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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Zweites Vierteljahr.

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Till Lulenspiegel

Nun, wenn Jhr's sagt -- ich wollt so weit nicht gehen,


Lobwasser:

Gewiß nicht, nein. -- Nun wißt Ihr auch vielleicht,
Daß mein Verdienst -- gewiß, ich kann es sagen --
Es war, daß unsrer Stadt das Krankenhaus
Der Landgraf schenkte. Und man muß ihm lassen,
Er tat schon allerhand; gab Mittel her
Und tut es heute noch. -- Was kann die Wissenschaft
Von solcher Sammlung typisch schöner Fälle
Nicht alles profitieren! Welch Gelegenheit
Und Material für Studien und Erkenntnis!

: Die Kranken sollten sich's zur Ehre rechnen.


Eulenspiegel

Wie sagtet Ihr?


Lob Wasser:
Eulenspiegel:

Ich sag, es ist Vergnügen,

Hier krank zu sein zu Nutz der Wissenschaft.

Dazu die schönen weichen Daunenbetten,

Ein prächtig Logament und gute Kost,

Die Messer auch und Sägen, Pflasterkasten,

Die Sonden, Apparate und Mixturen --


Lob Wasser:

Ach so, Ihr meint die Inventarisierung --

Gewiß, ist musterhaft! 's ist eine Lust

Da krank zu sein; gewiß, da habt Ihr recht.
'


Eulenspiegel:

s ist eine Lust und eine Seligkeit! -- Doch nun?


Lobwasser:

Jetzt will der Landgraf die Subsidien sperren,
'

Die Hofschatulle trägts nicht.


Eulenspiegel:

Die Schatulle!

Und wegen der fünf Bretter soll'n die Ärmsten
'

Der Messer, Sägen, Schern verlustig gehen!?


Lobwasser:

So ist's, so ist's! -- Ich seh, Ihr habt Verständnis.


Eulenspiegel:

Horribel ist's! Ein rechter Laienstandpunkt!


Lobwasser:

Und ungerecht! Wie ungerecht dabei!

Mir schiebt er's zu, daß allzu viele Kranke

Sind im Spital, und schilt es überfüllt!


Eulenspiegel:

Habt Ihr sie doch aus Eifer nur gesammelt,

Um viele Fall' der gleichen Art zu haben

Zum Studium.


Lobwasser:

Sehr wahr!


Eulenspiegel:

Doch habt dabei

An Heilung und Entlassung nicht gedacht?


Lob Wasser:

Je nun, da helfe wer.

Wär auch ein Jammer


Eulenspiegel:

Der Wissenschaft das Material zu rauben. --

O ich verstehe Eure Kümmernis.


LobWasser:

Was ist da nur zu tun!? Der Landgraf zürnt

Und ist höchst ungehalten.


Eulenspiegel:

Ist er das?


Lobwasser:

Höchst ungehalten, ja! In Hellem Zorn

Würd ich entlassen und von mir gefordert,
'

Den Mißstand abzuflelln.


Eulenspiegel:

Das war im Zorn.


Till Lulenspiegel

Nun, wenn Jhr's sagt — ich wollt so weit nicht gehen,


Lobwasser:

Gewiß nicht, nein. — Nun wißt Ihr auch vielleicht,
Daß mein Verdienst — gewiß, ich kann es sagen —
Es war, daß unsrer Stadt das Krankenhaus
Der Landgraf schenkte. Und man muß ihm lassen,
Er tat schon allerhand; gab Mittel her
Und tut es heute noch. — Was kann die Wissenschaft
Von solcher Sammlung typisch schöner Fälle
Nicht alles profitieren! Welch Gelegenheit
Und Material für Studien und Erkenntnis!

: Die Kranken sollten sich's zur Ehre rechnen.


Eulenspiegel

Wie sagtet Ihr?


Lob Wasser:
Eulenspiegel:

Ich sag, es ist Vergnügen,

Hier krank zu sein zu Nutz der Wissenschaft.

Dazu die schönen weichen Daunenbetten,

Ein prächtig Logament und gute Kost,

Die Messer auch und Sägen, Pflasterkasten,

Die Sonden, Apparate und Mixturen —


Lob Wasser:

Ach so, Ihr meint die Inventarisierung —

Gewiß, ist musterhaft! 's ist eine Lust

Da krank zu sein; gewiß, da habt Ihr recht.
'


Eulenspiegel:

s ist eine Lust und eine Seligkeit! — Doch nun?


Lobwasser:

Jetzt will der Landgraf die Subsidien sperren,
'

Die Hofschatulle trägts nicht.


Eulenspiegel:

Die Schatulle!

Und wegen der fünf Bretter soll'n die Ärmsten
'

Der Messer, Sägen, Schern verlustig gehen!?


Lobwasser:

So ist's, so ist's! — Ich seh, Ihr habt Verständnis.


Eulenspiegel:

Horribel ist's! Ein rechter Laienstandpunkt!


Lobwasser:

Und ungerecht! Wie ungerecht dabei!

Mir schiebt er's zu, daß allzu viele Kranke

Sind im Spital, und schilt es überfüllt!


Eulenspiegel:

Habt Ihr sie doch aus Eifer nur gesammelt,

Um viele Fall' der gleichen Art zu haben

Zum Studium.


Lobwasser:

Sehr wahr!


Eulenspiegel:

Doch habt dabei

An Heilung und Entlassung nicht gedacht?


Lob Wasser:

Je nun, da helfe wer.

Wär auch ein Jammer


Eulenspiegel:

Der Wissenschaft das Material zu rauben. —

O ich verstehe Eure Kümmernis.


LobWasser:

Was ist da nur zu tun!? Der Landgraf zürnt

Und ist höchst ungehalten.


Eulenspiegel:

Ist er das?


Lobwasser:

Höchst ungehalten, ja! In Hellem Zorn

Würd ich entlassen und von mir gefordert,
'

Den Mißstand abzuflelln.


Eulenspiegel:

Das war im Zorn.


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[0577] Till Lulenspiegel Nun, wenn Jhr's sagt — ich wollt so weit nicht gehen, Lobwasser: Gewiß nicht, nein. — Nun wißt Ihr auch vielleicht, Daß mein Verdienst — gewiß, ich kann es sagen — Es war, daß unsrer Stadt das Krankenhaus Der Landgraf schenkte. Und man muß ihm lassen, Er tat schon allerhand; gab Mittel her Und tut es heute noch. — Was kann die Wissenschaft Von solcher Sammlung typisch schöner Fälle Nicht alles profitieren! Welch Gelegenheit Und Material für Studien und Erkenntnis! : Die Kranken sollten sich's zur Ehre rechnen. Eulenspiegel Wie sagtet Ihr? Lob Wasser: Eulenspiegel: Ich sag, es ist Vergnügen, Hier krank zu sein zu Nutz der Wissenschaft. Dazu die schönen weichen Daunenbetten, Ein prächtig Logament und gute Kost, Die Messer auch und Sägen, Pflasterkasten, Die Sonden, Apparate und Mixturen — Lob Wasser: Ach so, Ihr meint die Inventarisierung — Gewiß, ist musterhaft! 's ist eine Lust Da krank zu sein; gewiß, da habt Ihr recht. ' Eulenspiegel: s ist eine Lust und eine Seligkeit! — Doch nun? Lobwasser: Jetzt will der Landgraf die Subsidien sperren, ' Die Hofschatulle trägts nicht. Eulenspiegel: Die Schatulle! Und wegen der fünf Bretter soll'n die Ärmsten ' Der Messer, Sägen, Schern verlustig gehen!? Lobwasser: So ist's, so ist's! — Ich seh, Ihr habt Verständnis. Eulenspiegel: Horribel ist's! Ein rechter Laienstandpunkt! Lobwasser: Und ungerecht! Wie ungerecht dabei! Mir schiebt er's zu, daß allzu viele Kranke Sind im Spital, und schilt es überfüllt! Eulenspiegel: Habt Ihr sie doch aus Eifer nur gesammelt, Um viele Fall' der gleichen Art zu haben Zum Studium. Lobwasser: Sehr wahr! Eulenspiegel: Doch habt dabei An Heilung und Entlassung nicht gedacht? Lob Wasser: Je nun, da helfe wer. Wär auch ein Jammer Eulenspiegel: Der Wissenschaft das Material zu rauben. — O ich verstehe Eure Kümmernis. LobWasser: Was ist da nur zu tun!? Der Landgraf zürnt Und ist höchst ungehalten. Eulenspiegel: Ist er das? Lobwasser: Höchst ungehalten, ja! In Hellem Zorn Würd ich entlassen und von mir gefordert, ' Den Mißstand abzuflelln. Eulenspiegel: Das war im Zorn.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_318282/577>, abgerufen am 22.07.2024.