Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Zweites Vierteljahr.Die Aaiseridee passende Formel fassen, wenn man sich nur begnügt, den Begriff des Kaisertums Die allgemeine Kaiseridee ist also in erster Linie und an und für sich ein Vom Boden dieser Betrachtungsweise erweist sich der Kaiserbegriff als ein Der zunächst von einer weitsichtigen Aristokratie geführten Politik der Stadt¬ Die Aaiseridee passende Formel fassen, wenn man sich nur begnügt, den Begriff des Kaisertums Die allgemeine Kaiseridee ist also in erster Linie und an und für sich ein Vom Boden dieser Betrachtungsweise erweist sich der Kaiserbegriff als ein Der zunächst von einer weitsichtigen Aristokratie geführten Politik der Stadt¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0460" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/318743"/> <fw type="header" place="top"> Die Aaiseridee</fw><lb/> <p xml:id="ID_2007" prev="#ID_2006"> passende Formel fassen, wenn man sich nur begnügt, den Begriff des Kaisertums<lb/> sich von demjenigen Gebiete aus klar zu machen, welchem er in erster Linie<lb/> angehört, dem Gebiet der historisch-politischen Bildungen.</p><lb/> <p xml:id="ID_2008"> Die allgemeine Kaiseridee ist also in erster Linie und an und für sich ein<lb/> historisch-politischer Begriff. Es handelt sich anderseits dabei nicht um einen<lb/> Begriff, dessen Erscheinen jeweilig nur durch die nackte Willkür bedingt mare.<lb/> In allen Fällen wenigstens, wo der Gebrauch des Kaisertitels ernsthaft neu<lb/> auftaucht, geschieht solches mit einer gewissen Naturgewalt, vermöge einer in<lb/> den Dingen selbst liegenden Notwendigkeit. Die Kaiseridee nämlich, positiv<lb/> ausgedrückt, ist nichts anderes als der Gedanke des Großkönig- oder Gro߬<lb/> fürstentums, dessen Aufgabe es ist, für ein ganzes, sich als Einheit fühlendes<lb/> oder als Einheit zusammengefaßtes Kulturgebiet die Grenzwacht zu führen und<lb/> dadurch Existenz und Gedeihen dieses Knlturgebiets sicher zu stellen. Kraft innerer<lb/> Nötigung muß daher für gewisse Kulturgruppen in bestimmter Zeitlage die<lb/> Kaiseridee zum Vorschein kommen. Im übrigen kann freilich die rechtliche Um¬<lb/> schreibung der Stellung des fraglichen Großkönig- oder Großfürstentums in den<lb/> einzelnen konkreten Fällen nach Maßgabe der verschiedenen Kulturgruppen und<lb/> Zeitverhältnisse sehr divergieren. Insbesondere kann der Repräsentant der<lb/> Kaiseridee ebensogut Delegatar des souveränen Volkswillens, wie eigenberechtigter<lb/> Monarch im strengen staatsrechtlichen Sinne sein; er kann nicht minder Führer<lb/> eines zum absoluten Einheitsstaat gewordenen Kulturgebiets sein, wie nur der<lb/> erste in einer ganzen Reihe von Machthabern innerhalb des nämlichen Kulturgebiets.</p><lb/> <p xml:id="ID_2009"> Vom Boden dieser Betrachtungsweise erweist sich der Kaiserbegriff als ein<lb/> wahrhaft universalgeschichtlicher. Schon in vorchristlicher Zeit zeigt sich z. B. in<lb/> der Leitung von Großassyrien und Großpersien, in dem Herrscherinn: eines<lb/> Alexander des Großen der Sache nach die allgemeine Kaiseridee. Als eine die<lb/> Geschicke von Gesamteuropa auf fast zwei Jahrtausende beherrschende Erscheinung<lb/> ging dann aber seit der christlichen Zeitrechnung die Kaiseridee im Imperium<lb/> Komanum auf. Von seiner im Imperium Komanum sich vollziehenden Offen¬<lb/> barung empfing namentlich auch der universalhistorisch-politische Begriff, den<lb/> wir im Kaisertum als solchen finden dürfen, in den Sprachen der seither durch<lb/> die romanische Kultur beeinflußten Welt seine typischen Benennungen. Freilich<lb/> welche Fülle besonderer Nuancen im einzelnen weist dabei nicht auch der Kaiser¬<lb/> begriff auf!</p><lb/> <p xml:id="ID_2010" next="#ID_2011"> Der zunächst von einer weitsichtigen Aristokratie geführten Politik der Stadt¬<lb/> republik Rom war es gelungen, die Länder hellenistischer und romanischer<lb/> Kultur zu einem Weltstaat zusammenzuschweißen. Die Fülle der einzuheimsenden<lb/> Beute hatte indessen die Mißwirtschaft einer Senatsoligarchie hervorgerufen und<lb/> der zwischen dieser und dem demokratischen Element im ersten vorchristlichen<lb/> Jahrhundert zu anarchischer Form ausgeartete Kampf rief schließlich einen<lb/> Militärgewaltigen auf den Plan, der, gestützt auf ein Soldheer gewordener<lb/> Berufskrieger, den inneren Landfrieden im Schoße des römischen Weltstaats</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0460]
Die Aaiseridee
passende Formel fassen, wenn man sich nur begnügt, den Begriff des Kaisertums
sich von demjenigen Gebiete aus klar zu machen, welchem er in erster Linie
angehört, dem Gebiet der historisch-politischen Bildungen.
Die allgemeine Kaiseridee ist also in erster Linie und an und für sich ein
historisch-politischer Begriff. Es handelt sich anderseits dabei nicht um einen
Begriff, dessen Erscheinen jeweilig nur durch die nackte Willkür bedingt mare.
In allen Fällen wenigstens, wo der Gebrauch des Kaisertitels ernsthaft neu
auftaucht, geschieht solches mit einer gewissen Naturgewalt, vermöge einer in
den Dingen selbst liegenden Notwendigkeit. Die Kaiseridee nämlich, positiv
ausgedrückt, ist nichts anderes als der Gedanke des Großkönig- oder Gro߬
fürstentums, dessen Aufgabe es ist, für ein ganzes, sich als Einheit fühlendes
oder als Einheit zusammengefaßtes Kulturgebiet die Grenzwacht zu führen und
dadurch Existenz und Gedeihen dieses Knlturgebiets sicher zu stellen. Kraft innerer
Nötigung muß daher für gewisse Kulturgruppen in bestimmter Zeitlage die
Kaiseridee zum Vorschein kommen. Im übrigen kann freilich die rechtliche Um¬
schreibung der Stellung des fraglichen Großkönig- oder Großfürstentums in den
einzelnen konkreten Fällen nach Maßgabe der verschiedenen Kulturgruppen und
Zeitverhältnisse sehr divergieren. Insbesondere kann der Repräsentant der
Kaiseridee ebensogut Delegatar des souveränen Volkswillens, wie eigenberechtigter
Monarch im strengen staatsrechtlichen Sinne sein; er kann nicht minder Führer
eines zum absoluten Einheitsstaat gewordenen Kulturgebiets sein, wie nur der
erste in einer ganzen Reihe von Machthabern innerhalb des nämlichen Kulturgebiets.
Vom Boden dieser Betrachtungsweise erweist sich der Kaiserbegriff als ein
wahrhaft universalgeschichtlicher. Schon in vorchristlicher Zeit zeigt sich z. B. in
der Leitung von Großassyrien und Großpersien, in dem Herrscherinn: eines
Alexander des Großen der Sache nach die allgemeine Kaiseridee. Als eine die
Geschicke von Gesamteuropa auf fast zwei Jahrtausende beherrschende Erscheinung
ging dann aber seit der christlichen Zeitrechnung die Kaiseridee im Imperium
Komanum auf. Von seiner im Imperium Komanum sich vollziehenden Offen¬
barung empfing namentlich auch der universalhistorisch-politische Begriff, den
wir im Kaisertum als solchen finden dürfen, in den Sprachen der seither durch
die romanische Kultur beeinflußten Welt seine typischen Benennungen. Freilich
welche Fülle besonderer Nuancen im einzelnen weist dabei nicht auch der Kaiser¬
begriff auf!
Der zunächst von einer weitsichtigen Aristokratie geführten Politik der Stadt¬
republik Rom war es gelungen, die Länder hellenistischer und romanischer
Kultur zu einem Weltstaat zusammenzuschweißen. Die Fülle der einzuheimsenden
Beute hatte indessen die Mißwirtschaft einer Senatsoligarchie hervorgerufen und
der zwischen dieser und dem demokratischen Element im ersten vorchristlichen
Jahrhundert zu anarchischer Form ausgeartete Kampf rief schließlich einen
Militärgewaltigen auf den Plan, der, gestützt auf ein Soldheer gewordener
Berufskrieger, den inneren Landfrieden im Schoße des römischen Weltstaats
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