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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Zweites Vierteljahr.

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Pseudokonservativisinus in der Schule

Warum fragt im Parlament keine Seele den Minister, ob in den Schulen
auch alles getan werde, was zur Erhaltung unserer Rassenkraft nötig ist? Warum
hat keiner der inaktiven Offiziere im Parlament, denen die Gefolgschaftstreue die
Sorge um das Königtum vor allem zur Pflicht macht, diese Frage ausgesprochen?
Viel Treue schlummert nahe am Feinde, wo sie wachen sollte.

In der bayerischen Ersten Kammer wurde die Befürchtung ausgesprochen,
daß der klassische Lehrstoff immer mehr zurückgedrängt werde. Der Minister
bezeichnete diese Sorge als unbegründet. Sie war in einem Herzen wach
geworden, das treu am Königshause und am Vaterlande hängt. Aber auch
diese wache Treue erkannte die wirkliche Gefahr nicht.

Von den bayerischen Wehrpflichtigen, die zum einjährig-freiwilligen Dienst
berechtigt sind, gehen 39,3 Prozent dem Heere verloren. Von den bayerischen
Gymnasiasten sind 43 Prozent untauglich. Von 2914 geht 1252 die Ehre der
Waffen verloren. Vielen von ihnen geht damit noch mehr verloren -- die Kraft
germanischen Empfindens. Und dadurch wird der Rückgang der Wehrfähigkeit
unserer Mittelschüler zu einer Gefahr für unsere Staatsform: Wer einen:
Germanen die Waffe nimmt, zerreißt das stärkste Band, das ihn mit dem
König verbindet.

Das Königtum ist wurzelechtes Germanentum, es wird durch Gefühlskräfte
genährt, die für den Germanen charakteristisch sind, durch die Liebe, die voni
engsten Geschlechtskreise und von der Familienscholle aus die Sippe, den Stamm,
das Volk, den Gau, das Land, das Reich erfaßt, die den Germanen zu dem
Geschlecht, dessen Wurzeln an: tiefsten in die Vergangenheit reichen, dessen Ahnen
schon seinen Ahnen als Helfer und Führer lieb geworden waren, wie zum
älteren Bruder aufsehen und ihn das Dasein dieses Geschlechts wie das wärmende,
bergende Dach einer älteren Generation über seinem Leben empfinden macht.
Diese Liebe wird durch eine Summe kriegerischer Empfindungen verstärkt. Wo
die Urforni des germanischen Staats monarchisch war, da gewann das Königtum
aus der Treue, die die Gefolgschaft mit dem Führer im Felde verband, seine
größte Kraft. Und allmählich wurde das Königtum auch der Erbe des reichen
Treuehortes, der dem Herzogtum und der Gefolgschaft in republikanischen
Staaten erwachsen war.

Die Liebe zum Vordersten in: Kampfe und in der Arbeit des Friedens,
MM Fürsten, ist die Hauptstütze der Monarchie. Sie setzt Rasseninstiukte und
darum Rassenkraft voraus.

Schulen, die der besten deutschen Tugend, der Gefolgschaftstreue, die Nahrung
entziehen, indem sie die Rassenkraft ohne Pflege verkümmern lassen, machen die
stärkste Stütze des Königtums wanken. Denn mit vielen der jungen Männer,
die die Schule für den Heeresdienst untauglich werden läßt oder untauglich
macht, geht eine lebendige Säule, eine Schulter unter dein Schilde verloren,
der den König trägt.




Gronzboten II 191170
Pseudokonservativisinus in der Schule

Warum fragt im Parlament keine Seele den Minister, ob in den Schulen
auch alles getan werde, was zur Erhaltung unserer Rassenkraft nötig ist? Warum
hat keiner der inaktiven Offiziere im Parlament, denen die Gefolgschaftstreue die
Sorge um das Königtum vor allem zur Pflicht macht, diese Frage ausgesprochen?
Viel Treue schlummert nahe am Feinde, wo sie wachen sollte.

In der bayerischen Ersten Kammer wurde die Befürchtung ausgesprochen,
daß der klassische Lehrstoff immer mehr zurückgedrängt werde. Der Minister
bezeichnete diese Sorge als unbegründet. Sie war in einem Herzen wach
geworden, das treu am Königshause und am Vaterlande hängt. Aber auch
diese wache Treue erkannte die wirkliche Gefahr nicht.

Von den bayerischen Wehrpflichtigen, die zum einjährig-freiwilligen Dienst
berechtigt sind, gehen 39,3 Prozent dem Heere verloren. Von den bayerischen
Gymnasiasten sind 43 Prozent untauglich. Von 2914 geht 1252 die Ehre der
Waffen verloren. Vielen von ihnen geht damit noch mehr verloren — die Kraft
germanischen Empfindens. Und dadurch wird der Rückgang der Wehrfähigkeit
unserer Mittelschüler zu einer Gefahr für unsere Staatsform: Wer einen:
Germanen die Waffe nimmt, zerreißt das stärkste Band, das ihn mit dem
König verbindet.

Das Königtum ist wurzelechtes Germanentum, es wird durch Gefühlskräfte
genährt, die für den Germanen charakteristisch sind, durch die Liebe, die voni
engsten Geschlechtskreise und von der Familienscholle aus die Sippe, den Stamm,
das Volk, den Gau, das Land, das Reich erfaßt, die den Germanen zu dem
Geschlecht, dessen Wurzeln an: tiefsten in die Vergangenheit reichen, dessen Ahnen
schon seinen Ahnen als Helfer und Führer lieb geworden waren, wie zum
älteren Bruder aufsehen und ihn das Dasein dieses Geschlechts wie das wärmende,
bergende Dach einer älteren Generation über seinem Leben empfinden macht.
Diese Liebe wird durch eine Summe kriegerischer Empfindungen verstärkt. Wo
die Urforni des germanischen Staats monarchisch war, da gewann das Königtum
aus der Treue, die die Gefolgschaft mit dem Führer im Felde verband, seine
größte Kraft. Und allmählich wurde das Königtum auch der Erbe des reichen
Treuehortes, der dem Herzogtum und der Gefolgschaft in republikanischen
Staaten erwachsen war.

Die Liebe zum Vordersten in: Kampfe und in der Arbeit des Friedens,
MM Fürsten, ist die Hauptstütze der Monarchie. Sie setzt Rasseninstiukte und
darum Rassenkraft voraus.

Schulen, die der besten deutschen Tugend, der Gefolgschaftstreue, die Nahrung
entziehen, indem sie die Rassenkraft ohne Pflege verkümmern lassen, machen die
stärkste Stütze des Königtums wanken. Denn mit vielen der jungen Männer,
die die Schule für den Heeresdienst untauglich werden läßt oder untauglich
macht, geht eine lebendige Säule, eine Schulter unter dein Schilde verloren,
der den König trägt.




Gronzboten II 191170
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[0565] Pseudokonservativisinus in der Schule Warum fragt im Parlament keine Seele den Minister, ob in den Schulen auch alles getan werde, was zur Erhaltung unserer Rassenkraft nötig ist? Warum hat keiner der inaktiven Offiziere im Parlament, denen die Gefolgschaftstreue die Sorge um das Königtum vor allem zur Pflicht macht, diese Frage ausgesprochen? Viel Treue schlummert nahe am Feinde, wo sie wachen sollte. In der bayerischen Ersten Kammer wurde die Befürchtung ausgesprochen, daß der klassische Lehrstoff immer mehr zurückgedrängt werde. Der Minister bezeichnete diese Sorge als unbegründet. Sie war in einem Herzen wach geworden, das treu am Königshause und am Vaterlande hängt. Aber auch diese wache Treue erkannte die wirkliche Gefahr nicht. Von den bayerischen Wehrpflichtigen, die zum einjährig-freiwilligen Dienst berechtigt sind, gehen 39,3 Prozent dem Heere verloren. Von den bayerischen Gymnasiasten sind 43 Prozent untauglich. Von 2914 geht 1252 die Ehre der Waffen verloren. Vielen von ihnen geht damit noch mehr verloren — die Kraft germanischen Empfindens. Und dadurch wird der Rückgang der Wehrfähigkeit unserer Mittelschüler zu einer Gefahr für unsere Staatsform: Wer einen: Germanen die Waffe nimmt, zerreißt das stärkste Band, das ihn mit dem König verbindet. Das Königtum ist wurzelechtes Germanentum, es wird durch Gefühlskräfte genährt, die für den Germanen charakteristisch sind, durch die Liebe, die voni engsten Geschlechtskreise und von der Familienscholle aus die Sippe, den Stamm, das Volk, den Gau, das Land, das Reich erfaßt, die den Germanen zu dem Geschlecht, dessen Wurzeln an: tiefsten in die Vergangenheit reichen, dessen Ahnen schon seinen Ahnen als Helfer und Führer lieb geworden waren, wie zum älteren Bruder aufsehen und ihn das Dasein dieses Geschlechts wie das wärmende, bergende Dach einer älteren Generation über seinem Leben empfinden macht. Diese Liebe wird durch eine Summe kriegerischer Empfindungen verstärkt. Wo die Urforni des germanischen Staats monarchisch war, da gewann das Königtum aus der Treue, die die Gefolgschaft mit dem Führer im Felde verband, seine größte Kraft. Und allmählich wurde das Königtum auch der Erbe des reichen Treuehortes, der dem Herzogtum und der Gefolgschaft in republikanischen Staaten erwachsen war. Die Liebe zum Vordersten in: Kampfe und in der Arbeit des Friedens, MM Fürsten, ist die Hauptstütze der Monarchie. Sie setzt Rasseninstiukte und darum Rassenkraft voraus. Schulen, die der besten deutschen Tugend, der Gefolgschaftstreue, die Nahrung entziehen, indem sie die Rassenkraft ohne Pflege verkümmern lassen, machen die stärkste Stütze des Königtums wanken. Denn mit vielen der jungen Männer, die die Schule für den Heeresdienst untauglich werden läßt oder untauglich macht, geht eine lebendige Säule, eine Schulter unter dein Schilde verloren, der den König trägt. Gronzboten II 191170

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_318282/565>, abgerufen am 03.07.2024.