des Dilettantentums persönliche Bekannte wiederzuerkennen.<lb/> Daß in den Skizzen ein gut Stück Kulturgeschichte steckt, und daß jemand, der nach</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0089]
Fritz Anders
gemeinheit preisgegeben, ohne sie zu seinem eigenen Nutzen auszubeuten. Eine
seiner literarischen Arbeiten auf diesem Gebiete, die „Theorie und Praxis des
Orgelbaus", eine völlige Neubearbeitung des Töpferschen Lehrbuches, wird als
ein klassisches Werk geschätzt. Auch der Photographie, besonders der Amateur¬
photographie, hat er neue Wege gewiesen.
Allihns Vielseitigkeit machte sich schon gleich zu Anfang seiner literarischen
Tätigkeit bemerkbar. Diese begann etwa 1871 mit „Dürerstudien". Dürer war
damals „aktuell"; das erstarkte Nationalgefühl hatte das Verständnis für den
größten deutschen Künstler der Vergangenheit geweckt. Im folgenden Jahre
debütierte Allihn mit einem Aufsatz über Dürers Befestigungskunst in den „Grenz¬
boten", zu deren treuesten Mitarbeitern er vier Jahrzehnte lang gehörte. Man
kann sich kaum vorstellen, daß die Beiträge, die er lieferte, alle aus derselben
Feder stammen. Schon 1873 schrieb er einen Artikel „Sozialdemokratisches"; aus
demselben Jahre stammt der Aufsatz „Malertechnik". Im Jahre 1881 beginnt die
lange Folge der „Skizzen", die seinen Schriftstellernamen „Fritz Anders" eigentlich
erst bekannt gemacht haben, zugleich veröffentlichte er in den grünen Heften aber
auch Beiträge über meteorologische Fragen, über Lutherfestspiele, über die Fort¬
schritte der Photographie, Plaudereien über „Thüringer Manövertage", Be¬
trachtungen über die Themen „Die Evangelische Kirche und der Staat", „Schäden
der Kirche", „Evangelischer Bund" und „Spiritismus". Im Jahre 1888 schrieb
er u. a. über „Vogelschutzgesetze", über „ein neues Metall" und über „Gedanken¬
übertragung".
Bei der Fülle von verschiedenartigen Interessen, die Allihn beschäftigten, konnte
von einer Zersplitterung seiner eigenartigen Begabung und seiner Leistungen doch
nicht die Rede sein. Er gehörte zu den beneidenswerten Menschen, die nie den
Überblick über das Ganze verlieren, und denen sich das Weltbild aus lauter liebevoll
erfaßten Einzelheiten ziemlich vollständig zusammensetzt. Und in: Grunde genommen
war doch alles, was er tat und trieb, nur Vorarbeit für seine literarische Tätigkeit,
der alle diese Spezialstudien zugute kommen mußten. Deshalb gibt es in seinen
Schriften aber auch nirgends eine Stelle, wo der Fachmann beim Lesen überlegen
lächeln darf. Ihm selbst freilich mag der Genuß der Lektüre andrer Autoren
eben wegen seiner mannigfachen Spezialkenntnisse oft genug getrübt worden sein.
Fand er gar einmal in einem „Grenzboten"-Artikel einen Schnitzer — und seinem
scharfen Auge entging so leicht nichts! —, so machte er seinem Ärger gewöhnlich
Luft auf einer Postkarte, die sich weder die Redaktion noch der betreffende Mit¬
arbeiter hinter den Spiegel steckte.
In weiteren Kreisen ist der Name Fritz Anders, wie gesagt, erst durch die
jetzt in drei Bänden gesammelt vorliegenden „Skizzen aus dem deutschen Volks¬
leben" (Leipzig, Fr, W. Grunow) bekannt geworden, deren flüssiger Stil und
humoristische Grundstimmung so manchen Leser über die bitterernste Tendenz dieser
kleinen Arbeiten getäuscht haben. Es sind Bilder, denen man anmerkt, daß sie
nach dem Leben entworfen sind, und daß ein paar hundert Zeitgenossen dazu
Modell gestanden haben. Das Abderitentum deutscher Kleinstädter wird hier
amüsant geschildert, und man glaubt in all den Vertretern des Bureaukratismus,
der Schulmeistern und des Dilettantentums persönliche Bekannte wiederzuerkennen.
Daß in den Skizzen ein gut Stück Kulturgeschichte steckt, und daß jemand, der nach
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