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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Zweites Vierteljahr.

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Rassedicnst

Erfolg der Auslese am günstigsten. Denn wenn der Daseinskampf dem einen
durch die Gunst äußerer Verhältnisse erleichtert, dem anderen durch deren Ungunst
erschwert wird, so wird der Sieg nicht durchschnittlich dem an erblicher Ver¬
anlagung Überlegenen zufallen. Die "Situationsvorteile" stören also die Aus¬
lese, wenn sie nicht den begünstigen, der an sich schon an innerem Erbwert
überlegen ist.

Sind nun bei uns die Bedingungen zur Vervollkommnung oder zur Ver¬
schlechterung der Erbwerte gegeben? Zwar sterben auch bei uns allzu schwäch¬
liche Naturen, bevor sie sich fortpflanzen können, trotz aller Pflege und Hygiene.
Aber diese "Lebensauslese" ist viel weniger streng als in vorkulturellen Zeiten,
und sie wird mit der Steigerung der Lebenshaltung in Zukunft noch mehr
nachlassen. Auch die psychisch minder Beanlagten bestehen den Daseinskampf
und gelangen zur Fortpflanzung; sie vermehren sich sogar stärker als die über¬
durchschnittlich Begabten, bei denen mancherlei Umstände, in der Hauptsache
wahrscheinlich absichtliche Fruchtbarkeitsbeschränkung, die durchschnittliche Kinder¬
zahl verringern. Die relativ stärkere Fortpflanzung der Dummen muß aber zu
fortschreitender Verdummung der Nasse führen. Die geringe Fruchtbarkeit der
westlichen Kulturvölker gegenüber anderen Rassen bedeutet für erstere eine ernste
Gefahr.

Schon Darwin und Wallace haben diese schlimme Verkehrung der Zucht¬
wahl, die Begünstigung der psychisch tiefer stehenden Bevölkerungselemente bei
der Vermehrung, bei der "Fortpflanzungsauslese", ins Auge gefaßt. Der Nieder¬
gang geistiger Begabung müßte schließlich trotz aller kulturellen Tradition zu
einer Durchschnittsstufe psychischer Fähigkeiten führen, die Untergang unserer
heutigen Kultur und Machtstellung bedeutet. Man darf auch nicht hoffen, daß
für alle Zeiten aus den mittleren und unteren Gesellschaftsschichten der Kultur¬
völker neue Talente in hinreichender Zahl aufsteigen werden. Ein solches Auf¬
steigen findet zwar statt; wenn aber die Talente dann in den oberen sozialen
Klassen deren schwache Fortpflanzungstcndenz übernehmen, so muß schließlich
das ganze Volk an talentierten Elementen verarmen; denn unerschöpflich an
Talenten sind die unteren Schichten nicht.

Im Anschluß an eine verbreitete naturwissenschaftliche Theorie glaubt
Schallmayer, daß bereits ein Sinken der durchschnittlichen Erbwerte, eine Ent¬
artung, stattfinden müsse, wenn die Auslese mehr und minder beanlagte Indi¬
viduen gleich behandle, wenn die Vermehrung erbwertreicher und minderwertiger
Bevölkerungsschichten gleich stark sei. Diese Auffassung hat manches für und
einiges gegen sich. Es wäre aber -- auch nach neudarwinistischen (Weismannschen)
Lehren -- ein Wachstum, eine Höherentwicklung geistiger Begabung selbst dann
noch möglich, wenn die Auslese sie nicht begünstigt. Ich erinnere an die so¬
genannten exzessiven Bildungen, z. B. an manche Hörner oder Stoßzähne, die
so lange gewachsen sind, daß ihre Spitzen infolge der Biegung des Hornes
oder Zahnes gar nicht mehr zum Stoß benutzt werden können. Man nimmt


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Erfolg der Auslese am günstigsten. Denn wenn der Daseinskampf dem einen
durch die Gunst äußerer Verhältnisse erleichtert, dem anderen durch deren Ungunst
erschwert wird, so wird der Sieg nicht durchschnittlich dem an erblicher Ver¬
anlagung Überlegenen zufallen. Die „Situationsvorteile" stören also die Aus¬
lese, wenn sie nicht den begünstigen, der an sich schon an innerem Erbwert
überlegen ist.

Sind nun bei uns die Bedingungen zur Vervollkommnung oder zur Ver¬
schlechterung der Erbwerte gegeben? Zwar sterben auch bei uns allzu schwäch¬
liche Naturen, bevor sie sich fortpflanzen können, trotz aller Pflege und Hygiene.
Aber diese „Lebensauslese" ist viel weniger streng als in vorkulturellen Zeiten,
und sie wird mit der Steigerung der Lebenshaltung in Zukunft noch mehr
nachlassen. Auch die psychisch minder Beanlagten bestehen den Daseinskampf
und gelangen zur Fortpflanzung; sie vermehren sich sogar stärker als die über¬
durchschnittlich Begabten, bei denen mancherlei Umstände, in der Hauptsache
wahrscheinlich absichtliche Fruchtbarkeitsbeschränkung, die durchschnittliche Kinder¬
zahl verringern. Die relativ stärkere Fortpflanzung der Dummen muß aber zu
fortschreitender Verdummung der Nasse führen. Die geringe Fruchtbarkeit der
westlichen Kulturvölker gegenüber anderen Rassen bedeutet für erstere eine ernste
Gefahr.

Schon Darwin und Wallace haben diese schlimme Verkehrung der Zucht¬
wahl, die Begünstigung der psychisch tiefer stehenden Bevölkerungselemente bei
der Vermehrung, bei der „Fortpflanzungsauslese", ins Auge gefaßt. Der Nieder¬
gang geistiger Begabung müßte schließlich trotz aller kulturellen Tradition zu
einer Durchschnittsstufe psychischer Fähigkeiten führen, die Untergang unserer
heutigen Kultur und Machtstellung bedeutet. Man darf auch nicht hoffen, daß
für alle Zeiten aus den mittleren und unteren Gesellschaftsschichten der Kultur¬
völker neue Talente in hinreichender Zahl aufsteigen werden. Ein solches Auf¬
steigen findet zwar statt; wenn aber die Talente dann in den oberen sozialen
Klassen deren schwache Fortpflanzungstcndenz übernehmen, so muß schließlich
das ganze Volk an talentierten Elementen verarmen; denn unerschöpflich an
Talenten sind die unteren Schichten nicht.

Im Anschluß an eine verbreitete naturwissenschaftliche Theorie glaubt
Schallmayer, daß bereits ein Sinken der durchschnittlichen Erbwerte, eine Ent¬
artung, stattfinden müsse, wenn die Auslese mehr und minder beanlagte Indi¬
viduen gleich behandle, wenn die Vermehrung erbwertreicher und minderwertiger
Bevölkerungsschichten gleich stark sei. Diese Auffassung hat manches für und
einiges gegen sich. Es wäre aber — auch nach neudarwinistischen (Weismannschen)
Lehren — ein Wachstum, eine Höherentwicklung geistiger Begabung selbst dann
noch möglich, wenn die Auslese sie nicht begünstigt. Ich erinnere an die so¬
genannten exzessiven Bildungen, z. B. an manche Hörner oder Stoßzähne, die
so lange gewachsen sind, daß ihre Spitzen infolge der Biegung des Hornes
oder Zahnes gar nicht mehr zum Stoß benutzt werden können. Man nimmt


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[0455] Rassedicnst Erfolg der Auslese am günstigsten. Denn wenn der Daseinskampf dem einen durch die Gunst äußerer Verhältnisse erleichtert, dem anderen durch deren Ungunst erschwert wird, so wird der Sieg nicht durchschnittlich dem an erblicher Ver¬ anlagung Überlegenen zufallen. Die „Situationsvorteile" stören also die Aus¬ lese, wenn sie nicht den begünstigen, der an sich schon an innerem Erbwert überlegen ist. Sind nun bei uns die Bedingungen zur Vervollkommnung oder zur Ver¬ schlechterung der Erbwerte gegeben? Zwar sterben auch bei uns allzu schwäch¬ liche Naturen, bevor sie sich fortpflanzen können, trotz aller Pflege und Hygiene. Aber diese „Lebensauslese" ist viel weniger streng als in vorkulturellen Zeiten, und sie wird mit der Steigerung der Lebenshaltung in Zukunft noch mehr nachlassen. Auch die psychisch minder Beanlagten bestehen den Daseinskampf und gelangen zur Fortpflanzung; sie vermehren sich sogar stärker als die über¬ durchschnittlich Begabten, bei denen mancherlei Umstände, in der Hauptsache wahrscheinlich absichtliche Fruchtbarkeitsbeschränkung, die durchschnittliche Kinder¬ zahl verringern. Die relativ stärkere Fortpflanzung der Dummen muß aber zu fortschreitender Verdummung der Nasse führen. Die geringe Fruchtbarkeit der westlichen Kulturvölker gegenüber anderen Rassen bedeutet für erstere eine ernste Gefahr. Schon Darwin und Wallace haben diese schlimme Verkehrung der Zucht¬ wahl, die Begünstigung der psychisch tiefer stehenden Bevölkerungselemente bei der Vermehrung, bei der „Fortpflanzungsauslese", ins Auge gefaßt. Der Nieder¬ gang geistiger Begabung müßte schließlich trotz aller kulturellen Tradition zu einer Durchschnittsstufe psychischer Fähigkeiten führen, die Untergang unserer heutigen Kultur und Machtstellung bedeutet. Man darf auch nicht hoffen, daß für alle Zeiten aus den mittleren und unteren Gesellschaftsschichten der Kultur¬ völker neue Talente in hinreichender Zahl aufsteigen werden. Ein solches Auf¬ steigen findet zwar statt; wenn aber die Talente dann in den oberen sozialen Klassen deren schwache Fortpflanzungstcndenz übernehmen, so muß schließlich das ganze Volk an talentierten Elementen verarmen; denn unerschöpflich an Talenten sind die unteren Schichten nicht. Im Anschluß an eine verbreitete naturwissenschaftliche Theorie glaubt Schallmayer, daß bereits ein Sinken der durchschnittlichen Erbwerte, eine Ent¬ artung, stattfinden müsse, wenn die Auslese mehr und minder beanlagte Indi¬ viduen gleich behandle, wenn die Vermehrung erbwertreicher und minderwertiger Bevölkerungsschichten gleich stark sei. Diese Auffassung hat manches für und einiges gegen sich. Es wäre aber — auch nach neudarwinistischen (Weismannschen) Lehren — ein Wachstum, eine Höherentwicklung geistiger Begabung selbst dann noch möglich, wenn die Auslese sie nicht begünstigt. Ich erinnere an die so¬ genannten exzessiven Bildungen, z. B. an manche Hörner oder Stoßzähne, die so lange gewachsen sind, daß ihre Spitzen infolge der Biegung des Hornes oder Zahnes gar nicht mehr zum Stoß benutzt werden können. Man nimmt

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_318282/455>, abgerufen am 22.07.2024.