Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Zweites Vierteljahr.Lin deutsches Auswauderungsmut Heiden. Er bezeichnete sich sogar selbst so. Am .11. Januar 1808 schreibt er Diese Worte lehren nebenbei, wie tolerant Goethe doch auch war. Die Auffassung von Goethes heidnischer Gesinnung d. h. seiner mehr Lin deutsches Auswanderungsamt Von Rudolf Lri et emanu >I Lin deutsches Auswauderungsmut Heiden. Er bezeichnete sich sogar selbst so. Am .11. Januar 1808 schreibt er Diese Worte lehren nebenbei, wie tolerant Goethe doch auch war. Die Auffassung von Goethes heidnischer Gesinnung d. h. seiner mehr Lin deutsches Auswanderungsamt Von Rudolf Lri et emanu >I <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0619" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/318902"/> <fw type="header" place="top"> Lin deutsches Auswauderungsmut</fw><lb/> <p xml:id="ID_4194"> Heiden. Er bezeichnete sich sogar selbst so. Am .11. Januar 1808 schreibt er<lb/> an Fritz Jacobi: „Ich habe mich in allerlei Arbeiten versenkt, viel mit gegen¬<lb/> wärtigen Freunden und durchreisenden Fremden gelebt. Besonders hat Werner,<lb/> der Sohn des Tals — Zacharias Werners erstes Drama führt den Titel<lb/> „Die Söhne des Tals" — den Du ja auch kennst, uns durch sein Wesen<lb/> sowie durch seine Werke unterhalten und aufgeregt. Es kommt nur, einem<lb/> alten Heiden, ganz wunderlich vor, das Kreuz auf meinem eigenen Grund und<lb/> Boden aufgepflanzt zu sehen und Christi Blut und Wunden poetisch predigen<lb/> zu hören, ohne daß es mir gerade zuwider ist. Wir sind dieses doch dem<lb/> höheren Standpunkt schuldig, auf den uns die Philosophie gehoben hat. Wir<lb/> haben das Ideelle schätzen gelernt, es mag sich auch in den wunderlichsten<lb/> Formen darstellen."</p><lb/> <p xml:id="ID_4195"> Diese Worte lehren nebenbei, wie tolerant Goethe doch auch war.</p><lb/> <p xml:id="ID_4196"> Die Auffassung von Goethes heidnischer Gesinnung d. h. seiner mehr<lb/> antiken als christlichen Lebensanschauung, wurde durch ein Werk wie die<lb/> „Wahlverwandtschaften", das in dieser Zeit erschien, verstärkt. Hier hatte der<lb/> Dichter das Problem der Ehe zum Mittelpunkt gemacht und in seine tiefsten<lb/> Tiefen hineingeleuchtet. Den sittlichen Wert der Institution brachte er mit<lb/> Nachdruck zur Geltung. Gleichzeitig aber druckte er die Liebesregungen, deren<lb/> Betätigung der Ehekodex verbietet, mit seiner ganzen dichterischen Gewalt und<lb/> Fülle aus. Hingerissen von dieser künstlerischen Kraft beachteten die Zeitgenossen,<lb/> verblendet wie immer, nur diese Seite, während sie den moralischen Konflikt,<lb/> ans dem die Tragik floß, übersahen. So wurde Goethes Intention mi߬<lb/> verstanden und aus dem Roman die Verherrlichung einer laxen, unchristlichen<lb/> Moral herausgelesen. Begünstigt wurde der Irrtum dadurch, daß der Autor<lb/> früher in anderen Dichtungen die natürlichen Empfindungen mit antiker Un¬<lb/> befangenheit dargestellt hatte. In den „Römischen Elegien" war der Sinnen¬<lb/> genuß mit dem vollen Glanz seiner Poesie verklärt. In „Wilhelm Meisters<lb/> Lehrjahren" hatte er sich über die Schranken, die der christliche Glaube dem<lb/> physischen Ausleben zieht, kühn hinweggesetzt. (Schluß folgt.)</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Lin deutsches Auswanderungsamt<lb/><note type="byline"> Von Rudolf Lri et emanu</note></head><lb/> <p xml:id="ID_4197" next="#ID_4198"> >I<lb/> > it großer Genugtuung ist allgemein die Tatsache aufgenommen<lb/> worden, daß nun endlich der Gesetzentwurf zur Reform des<lb/> Gesetzes über Erwerb und Verlust der Staatsangehörigkeit fertig¬<lb/> gestellt ist. Schon 1901 sollte er, so sagte Graf Posadowsky<lb/> damals, fertig sein; so ist es immerhin erfreulich, daß er über¬<lb/> haupt eine Gestalt erhalten hat, die wenigstens den Bundesrat befriedigt. Das</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0619]
Lin deutsches Auswauderungsmut
Heiden. Er bezeichnete sich sogar selbst so. Am .11. Januar 1808 schreibt er
an Fritz Jacobi: „Ich habe mich in allerlei Arbeiten versenkt, viel mit gegen¬
wärtigen Freunden und durchreisenden Fremden gelebt. Besonders hat Werner,
der Sohn des Tals — Zacharias Werners erstes Drama führt den Titel
„Die Söhne des Tals" — den Du ja auch kennst, uns durch sein Wesen
sowie durch seine Werke unterhalten und aufgeregt. Es kommt nur, einem
alten Heiden, ganz wunderlich vor, das Kreuz auf meinem eigenen Grund und
Boden aufgepflanzt zu sehen und Christi Blut und Wunden poetisch predigen
zu hören, ohne daß es mir gerade zuwider ist. Wir sind dieses doch dem
höheren Standpunkt schuldig, auf den uns die Philosophie gehoben hat. Wir
haben das Ideelle schätzen gelernt, es mag sich auch in den wunderlichsten
Formen darstellen."
Diese Worte lehren nebenbei, wie tolerant Goethe doch auch war.
Die Auffassung von Goethes heidnischer Gesinnung d. h. seiner mehr
antiken als christlichen Lebensanschauung, wurde durch ein Werk wie die
„Wahlverwandtschaften", das in dieser Zeit erschien, verstärkt. Hier hatte der
Dichter das Problem der Ehe zum Mittelpunkt gemacht und in seine tiefsten
Tiefen hineingeleuchtet. Den sittlichen Wert der Institution brachte er mit
Nachdruck zur Geltung. Gleichzeitig aber druckte er die Liebesregungen, deren
Betätigung der Ehekodex verbietet, mit seiner ganzen dichterischen Gewalt und
Fülle aus. Hingerissen von dieser künstlerischen Kraft beachteten die Zeitgenossen,
verblendet wie immer, nur diese Seite, während sie den moralischen Konflikt,
ans dem die Tragik floß, übersahen. So wurde Goethes Intention mi߬
verstanden und aus dem Roman die Verherrlichung einer laxen, unchristlichen
Moral herausgelesen. Begünstigt wurde der Irrtum dadurch, daß der Autor
früher in anderen Dichtungen die natürlichen Empfindungen mit antiker Un¬
befangenheit dargestellt hatte. In den „Römischen Elegien" war der Sinnen¬
genuß mit dem vollen Glanz seiner Poesie verklärt. In „Wilhelm Meisters
Lehrjahren" hatte er sich über die Schranken, die der christliche Glaube dem
physischen Ausleben zieht, kühn hinweggesetzt. (Schluß folgt.)
Lin deutsches Auswanderungsamt
Von Rudolf Lri et emanu
>I
> it großer Genugtuung ist allgemein die Tatsache aufgenommen
worden, daß nun endlich der Gesetzentwurf zur Reform des
Gesetzes über Erwerb und Verlust der Staatsangehörigkeit fertig¬
gestellt ist. Schon 1901 sollte er, so sagte Graf Posadowsky
damals, fertig sein; so ist es immerhin erfreulich, daß er über¬
haupt eine Gestalt erhalten hat, die wenigstens den Bundesrat befriedigt. Das
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