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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Zweites Vierteljahr.

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kontiugentsabgabe doch noch wird zahlen müssen. Es ist indessen nach Lage
der Sache durchaus unwahrscheinlich, daß als letzte Instanz die Gerichte in
der Streitfrage entscheiden werden. Ohne Beseitigung der Verträge hätte die
in so mühseligen Verhandlungen hergestellte Einigung des Kalisyndikats mit
den Amerikanern kaum praktischen Wert. Wenn also das Interesse der
Gesamtindustrie die Aufhebung der Verträge gebieterisch fordert, so muß sich
ein Weg finden lassen, der den Ansprüchen beider Teile gerecht wird.

Die preußische Regierung hat dem Drängen der Syndikatsfreunde nach¬
gegeben und im Abgeordnetenhaus erklärt, daß der Fiskus bereit ist, dem
Anschluß an das Kohlensyndikat näherzutreten, sofern nur die Wahrung
der allgemeinen Interessen dadurch nicht gefährdet werde. Dieser Vorbehalt
ist eigentlich ein selbstverständlicher, und man wird ihn, da der Minister im
übrigen die Verdienste des Syndikats um den Bergbau ausdrücklich anerkannt
hat, kaum dahin auslegen dürfen, daß eine Änderung in der Preispolitik
des Syndikates Voraussetzung des Anschlusses sein müsse. Diese Stellungnahme
des Fiskus ist für die Verlängerung des Syndikats von ausschlaggebender
Bedeutung. Wenn der Staat als Teilnehmer am Kohlensyndikat auftritt,
muß auch die schwierige Frage der Behandlung der Hüttenzechen sich regeln
lassen. Denn der Staat ist in einer ähnlichen Lage wie die letzteren: er ist
in starkem Maß Selbstverbraucher und muß wie die Hüttenzechen es ablehnen,
seinen Kohlenbedarf für die Eisenbahnen der Umlagepflicht zu unterstellen.
Trotzdem daher der Gegensatz zwischen reinen Kohlenzechen und gemischten
Betrieben in letzter Zeit an Schärfe gewonnen hat, wie aus den jüngst
abgegebenen Erklärungen der Zeche Constantin einerseits und der Gewerkschaft
Deutscher Kaiser anderseits hervorgeht, wird das Eintreten des Fiskus einen
Ausgleich der widerstrebenden Interessen erleichtern. Die westfälische Kohlen¬
industrie darf aufatmen, eine schwere Sorge ist von ihr genommen. Man
wird wohl bald hören, wie diese veränderte Situation die Haltung der Werke
beeinflußt.

In Hildesheim haben die hier bereits früher erwähnten Zahlungsschwierig¬
keiten der Firma I. Pistorius nachträglich zu einem Ansturm auf die
Kassen der Hildesheimer Ban? geführt. Das gut fundierte Institut,
welches dem Geschäftskreis der Deutschen Bank angehört, hat sich seiner ohne
Schwierigkeiten erwehren können, nachdem Kardinal Kopp und die genannte
Großbank die Rückendeckung übernommen hatten. Solche Vorkommnisse rücken
die Gefahren auf das deutlichste vor Augen, die mit dem Betrieb des Depositen¬
geschäftes verbunden sind. Gerüchte der unbegründetsten Art, durch irgend¬
einen Zufall enstanden und blitzschnell in das Ungeheure vergrößert, erzeugen
in wenigen Stunden eine solche Panik in den Kreisen der Einleger, daß auch
eine gut geleitete Bank dem entfesselten Ansturm ohne fremde Hilfe nicht die Spitze
bieten kann. Steht ein solches Institut im Rahmen eines größeren Konzerns,
so ist die Unterstützung freilich sofort zur Hand, und es gelingt, wie im vor-


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kontiugentsabgabe doch noch wird zahlen müssen. Es ist indessen nach Lage
der Sache durchaus unwahrscheinlich, daß als letzte Instanz die Gerichte in
der Streitfrage entscheiden werden. Ohne Beseitigung der Verträge hätte die
in so mühseligen Verhandlungen hergestellte Einigung des Kalisyndikats mit
den Amerikanern kaum praktischen Wert. Wenn also das Interesse der
Gesamtindustrie die Aufhebung der Verträge gebieterisch fordert, so muß sich
ein Weg finden lassen, der den Ansprüchen beider Teile gerecht wird.

Die preußische Regierung hat dem Drängen der Syndikatsfreunde nach¬
gegeben und im Abgeordnetenhaus erklärt, daß der Fiskus bereit ist, dem
Anschluß an das Kohlensyndikat näherzutreten, sofern nur die Wahrung
der allgemeinen Interessen dadurch nicht gefährdet werde. Dieser Vorbehalt
ist eigentlich ein selbstverständlicher, und man wird ihn, da der Minister im
übrigen die Verdienste des Syndikats um den Bergbau ausdrücklich anerkannt
hat, kaum dahin auslegen dürfen, daß eine Änderung in der Preispolitik
des Syndikates Voraussetzung des Anschlusses sein müsse. Diese Stellungnahme
des Fiskus ist für die Verlängerung des Syndikats von ausschlaggebender
Bedeutung. Wenn der Staat als Teilnehmer am Kohlensyndikat auftritt,
muß auch die schwierige Frage der Behandlung der Hüttenzechen sich regeln
lassen. Denn der Staat ist in einer ähnlichen Lage wie die letzteren: er ist
in starkem Maß Selbstverbraucher und muß wie die Hüttenzechen es ablehnen,
seinen Kohlenbedarf für die Eisenbahnen der Umlagepflicht zu unterstellen.
Trotzdem daher der Gegensatz zwischen reinen Kohlenzechen und gemischten
Betrieben in letzter Zeit an Schärfe gewonnen hat, wie aus den jüngst
abgegebenen Erklärungen der Zeche Constantin einerseits und der Gewerkschaft
Deutscher Kaiser anderseits hervorgeht, wird das Eintreten des Fiskus einen
Ausgleich der widerstrebenden Interessen erleichtern. Die westfälische Kohlen¬
industrie darf aufatmen, eine schwere Sorge ist von ihr genommen. Man
wird wohl bald hören, wie diese veränderte Situation die Haltung der Werke
beeinflußt.

In Hildesheim haben die hier bereits früher erwähnten Zahlungsschwierig¬
keiten der Firma I. Pistorius nachträglich zu einem Ansturm auf die
Kassen der Hildesheimer Ban? geführt. Das gut fundierte Institut,
welches dem Geschäftskreis der Deutschen Bank angehört, hat sich seiner ohne
Schwierigkeiten erwehren können, nachdem Kardinal Kopp und die genannte
Großbank die Rückendeckung übernommen hatten. Solche Vorkommnisse rücken
die Gefahren auf das deutlichste vor Augen, die mit dem Betrieb des Depositen¬
geschäftes verbunden sind. Gerüchte der unbegründetsten Art, durch irgend¬
einen Zufall enstanden und blitzschnell in das Ungeheure vergrößert, erzeugen
in wenigen Stunden eine solche Panik in den Kreisen der Einleger, daß auch
eine gut geleitete Bank dem entfesselten Ansturm ohne fremde Hilfe nicht die Spitze
bieten kann. Steht ein solches Institut im Rahmen eines größeren Konzerns,
so ist die Unterstützung freilich sofort zur Hand, und es gelingt, wie im vor-


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[0395] Roichsspiegel kontiugentsabgabe doch noch wird zahlen müssen. Es ist indessen nach Lage der Sache durchaus unwahrscheinlich, daß als letzte Instanz die Gerichte in der Streitfrage entscheiden werden. Ohne Beseitigung der Verträge hätte die in so mühseligen Verhandlungen hergestellte Einigung des Kalisyndikats mit den Amerikanern kaum praktischen Wert. Wenn also das Interesse der Gesamtindustrie die Aufhebung der Verträge gebieterisch fordert, so muß sich ein Weg finden lassen, der den Ansprüchen beider Teile gerecht wird. Die preußische Regierung hat dem Drängen der Syndikatsfreunde nach¬ gegeben und im Abgeordnetenhaus erklärt, daß der Fiskus bereit ist, dem Anschluß an das Kohlensyndikat näherzutreten, sofern nur die Wahrung der allgemeinen Interessen dadurch nicht gefährdet werde. Dieser Vorbehalt ist eigentlich ein selbstverständlicher, und man wird ihn, da der Minister im übrigen die Verdienste des Syndikats um den Bergbau ausdrücklich anerkannt hat, kaum dahin auslegen dürfen, daß eine Änderung in der Preispolitik des Syndikates Voraussetzung des Anschlusses sein müsse. Diese Stellungnahme des Fiskus ist für die Verlängerung des Syndikats von ausschlaggebender Bedeutung. Wenn der Staat als Teilnehmer am Kohlensyndikat auftritt, muß auch die schwierige Frage der Behandlung der Hüttenzechen sich regeln lassen. Denn der Staat ist in einer ähnlichen Lage wie die letzteren: er ist in starkem Maß Selbstverbraucher und muß wie die Hüttenzechen es ablehnen, seinen Kohlenbedarf für die Eisenbahnen der Umlagepflicht zu unterstellen. Trotzdem daher der Gegensatz zwischen reinen Kohlenzechen und gemischten Betrieben in letzter Zeit an Schärfe gewonnen hat, wie aus den jüngst abgegebenen Erklärungen der Zeche Constantin einerseits und der Gewerkschaft Deutscher Kaiser anderseits hervorgeht, wird das Eintreten des Fiskus einen Ausgleich der widerstrebenden Interessen erleichtern. Die westfälische Kohlen¬ industrie darf aufatmen, eine schwere Sorge ist von ihr genommen. Man wird wohl bald hören, wie diese veränderte Situation die Haltung der Werke beeinflußt. In Hildesheim haben die hier bereits früher erwähnten Zahlungsschwierig¬ keiten der Firma I. Pistorius nachträglich zu einem Ansturm auf die Kassen der Hildesheimer Ban? geführt. Das gut fundierte Institut, welches dem Geschäftskreis der Deutschen Bank angehört, hat sich seiner ohne Schwierigkeiten erwehren können, nachdem Kardinal Kopp und die genannte Großbank die Rückendeckung übernommen hatten. Solche Vorkommnisse rücken die Gefahren auf das deutlichste vor Augen, die mit dem Betrieb des Depositen¬ geschäftes verbunden sind. Gerüchte der unbegründetsten Art, durch irgend¬ einen Zufall enstanden und blitzschnell in das Ungeheure vergrößert, erzeugen in wenigen Stunden eine solche Panik in den Kreisen der Einleger, daß auch eine gut geleitete Bank dem entfesselten Ansturm ohne fremde Hilfe nicht die Spitze bieten kann. Steht ein solches Institut im Rahmen eines größeren Konzerns, so ist die Unterstützung freilich sofort zur Hand, und es gelingt, wie im vor-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_318282/395>, abgerufen am 22.07.2024.