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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Zweites Vierteljahr.

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gemeinschaft Dresden-Schaaffhailsen in die Brüche gegangen, und so mußte
denn wohl oder übel der Anschluß an die ehemalige Konkurrentin gesucht werden,
die mittlerweile so erstarkt war, daß sie fast über das doppelte Aktienkapital
verfügte. Durch die erfolgte Vereinigung der beiden Institute, in welche die
Süddeutsche Bank mit einbezogen wurde, entsteht eine Kapitalzusammenfassung
von 150 Millionen Mark. Hätte man für diese Vereinigung den Weg der
Fusion, der vollkommenen Verschmelzung, gewählt, so wäre ein provinzielles
Nieseninstitut entstanden, das selbst unter den führenden Großbanken nur von
einigen übertroffen worden wäre. Eine solche Entwicklung hätte nicht in:
Interesse der Deutsche" Bank gelegen, die darauf sehen muß, die Herrschaft
in den Händen zu behalten, ohne so bedeutende Kapitalien zu investieren. Man
zog daher die Bildung einer Interessengemeinschaft vor, indem man
die üblen Erfahrungen, die Dresden-Schaaffhausen mit einer solchen gemacht
hatten, durch weitgehende Personalunion der Leitung zu vermeiden suchte. Der
schließliche Erfolg ist derselbe: der Machtbereich der Deutschen Bank erfährt eine
neue ansehnliche Vergrößerung. Bedenkt man, daß die beiden jetzt vereinigten
Banken über nahezu fünfzig Niederlassungen verfügen, die fast alle ursprünglich
selbständige Unternehmungen und Bankgeschäfte waren, so kann man das Bedauern
über diesen Entwicklungsgang nicht unterdrücken. Das Verschwinden so vieler
wirtschaftlich berechtigter Einzelexistenzen ist ein beklagenswerter Nachteil, der
durch die anderweiten Vorzüge einer umfassenden Organisation nicht ausgeglichen
wird. Denn diese letzteren kommen nur dem Mutterinstitut und zwar auch nur
mit einer gewissen Beschränkung zugute. Einheitlichkeit des Betriebs, Ersparnis
an Unkosten können durch die Konzentration im Bankgewerbe nicht erzielt werden;
im Gegenteil, die Unkosten wachsen, und derselbe geschäftliche Erfolg muß oft
durch bedeutend höhere Aufwendung an Gehältern und sachlichen Ausgaben
erkauft werden. Es bleibt also als Vorteil für das Zentralinstitut nur die
Konzentration der Geschäfte, deren Gewinn direkt oder indirekt ihn: zufließt,
und daneben die größere Werbekraft der neuen Filialen in der'Heran¬
ziehung von Depositengeldern. Dieser letztere Punkt spielt nun freilich bei
der Entwicklung, die das Bankgeschäft in Deutschland genommen hat, fast
allenthalben die Hauptrolle. Die Befriedigung des lokalen Kreditbedürfnisses,
die Pflege von Geschäftsbeziehungen zu den Kleingewerbetreibenden und
dem Mittelstand sind Aufgaben, welche die Großbank zwar infolge der
Fusion zunächst notgedrungen übernehmen muß, denen sie sich aber nur
höchst ungern unterzieht und die sie nur pflegt, soweit sie von dem Hauptzweck,
der Aufsammlung von Depositen, gefordert werden. Während also das lokale
Kreditinstitut die fremden Gelder fast ausschließlich zur Befriedigung lokaler
Bedürfnisse verwandte und kein Interesse daran hatte, den Zufluß solcher
Gelder über die Verwendungsmöglichkeit hinaus zu steigern, verfolgt die Gro߬
bankfiliale nach beiden Richtungen die umgekehrte Politik: die lokale Kredit¬
gewährung wird eingeschränkt und die Heranziehung von Depositen forciert.


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gemeinschaft Dresden-Schaaffhailsen in die Brüche gegangen, und so mußte
denn wohl oder übel der Anschluß an die ehemalige Konkurrentin gesucht werden,
die mittlerweile so erstarkt war, daß sie fast über das doppelte Aktienkapital
verfügte. Durch die erfolgte Vereinigung der beiden Institute, in welche die
Süddeutsche Bank mit einbezogen wurde, entsteht eine Kapitalzusammenfassung
von 150 Millionen Mark. Hätte man für diese Vereinigung den Weg der
Fusion, der vollkommenen Verschmelzung, gewählt, so wäre ein provinzielles
Nieseninstitut entstanden, das selbst unter den führenden Großbanken nur von
einigen übertroffen worden wäre. Eine solche Entwicklung hätte nicht in:
Interesse der Deutsche» Bank gelegen, die darauf sehen muß, die Herrschaft
in den Händen zu behalten, ohne so bedeutende Kapitalien zu investieren. Man
zog daher die Bildung einer Interessengemeinschaft vor, indem man
die üblen Erfahrungen, die Dresden-Schaaffhausen mit einer solchen gemacht
hatten, durch weitgehende Personalunion der Leitung zu vermeiden suchte. Der
schließliche Erfolg ist derselbe: der Machtbereich der Deutschen Bank erfährt eine
neue ansehnliche Vergrößerung. Bedenkt man, daß die beiden jetzt vereinigten
Banken über nahezu fünfzig Niederlassungen verfügen, die fast alle ursprünglich
selbständige Unternehmungen und Bankgeschäfte waren, so kann man das Bedauern
über diesen Entwicklungsgang nicht unterdrücken. Das Verschwinden so vieler
wirtschaftlich berechtigter Einzelexistenzen ist ein beklagenswerter Nachteil, der
durch die anderweiten Vorzüge einer umfassenden Organisation nicht ausgeglichen
wird. Denn diese letzteren kommen nur dem Mutterinstitut und zwar auch nur
mit einer gewissen Beschränkung zugute. Einheitlichkeit des Betriebs, Ersparnis
an Unkosten können durch die Konzentration im Bankgewerbe nicht erzielt werden;
im Gegenteil, die Unkosten wachsen, und derselbe geschäftliche Erfolg muß oft
durch bedeutend höhere Aufwendung an Gehältern und sachlichen Ausgaben
erkauft werden. Es bleibt also als Vorteil für das Zentralinstitut nur die
Konzentration der Geschäfte, deren Gewinn direkt oder indirekt ihn: zufließt,
und daneben die größere Werbekraft der neuen Filialen in der'Heran¬
ziehung von Depositengeldern. Dieser letztere Punkt spielt nun freilich bei
der Entwicklung, die das Bankgeschäft in Deutschland genommen hat, fast
allenthalben die Hauptrolle. Die Befriedigung des lokalen Kreditbedürfnisses,
die Pflege von Geschäftsbeziehungen zu den Kleingewerbetreibenden und
dem Mittelstand sind Aufgaben, welche die Großbank zwar infolge der
Fusion zunächst notgedrungen übernehmen muß, denen sie sich aber nur
höchst ungern unterzieht und die sie nur pflegt, soweit sie von dem Hauptzweck,
der Aufsammlung von Depositen, gefordert werden. Während also das lokale
Kreditinstitut die fremden Gelder fast ausschließlich zur Befriedigung lokaler
Bedürfnisse verwandte und kein Interesse daran hatte, den Zufluß solcher
Gelder über die Verwendungsmöglichkeit hinaus zu steigern, verfolgt die Gro߬
bankfiliale nach beiden Richtungen die umgekehrte Politik: die lokale Kredit¬
gewährung wird eingeschränkt und die Heranziehung von Depositen forciert.


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[0441] Rcichssxiegcl gemeinschaft Dresden-Schaaffhailsen in die Brüche gegangen, und so mußte denn wohl oder übel der Anschluß an die ehemalige Konkurrentin gesucht werden, die mittlerweile so erstarkt war, daß sie fast über das doppelte Aktienkapital verfügte. Durch die erfolgte Vereinigung der beiden Institute, in welche die Süddeutsche Bank mit einbezogen wurde, entsteht eine Kapitalzusammenfassung von 150 Millionen Mark. Hätte man für diese Vereinigung den Weg der Fusion, der vollkommenen Verschmelzung, gewählt, so wäre ein provinzielles Nieseninstitut entstanden, das selbst unter den führenden Großbanken nur von einigen übertroffen worden wäre. Eine solche Entwicklung hätte nicht in: Interesse der Deutsche» Bank gelegen, die darauf sehen muß, die Herrschaft in den Händen zu behalten, ohne so bedeutende Kapitalien zu investieren. Man zog daher die Bildung einer Interessengemeinschaft vor, indem man die üblen Erfahrungen, die Dresden-Schaaffhausen mit einer solchen gemacht hatten, durch weitgehende Personalunion der Leitung zu vermeiden suchte. Der schließliche Erfolg ist derselbe: der Machtbereich der Deutschen Bank erfährt eine neue ansehnliche Vergrößerung. Bedenkt man, daß die beiden jetzt vereinigten Banken über nahezu fünfzig Niederlassungen verfügen, die fast alle ursprünglich selbständige Unternehmungen und Bankgeschäfte waren, so kann man das Bedauern über diesen Entwicklungsgang nicht unterdrücken. Das Verschwinden so vieler wirtschaftlich berechtigter Einzelexistenzen ist ein beklagenswerter Nachteil, der durch die anderweiten Vorzüge einer umfassenden Organisation nicht ausgeglichen wird. Denn diese letzteren kommen nur dem Mutterinstitut und zwar auch nur mit einer gewissen Beschränkung zugute. Einheitlichkeit des Betriebs, Ersparnis an Unkosten können durch die Konzentration im Bankgewerbe nicht erzielt werden; im Gegenteil, die Unkosten wachsen, und derselbe geschäftliche Erfolg muß oft durch bedeutend höhere Aufwendung an Gehältern und sachlichen Ausgaben erkauft werden. Es bleibt also als Vorteil für das Zentralinstitut nur die Konzentration der Geschäfte, deren Gewinn direkt oder indirekt ihn: zufließt, und daneben die größere Werbekraft der neuen Filialen in der'Heran¬ ziehung von Depositengeldern. Dieser letztere Punkt spielt nun freilich bei der Entwicklung, die das Bankgeschäft in Deutschland genommen hat, fast allenthalben die Hauptrolle. Die Befriedigung des lokalen Kreditbedürfnisses, die Pflege von Geschäftsbeziehungen zu den Kleingewerbetreibenden und dem Mittelstand sind Aufgaben, welche die Großbank zwar infolge der Fusion zunächst notgedrungen übernehmen muß, denen sie sich aber nur höchst ungern unterzieht und die sie nur pflegt, soweit sie von dem Hauptzweck, der Aufsammlung von Depositen, gefordert werden. Während also das lokale Kreditinstitut die fremden Gelder fast ausschließlich zur Befriedigung lokaler Bedürfnisse verwandte und kein Interesse daran hatte, den Zufluß solcher Gelder über die Verwendungsmöglichkeit hinaus zu steigern, verfolgt die Gro߬ bankfiliale nach beiden Richtungen die umgekehrte Politik: die lokale Kredit¬ gewährung wird eingeschränkt und die Heranziehung von Depositen forciert.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_318282/441>, abgerufen am 28.09.2024.