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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Zweites Vierteljahr.

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Reichsspiezel

Diese Mittel fließen dann direkt oder indirekt dein Zentralinstitut zu und dienen
ihm zur Stärkung seiner finanziellen Position. Nun ist freilich zuzugeben, das;
so weitumfassende Aufgaben, wie sie die Politik der deutschen Großbanken sich
gestellt und mit Erfolg gelöst hat, außergewöhnlich große Mittel erfordern, und
daß daher vom Standpunkt der letzteren dies geschäftliche Gebaren richtig ist.
Aber wer wollte die volkswirtschaftlichen Nachteile verkennen? Ist nicht die
Kreditnot des Mittelstandes, zu deren Lösung sogar der Hansabuud eine
Preisaufgabe ausgeschrieben hat, eine direkte Folge dieses Geldabflusses? Werden
uicht die Milliarden aufgesammelter Kapitalien zum Teil in einer Weise ver¬
wandt, die nur vom Standpunkt der Dividendenpolitik aus berechtigt erscheinen,
von dem des Gemeinwohls aus aber sehr anfechtbar sind? Die übermäßige
Kreditgewährung an die Großindustrie, die noch jüngst so viel erörterte
Beteiligung an ausländischen Anleihen, die Begünstigung der Börsen¬
spekulation gehören in dies Kapitel. Und von diesem Gesichtspunkt aus fällt
meines Dafürhaltens auch das richtige Licht auf die periodischen Klemmer,
unter denen unser Geldmarkt leidet. Wenn vou Quartal zu Quartal die An¬
sprüche an die Neichsbauk sprunghaft steigen und jetzt eine Höhe erlangt haben,
wie sie nur bei krisenhaften Zuständen auf dem Geldmarkt einzutreten pflegt,
obwohl doch die wirtschaftliche Lage eine im übrigen normale ist, so liegt die
Erklärung für diese auffällige Erscheinung in der übermäßigen Konzentration
unseres Geld- und Bankwesens. Je gewaltiger die Summen sind, die den
Banken als Depositen zufließen, und je enger das Bett ist, in das dieser Strom
schließlich geleitet wird, um so mehr wird eine Stockung des Zuflusses oder gar
ein Abfluß auf das zentrale Sammelbecken wirken. Die Depositengelder sind ja
bekanntlich keine solchen, die den Banken zur dauernden Anlage überlassen
werden; die Einleger fordern sie zurück, wenn ihr eigener Wirtschaftsbedarf sie
dazu nötigt. Das ist in hervorragendem Maße an den Qnartalsterminen der
Fall, an denen sich nach deutscher Sitte eine Menge Zahlungen zusammen¬
drängen. Wird doch schätzungsweise der Quartalsbedarf für Hypotheken- und
Zinszahlungen allein auf vierhundert Millionen beziffert! Dazu kommen die
Anforderungen für Miete, für die Ernte im Herbst, für die Bestellung im Früh¬
jahr, um nur einige der wichtigsten Posten herauszugreifen. Der größte Teil
dieser Ansprüche klopft nun an die Kasse der Zentralstelle. Es ist ja die ganz
natürliche Folge der Konzentration, daß die Zentralstelle, der alle überschüssigen
Gelder zugeflossen siud, nun ini Augenblicke des Bedarfs für alle ihre Filialen
und direkt oder indirekt angeschlossenen Institute gerade zu stehen hat. Der
vorhandene Druck überträgt sich also in verschärften Maße. Nun ist die
Zentralstelle aber nicht imstande, diesen: Bedarf aus eigenen Mitteln zu
entsprechen. Wir wollen annehmen, sie habe sehr vorsichtig disponiert und
sei nach bankmäßigen Begriffen liquide. Sie wird dann wohl einen
ansehnlichen Kassenbestand, lombardfähige Wertpapiere und ein großes Wechsel¬
portefeuille haben. Der Kassenbestaud ist aber selbstverständlich sehr viel


Reichsspiezel

Diese Mittel fließen dann direkt oder indirekt dein Zentralinstitut zu und dienen
ihm zur Stärkung seiner finanziellen Position. Nun ist freilich zuzugeben, das;
so weitumfassende Aufgaben, wie sie die Politik der deutschen Großbanken sich
gestellt und mit Erfolg gelöst hat, außergewöhnlich große Mittel erfordern, und
daß daher vom Standpunkt der letzteren dies geschäftliche Gebaren richtig ist.
Aber wer wollte die volkswirtschaftlichen Nachteile verkennen? Ist nicht die
Kreditnot des Mittelstandes, zu deren Lösung sogar der Hansabuud eine
Preisaufgabe ausgeschrieben hat, eine direkte Folge dieses Geldabflusses? Werden
uicht die Milliarden aufgesammelter Kapitalien zum Teil in einer Weise ver¬
wandt, die nur vom Standpunkt der Dividendenpolitik aus berechtigt erscheinen,
von dem des Gemeinwohls aus aber sehr anfechtbar sind? Die übermäßige
Kreditgewährung an die Großindustrie, die noch jüngst so viel erörterte
Beteiligung an ausländischen Anleihen, die Begünstigung der Börsen¬
spekulation gehören in dies Kapitel. Und von diesem Gesichtspunkt aus fällt
meines Dafürhaltens auch das richtige Licht auf die periodischen Klemmer,
unter denen unser Geldmarkt leidet. Wenn vou Quartal zu Quartal die An¬
sprüche an die Neichsbauk sprunghaft steigen und jetzt eine Höhe erlangt haben,
wie sie nur bei krisenhaften Zuständen auf dem Geldmarkt einzutreten pflegt,
obwohl doch die wirtschaftliche Lage eine im übrigen normale ist, so liegt die
Erklärung für diese auffällige Erscheinung in der übermäßigen Konzentration
unseres Geld- und Bankwesens. Je gewaltiger die Summen sind, die den
Banken als Depositen zufließen, und je enger das Bett ist, in das dieser Strom
schließlich geleitet wird, um so mehr wird eine Stockung des Zuflusses oder gar
ein Abfluß auf das zentrale Sammelbecken wirken. Die Depositengelder sind ja
bekanntlich keine solchen, die den Banken zur dauernden Anlage überlassen
werden; die Einleger fordern sie zurück, wenn ihr eigener Wirtschaftsbedarf sie
dazu nötigt. Das ist in hervorragendem Maße an den Qnartalsterminen der
Fall, an denen sich nach deutscher Sitte eine Menge Zahlungen zusammen¬
drängen. Wird doch schätzungsweise der Quartalsbedarf für Hypotheken- und
Zinszahlungen allein auf vierhundert Millionen beziffert! Dazu kommen die
Anforderungen für Miete, für die Ernte im Herbst, für die Bestellung im Früh¬
jahr, um nur einige der wichtigsten Posten herauszugreifen. Der größte Teil
dieser Ansprüche klopft nun an die Kasse der Zentralstelle. Es ist ja die ganz
natürliche Folge der Konzentration, daß die Zentralstelle, der alle überschüssigen
Gelder zugeflossen siud, nun ini Augenblicke des Bedarfs für alle ihre Filialen
und direkt oder indirekt angeschlossenen Institute gerade zu stehen hat. Der
vorhandene Druck überträgt sich also in verschärften Maße. Nun ist die
Zentralstelle aber nicht imstande, diesen: Bedarf aus eigenen Mitteln zu
entsprechen. Wir wollen annehmen, sie habe sehr vorsichtig disponiert und
sei nach bankmäßigen Begriffen liquide. Sie wird dann wohl einen
ansehnlichen Kassenbestand, lombardfähige Wertpapiere und ein großes Wechsel¬
portefeuille haben. Der Kassenbestaud ist aber selbstverständlich sehr viel


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[0442] Reichsspiezel Diese Mittel fließen dann direkt oder indirekt dein Zentralinstitut zu und dienen ihm zur Stärkung seiner finanziellen Position. Nun ist freilich zuzugeben, das; so weitumfassende Aufgaben, wie sie die Politik der deutschen Großbanken sich gestellt und mit Erfolg gelöst hat, außergewöhnlich große Mittel erfordern, und daß daher vom Standpunkt der letzteren dies geschäftliche Gebaren richtig ist. Aber wer wollte die volkswirtschaftlichen Nachteile verkennen? Ist nicht die Kreditnot des Mittelstandes, zu deren Lösung sogar der Hansabuud eine Preisaufgabe ausgeschrieben hat, eine direkte Folge dieses Geldabflusses? Werden uicht die Milliarden aufgesammelter Kapitalien zum Teil in einer Weise ver¬ wandt, die nur vom Standpunkt der Dividendenpolitik aus berechtigt erscheinen, von dem des Gemeinwohls aus aber sehr anfechtbar sind? Die übermäßige Kreditgewährung an die Großindustrie, die noch jüngst so viel erörterte Beteiligung an ausländischen Anleihen, die Begünstigung der Börsen¬ spekulation gehören in dies Kapitel. Und von diesem Gesichtspunkt aus fällt meines Dafürhaltens auch das richtige Licht auf die periodischen Klemmer, unter denen unser Geldmarkt leidet. Wenn vou Quartal zu Quartal die An¬ sprüche an die Neichsbauk sprunghaft steigen und jetzt eine Höhe erlangt haben, wie sie nur bei krisenhaften Zuständen auf dem Geldmarkt einzutreten pflegt, obwohl doch die wirtschaftliche Lage eine im übrigen normale ist, so liegt die Erklärung für diese auffällige Erscheinung in der übermäßigen Konzentration unseres Geld- und Bankwesens. Je gewaltiger die Summen sind, die den Banken als Depositen zufließen, und je enger das Bett ist, in das dieser Strom schließlich geleitet wird, um so mehr wird eine Stockung des Zuflusses oder gar ein Abfluß auf das zentrale Sammelbecken wirken. Die Depositengelder sind ja bekanntlich keine solchen, die den Banken zur dauernden Anlage überlassen werden; die Einleger fordern sie zurück, wenn ihr eigener Wirtschaftsbedarf sie dazu nötigt. Das ist in hervorragendem Maße an den Qnartalsterminen der Fall, an denen sich nach deutscher Sitte eine Menge Zahlungen zusammen¬ drängen. Wird doch schätzungsweise der Quartalsbedarf für Hypotheken- und Zinszahlungen allein auf vierhundert Millionen beziffert! Dazu kommen die Anforderungen für Miete, für die Ernte im Herbst, für die Bestellung im Früh¬ jahr, um nur einige der wichtigsten Posten herauszugreifen. Der größte Teil dieser Ansprüche klopft nun an die Kasse der Zentralstelle. Es ist ja die ganz natürliche Folge der Konzentration, daß die Zentralstelle, der alle überschüssigen Gelder zugeflossen siud, nun ini Augenblicke des Bedarfs für alle ihre Filialen und direkt oder indirekt angeschlossenen Institute gerade zu stehen hat. Der vorhandene Druck überträgt sich also in verschärften Maße. Nun ist die Zentralstelle aber nicht imstande, diesen: Bedarf aus eigenen Mitteln zu entsprechen. Wir wollen annehmen, sie habe sehr vorsichtig disponiert und sei nach bankmäßigen Begriffen liquide. Sie wird dann wohl einen ansehnlichen Kassenbestand, lombardfähige Wertpapiere und ein großes Wechsel¬ portefeuille haben. Der Kassenbestaud ist aber selbstverständlich sehr viel

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_318282/442>, abgerufen am 26.06.2024.