Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Zweites Vierteljahr.Gffene Tür oder Interessensphäre? und Westen aber vom Meere begrenzt würde, so hatte die deutsche PolW, Marokko bedeutete auf Moltkes weises Anraten von jeher auch für Bismarck Das nächste Hauptstück des oben bezeichneten Länderstreifens bildet in bezug Das ausgeprägteste Interesse an diesem Gebiet nimmt England, weil es Auch hier hat Deutschland bewiesen, daß es für den angestammten Herrn Gffene Tür oder Interessensphäre? und Westen aber vom Meere begrenzt würde, so hatte die deutsche PolW, Marokko bedeutete auf Moltkes weises Anraten von jeher auch für Bismarck Das nächste Hauptstück des oben bezeichneten Länderstreifens bildet in bezug Das ausgeprägteste Interesse an diesem Gebiet nimmt England, weil es Auch hier hat Deutschland bewiesen, daß es für den angestammten Herrn <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0450" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/318733"/> <fw type="header" place="top"> Gffene Tür oder Interessensphäre?</fw><lb/> <p xml:id="ID_1964" prev="#ID_1963"> und Westen aber vom Meere begrenzt würde, so hatte die deutsche PolW,<lb/> obwohl sie den Ehrgeiz der „großen Nation" auf solche Zukunftsträume ablenkte,<lb/> sehr wohl die Sorge dafür im Auge, daß doch schließlich auch in Nordafrika<lb/> die französischen Bäume nicht in den Himmel wachsen würden.</p><lb/> <p xml:id="ID_1965"> Marokko bedeutete auf Moltkes weises Anraten von jeher auch für Bismarck<lb/> ein den Franzosen gesetztes „moll ins tariere"; und sollten diese dennoch ver¬<lb/> suchen, sich die Zähne daran auszubeißen, so sollte deutsche Schulung des<lb/> marokkanischen Militärs dafür sorgen, daß der ihnen hier bereitete Widerstand<lb/> ihre Kräfte lahme und die Gefahr ihrer politisch-militärischen Beweglichkeit in<lb/> Europa entsprechend verringere. An dieser von Bis.narck und Moltke vor¬<lb/> gezeichneten Politik hätten wir nur mit größerer Konsequenz festhalten sollen,<lb/> zumal nachdem durch die Tangerreise des Kaisers diese Karten einmal auf¬<lb/> gedeckt waren.</p><lb/> <p xml:id="ID_1966"> Das nächste Hauptstück des oben bezeichneten Länderstreifens bildet in bezug<lb/> auf internationale Reibungen der breite, Europa und Afrika verbindende Gürtel<lb/> zwischen dem Nil und dem Kaukasus, der die große Völkerstraße zwischen Europa<lb/> und dem südlichen Asien nebst Australien und Ozeanien trägt — wohl der<lb/> interessanteste Schauplatz internationalen Ringens insofern, als er — so recht<lb/> angemessen unseren: Zeitalter des Verkehrs — zeigt, wie weltpolitisches Ringen<lb/> sich vollzieht unter Anwendung verkehrspolitischer Waffen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1967"> Das ausgeprägteste Interesse an diesem Gebiet nimmt England, weil es<lb/> in der Beherrschung der Verkehrsstraßen zwischen Europa und Indien eine<lb/> Lebensfrage für das britische Imperium sieht. Daher die englische Politik am<lb/> Suezkanal, dessen Bau es anfangs zu hintertreiben trachtete, und den es dann<lb/> schließlich in englischen Besitz zu bringen gewußt. Je rücksichtsloser aber England<lb/> hier die nun gewonnene Monopolstellung im Verkehr ausnutzt, die Konkurrenten<lb/> mit ungebührlich hohen Kanalabgaben belastend, um so mehr richtet sich das<lb/> Interesse des europäischen Festlandes auf die Gewinnung anderer Verkehrsstraßen<lb/> in der gleichen Richtung. Überall da, wo diese Politik sich betätigt, sehen wir<lb/> sofort den entschiedensten britischen Widerstand, der nur schwinden würde, wenn<lb/> nach dem Beispiel des Suezkanals auch auf jenen anderen Straßen England<lb/> das Monopol an sich zu reißen vermöchte. Das ist der eigentliche Schlüssel zur<lb/> Lösung der Rätsel, die der Kampf um die Bagdadbahn und das Vorgehen<lb/> Englands an der Mündung des Euphrat und Tigris aufgegeben!</p><lb/> <p xml:id="ID_1968"> Auch hier hat Deutschland bewiesen, daß es für den angestammten Herrn<lb/> des Landes, die Türkei, die Aufrechterhaltung seiner Selbständigkeit wünscht,<lb/> und daß es seinerseits kein einseitiges Monopol erstrebt; hat es doch mit größter<lb/> Bereitwilligkeit dem fremden Kapital die Beteiligung an der Bagdadbahn zu¬<lb/> gesagt. Demgegenüber hat England den deutlichen Beweis erbracht, daß es für<lb/> sein Teil wieder um das Monopol ringt, zu dem es auf dem Wege über das<lb/> Schiffahrtsmonopol in Mesopotamien zu gelangen trachtete.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0450]
Gffene Tür oder Interessensphäre?
und Westen aber vom Meere begrenzt würde, so hatte die deutsche PolW,
obwohl sie den Ehrgeiz der „großen Nation" auf solche Zukunftsträume ablenkte,
sehr wohl die Sorge dafür im Auge, daß doch schließlich auch in Nordafrika
die französischen Bäume nicht in den Himmel wachsen würden.
Marokko bedeutete auf Moltkes weises Anraten von jeher auch für Bismarck
ein den Franzosen gesetztes „moll ins tariere"; und sollten diese dennoch ver¬
suchen, sich die Zähne daran auszubeißen, so sollte deutsche Schulung des
marokkanischen Militärs dafür sorgen, daß der ihnen hier bereitete Widerstand
ihre Kräfte lahme und die Gefahr ihrer politisch-militärischen Beweglichkeit in
Europa entsprechend verringere. An dieser von Bis.narck und Moltke vor¬
gezeichneten Politik hätten wir nur mit größerer Konsequenz festhalten sollen,
zumal nachdem durch die Tangerreise des Kaisers diese Karten einmal auf¬
gedeckt waren.
Das nächste Hauptstück des oben bezeichneten Länderstreifens bildet in bezug
auf internationale Reibungen der breite, Europa und Afrika verbindende Gürtel
zwischen dem Nil und dem Kaukasus, der die große Völkerstraße zwischen Europa
und dem südlichen Asien nebst Australien und Ozeanien trägt — wohl der
interessanteste Schauplatz internationalen Ringens insofern, als er — so recht
angemessen unseren: Zeitalter des Verkehrs — zeigt, wie weltpolitisches Ringen
sich vollzieht unter Anwendung verkehrspolitischer Waffen.
Das ausgeprägteste Interesse an diesem Gebiet nimmt England, weil es
in der Beherrschung der Verkehrsstraßen zwischen Europa und Indien eine
Lebensfrage für das britische Imperium sieht. Daher die englische Politik am
Suezkanal, dessen Bau es anfangs zu hintertreiben trachtete, und den es dann
schließlich in englischen Besitz zu bringen gewußt. Je rücksichtsloser aber England
hier die nun gewonnene Monopolstellung im Verkehr ausnutzt, die Konkurrenten
mit ungebührlich hohen Kanalabgaben belastend, um so mehr richtet sich das
Interesse des europäischen Festlandes auf die Gewinnung anderer Verkehrsstraßen
in der gleichen Richtung. Überall da, wo diese Politik sich betätigt, sehen wir
sofort den entschiedensten britischen Widerstand, der nur schwinden würde, wenn
nach dem Beispiel des Suezkanals auch auf jenen anderen Straßen England
das Monopol an sich zu reißen vermöchte. Das ist der eigentliche Schlüssel zur
Lösung der Rätsel, die der Kampf um die Bagdadbahn und das Vorgehen
Englands an der Mündung des Euphrat und Tigris aufgegeben!
Auch hier hat Deutschland bewiesen, daß es für den angestammten Herrn
des Landes, die Türkei, die Aufrechterhaltung seiner Selbständigkeit wünscht,
und daß es seinerseits kein einseitiges Monopol erstrebt; hat es doch mit größter
Bereitwilligkeit dem fremden Kapital die Beteiligung an der Bagdadbahn zu¬
gesagt. Demgegenüber hat England den deutlichen Beweis erbracht, daß es für
sein Teil wieder um das Monopol ringt, zu dem es auf dem Wege über das
Schiffahrtsmonopol in Mesopotamien zu gelangen trachtete.
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