Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Zweites Vierteljahr.Re'ichssxieizcl geringfügig "ut minderwertig, letzteres zum Teil auch deshalb, weil die Grenzboten II 1911 81
Re'ichssxieizcl geringfügig »ut minderwertig, letzteres zum Teil auch deshalb, weil die Grenzboten II 1911 81
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0653" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/318936"/> <fw type="header" place="top"> Re'ichssxieizcl</fw><lb/> <p xml:id="ID_4959" prev="#ID_4958" next="#ID_4960"> geringfügig »ut minderwertig, letzteres zum Teil auch deshalb, weil die<lb/> Regierung der Pfuscherarbeit, die auf das Auge des Wählers berechnet ist,<lb/> nicht den gehörigen Widerstand entgegensetzt. Nun werden sich die Abgeordneten<lb/> das Mitregieren nicht so leicht abgewöhnen; wenn sich aber einmal eine Regierung<lb/> fände, die konsequent jedes Abgeordnetenhaus, das sich weigert, die von ihm<lb/> geforderte gesetzgeberische Arbeit zu leisten, nach Hause schickt, dann würde sich<lb/> das Hans wohl schließlich ans seinen Beruf besinnen. Österreich braucht eine<lb/> starke Regierung, und das Verhältnis von Regierung und Parlament kann<lb/> sich hier nicht nach dem Vorbilde parlamentarisch regierter Staaten regeln,<lb/> sondern etwa nach dem zwischen Neichsregierung und Reichstag in Deutschland;<lb/> schon die Kollegialverfassnng des Ministeriums in Österreich ist ein Übelstand.<lb/> Beiläufig bemerkt, hat sich die Macht des Ministerpräsidenten auf die einzelnen<lb/> Ressorts in den letzten zehn Jahren beständig gesteigert. Man könnte einwenden,<lb/> in dem Kampfe zwischen Ministerium lind Parlament läge die größere Macht<lb/> doch bei letzterem, weil es imstande sei, den Staat auszuhungern, gerade<lb/> jetzt brauche er z. B. Geld für die Durchführung der Heeresreform und daher<lb/> neue Steuern. Aber der Finanzminister hat schon ein ganz gutes Mittel<lb/> gefunden, um ganz verfassungsmäßig und ohne das Parlament zu befragen,<lb/> seine Kassen zu füllen. Er erhöht die Preise für Tabak und Zigarren,<lb/> die billigen Zigaretten um einen Heller fürs Stück, die teuren um zwei, die<lb/> Zigarren um zwei usw.; die sozialdemokratische Arbeiterzeitung hat bereits<lb/> zusammengerechnet, daß dieser „Raubzug auf die Taschen der Steuerzahler"<lb/> dem Staate das nette Sümmchen von 70 Millionen Kronen eintrage. Das<lb/> mag sein; immerhin ist das Verfahren durchaus verfassungsmäßig, denn ich<lb/> kann mir nicht vorstellen, daß in irgendeinem Parlament der Welt Preis, Länge<lb/> lind Qualität der Zigarren durch Gesetz festgelegt würde. Ähnlich liegt die<lb/> Sache aber much beim Betriebe der Post, auf die der Staat heilte draufzahlt,<lb/> und noch in weit höherem Maße bei den Staatseisenbahnen, die infolge ihres<lb/> unkaufmännischen Betriebes am Staate zehren, statt ihm Einnahmen zuzuführen.<lb/> Welch ein Segen, wenn die Geldnot und die Unmöglichkeit, vom Parlament<lb/> Anleihen bewilligt zu erhalten, eine österreichische Regierung zwängen, hier<lb/> endlich einmal reformierend einzugreifen! Die Bevölkerung hätte dann wahrlich<lb/> keine Ursache, dem Parlamente, das sich zu arbeiten weigert, gram zu sein. Die<lb/> Möglichkeiten, sich Geld zu verschaffen, sind aber dadurch für die Regierung<lb/> noch nicht erschöpft; sie kann auch einmal das Budget aus alle jene Posten<lb/> durchgehen, die lediglich der Befriedigung parlamentarischer Bedürfnisse<lb/> dienen oder bei einer kritischen Abstimmung in irgendeiner Regierungsnot gedient<lb/> haben. Millionen und Millionen sind auf diese Weise zu ersparen. Und wenn<lb/> die Regierung in solcher Zwangslage wäre, dann würde auch die Arbeit der<lb/> Kommission, die zur Reform der Verwaltung berufen worden ist. gar<lb/> flugs vonstatteu gehen. Sie ist ein Seitenstück zu der preußischen Immediat-<lb/> kommission, und ihre Zusammensetzung läßt fruchtbringende Arbeit erhoffen. Aber</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten II 1911 81</fw><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0653]
Re'ichssxieizcl
geringfügig »ut minderwertig, letzteres zum Teil auch deshalb, weil die
Regierung der Pfuscherarbeit, die auf das Auge des Wählers berechnet ist,
nicht den gehörigen Widerstand entgegensetzt. Nun werden sich die Abgeordneten
das Mitregieren nicht so leicht abgewöhnen; wenn sich aber einmal eine Regierung
fände, die konsequent jedes Abgeordnetenhaus, das sich weigert, die von ihm
geforderte gesetzgeberische Arbeit zu leisten, nach Hause schickt, dann würde sich
das Hans wohl schließlich ans seinen Beruf besinnen. Österreich braucht eine
starke Regierung, und das Verhältnis von Regierung und Parlament kann
sich hier nicht nach dem Vorbilde parlamentarisch regierter Staaten regeln,
sondern etwa nach dem zwischen Neichsregierung und Reichstag in Deutschland;
schon die Kollegialverfassnng des Ministeriums in Österreich ist ein Übelstand.
Beiläufig bemerkt, hat sich die Macht des Ministerpräsidenten auf die einzelnen
Ressorts in den letzten zehn Jahren beständig gesteigert. Man könnte einwenden,
in dem Kampfe zwischen Ministerium lind Parlament läge die größere Macht
doch bei letzterem, weil es imstande sei, den Staat auszuhungern, gerade
jetzt brauche er z. B. Geld für die Durchführung der Heeresreform und daher
neue Steuern. Aber der Finanzminister hat schon ein ganz gutes Mittel
gefunden, um ganz verfassungsmäßig und ohne das Parlament zu befragen,
seine Kassen zu füllen. Er erhöht die Preise für Tabak und Zigarren,
die billigen Zigaretten um einen Heller fürs Stück, die teuren um zwei, die
Zigarren um zwei usw.; die sozialdemokratische Arbeiterzeitung hat bereits
zusammengerechnet, daß dieser „Raubzug auf die Taschen der Steuerzahler"
dem Staate das nette Sümmchen von 70 Millionen Kronen eintrage. Das
mag sein; immerhin ist das Verfahren durchaus verfassungsmäßig, denn ich
kann mir nicht vorstellen, daß in irgendeinem Parlament der Welt Preis, Länge
lind Qualität der Zigarren durch Gesetz festgelegt würde. Ähnlich liegt die
Sache aber much beim Betriebe der Post, auf die der Staat heilte draufzahlt,
und noch in weit höherem Maße bei den Staatseisenbahnen, die infolge ihres
unkaufmännischen Betriebes am Staate zehren, statt ihm Einnahmen zuzuführen.
Welch ein Segen, wenn die Geldnot und die Unmöglichkeit, vom Parlament
Anleihen bewilligt zu erhalten, eine österreichische Regierung zwängen, hier
endlich einmal reformierend einzugreifen! Die Bevölkerung hätte dann wahrlich
keine Ursache, dem Parlamente, das sich zu arbeiten weigert, gram zu sein. Die
Möglichkeiten, sich Geld zu verschaffen, sind aber dadurch für die Regierung
noch nicht erschöpft; sie kann auch einmal das Budget aus alle jene Posten
durchgehen, die lediglich der Befriedigung parlamentarischer Bedürfnisse
dienen oder bei einer kritischen Abstimmung in irgendeiner Regierungsnot gedient
haben. Millionen und Millionen sind auf diese Weise zu ersparen. Und wenn
die Regierung in solcher Zwangslage wäre, dann würde auch die Arbeit der
Kommission, die zur Reform der Verwaltung berufen worden ist. gar
flugs vonstatteu gehen. Sie ist ein Seitenstück zu der preußischen Immediat-
kommission, und ihre Zusammensetzung läßt fruchtbringende Arbeit erhoffen. Aber
Grenzboten II 1911 81
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