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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Zweites Vierteljahr.

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Rassedienst

Geschlechtskrankheiten und als deren Folge geringere Fruchtbarkeit mit
sich bringt.

Ganz besonders fatal ist offenbar die absichtliche Kleinhaltung der Geburten¬
zahl gerade in den höheren, durchschnittlich etwas besser beanlagten Bevölkerungs¬
schichten, während die untersten Schichten und in ihnen wieder sehr minder¬
wertige Elemente sich besonders stark fortpflanzen. Aus Pearsons Bearbeitung
englisch-amerikanischen Materials ergab sich, daß die Fruchtbarkeit der Taub¬
stummen, der Tuberkulösen, der Geisteskranken und der Verbrecher die der nor¬
malen Personen überstieg und selbst die der Handwerker, der unter den ver¬
glichenen fruchtbarsten Menschenklasse, übertraf. Weitaus am schwächsten war
die Fruchtbarkeit der englischen Intellektuellen. Schon Se. Mill wußte, daß die
gelernten Arbeiter weniger Kinder haben als die ungelernten.

Die größere Kindersterblichkeit in den fruchtbareren Bevölkerungsschichten
verhindert deren relativ stärkere Vermehrung nicht.

Die Zurückdrängung der Deutschen durch die Tschechen in Böhmen, durch
das welsche Element in Tirol beruht auf der geringeren Fruchtbarkeit der erstere?!.

Die Auslesewirkungeu der Kriege sind mit steigender Kultur ungünstiger
geworden. Wo Menschengruppen, Völker miteinander um ihre Stellung kämpfen,
hängt der Sieg zum Teil von den angeborenen geistigen und leiblichen Qua¬
litäten der Gruppen ab; aber auch nur zum Teil, denn die kriegerische Über¬
legenheit ist durch größere Kopfzahl, bessere militärische Schulung usw. mit¬
bedingt. Letztere kann aber mehr oder weniger durch Mitteilung und Nach¬
ahmung erworben sein. Die Kriegentscheidungen wirken daher, selbst wenn
sie die stärkere Vermehrung des Siegers begünstigen, nicht immer zugunsten der
an Erbwerten reicheren Gruppe. Auf unserer Kulturstufe bedeutet eine Nieder¬
lage aber zumeist keine Gefahr für die Fortexistenz und Ausbreitung der Erb¬
anlagen des unterlegenen Volkes, während Ausrottung der besiegten Gruppe
auf früherer Kulturstufe nicht selten erstrebt und durchgeführt wurde.

Zu dieser Verschlechterung der Gruppenauslese im Kriege kommen andere
Selektionsschädigungen durch die moderne Kriegführung und Kriegvorbereitung.
Bei allgemeiner Wehrpflicht sind die sanitär tüchtigeren Männer allein den
Gefahren des Krieges ausgesetzt. Auch im Frieden ist die Erkrankungsziffer
im Heere noch auffallend hoch. Durch die Dienstjahre sowie durch die den
Erwerb störenden Übungen wird die Familiengründung verzögert und die Ver¬
mehrung im Verhältnis zu der der Untauglichen herabgesetzt.

Unter solchen Umständen ist Schallmauer im Zweifel, ob Krieg und Kriegs¬
gefahr überhaupt gegenwärtig noch Auslesewert besitzen. Mir scheint, daß Kriege
zwischen hochstehenden Kulturnationen ungünstige Selektionswirkungen haben,
daß sie den gesamten Erbwertschatz der Menschheit empfindlich schädigen.

(Schluß folgt.)




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Geschlechtskrankheiten und als deren Folge geringere Fruchtbarkeit mit
sich bringt.

Ganz besonders fatal ist offenbar die absichtliche Kleinhaltung der Geburten¬
zahl gerade in den höheren, durchschnittlich etwas besser beanlagten Bevölkerungs¬
schichten, während die untersten Schichten und in ihnen wieder sehr minder¬
wertige Elemente sich besonders stark fortpflanzen. Aus Pearsons Bearbeitung
englisch-amerikanischen Materials ergab sich, daß die Fruchtbarkeit der Taub¬
stummen, der Tuberkulösen, der Geisteskranken und der Verbrecher die der nor¬
malen Personen überstieg und selbst die der Handwerker, der unter den ver¬
glichenen fruchtbarsten Menschenklasse, übertraf. Weitaus am schwächsten war
die Fruchtbarkeit der englischen Intellektuellen. Schon Se. Mill wußte, daß die
gelernten Arbeiter weniger Kinder haben als die ungelernten.

Die größere Kindersterblichkeit in den fruchtbareren Bevölkerungsschichten
verhindert deren relativ stärkere Vermehrung nicht.

Die Zurückdrängung der Deutschen durch die Tschechen in Böhmen, durch
das welsche Element in Tirol beruht auf der geringeren Fruchtbarkeit der erstere?!.

Die Auslesewirkungeu der Kriege sind mit steigender Kultur ungünstiger
geworden. Wo Menschengruppen, Völker miteinander um ihre Stellung kämpfen,
hängt der Sieg zum Teil von den angeborenen geistigen und leiblichen Qua¬
litäten der Gruppen ab; aber auch nur zum Teil, denn die kriegerische Über¬
legenheit ist durch größere Kopfzahl, bessere militärische Schulung usw. mit¬
bedingt. Letztere kann aber mehr oder weniger durch Mitteilung und Nach¬
ahmung erworben sein. Die Kriegentscheidungen wirken daher, selbst wenn
sie die stärkere Vermehrung des Siegers begünstigen, nicht immer zugunsten der
an Erbwerten reicheren Gruppe. Auf unserer Kulturstufe bedeutet eine Nieder¬
lage aber zumeist keine Gefahr für die Fortexistenz und Ausbreitung der Erb¬
anlagen des unterlegenen Volkes, während Ausrottung der besiegten Gruppe
auf früherer Kulturstufe nicht selten erstrebt und durchgeführt wurde.

Zu dieser Verschlechterung der Gruppenauslese im Kriege kommen andere
Selektionsschädigungen durch die moderne Kriegführung und Kriegvorbereitung.
Bei allgemeiner Wehrpflicht sind die sanitär tüchtigeren Männer allein den
Gefahren des Krieges ausgesetzt. Auch im Frieden ist die Erkrankungsziffer
im Heere noch auffallend hoch. Durch die Dienstjahre sowie durch die den
Erwerb störenden Übungen wird die Familiengründung verzögert und die Ver¬
mehrung im Verhältnis zu der der Untauglichen herabgesetzt.

Unter solchen Umständen ist Schallmauer im Zweifel, ob Krieg und Kriegs¬
gefahr überhaupt gegenwärtig noch Auslesewert besitzen. Mir scheint, daß Kriege
zwischen hochstehenden Kulturnationen ungünstige Selektionswirkungen haben,
daß sie den gesamten Erbwertschatz der Menschheit empfindlich schädigen.

(Schluß folgt.)




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[0458] Rassedienst Geschlechtskrankheiten und als deren Folge geringere Fruchtbarkeit mit sich bringt. Ganz besonders fatal ist offenbar die absichtliche Kleinhaltung der Geburten¬ zahl gerade in den höheren, durchschnittlich etwas besser beanlagten Bevölkerungs¬ schichten, während die untersten Schichten und in ihnen wieder sehr minder¬ wertige Elemente sich besonders stark fortpflanzen. Aus Pearsons Bearbeitung englisch-amerikanischen Materials ergab sich, daß die Fruchtbarkeit der Taub¬ stummen, der Tuberkulösen, der Geisteskranken und der Verbrecher die der nor¬ malen Personen überstieg und selbst die der Handwerker, der unter den ver¬ glichenen fruchtbarsten Menschenklasse, übertraf. Weitaus am schwächsten war die Fruchtbarkeit der englischen Intellektuellen. Schon Se. Mill wußte, daß die gelernten Arbeiter weniger Kinder haben als die ungelernten. Die größere Kindersterblichkeit in den fruchtbareren Bevölkerungsschichten verhindert deren relativ stärkere Vermehrung nicht. Die Zurückdrängung der Deutschen durch die Tschechen in Böhmen, durch das welsche Element in Tirol beruht auf der geringeren Fruchtbarkeit der erstere?!. Die Auslesewirkungeu der Kriege sind mit steigender Kultur ungünstiger geworden. Wo Menschengruppen, Völker miteinander um ihre Stellung kämpfen, hängt der Sieg zum Teil von den angeborenen geistigen und leiblichen Qua¬ litäten der Gruppen ab; aber auch nur zum Teil, denn die kriegerische Über¬ legenheit ist durch größere Kopfzahl, bessere militärische Schulung usw. mit¬ bedingt. Letztere kann aber mehr oder weniger durch Mitteilung und Nach¬ ahmung erworben sein. Die Kriegentscheidungen wirken daher, selbst wenn sie die stärkere Vermehrung des Siegers begünstigen, nicht immer zugunsten der an Erbwerten reicheren Gruppe. Auf unserer Kulturstufe bedeutet eine Nieder¬ lage aber zumeist keine Gefahr für die Fortexistenz und Ausbreitung der Erb¬ anlagen des unterlegenen Volkes, während Ausrottung der besiegten Gruppe auf früherer Kulturstufe nicht selten erstrebt und durchgeführt wurde. Zu dieser Verschlechterung der Gruppenauslese im Kriege kommen andere Selektionsschädigungen durch die moderne Kriegführung und Kriegvorbereitung. Bei allgemeiner Wehrpflicht sind die sanitär tüchtigeren Männer allein den Gefahren des Krieges ausgesetzt. Auch im Frieden ist die Erkrankungsziffer im Heere noch auffallend hoch. Durch die Dienstjahre sowie durch die den Erwerb störenden Übungen wird die Familiengründung verzögert und die Ver¬ mehrung im Verhältnis zu der der Untauglichen herabgesetzt. Unter solchen Umständen ist Schallmauer im Zweifel, ob Krieg und Kriegs¬ gefahr überhaupt gegenwärtig noch Auslesewert besitzen. Mir scheint, daß Kriege zwischen hochstehenden Kulturnationen ungünstige Selektionswirkungen haben, daß sie den gesamten Erbwertschatz der Menschheit empfindlich schädigen. (Schluß folgt.)

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_318282/458>, abgerufen am 23.07.2024.