Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Roichssxiegel

des neuen Reiches lag dies anders; glücklicherweise konnte daher die Gesetz¬
gebung die so überaus wichtigen Grundlagen für die spätere wirtschaftliche
Entwicklung, unsere Währung, die Münzverfassung, das Banknotenwesen im
Einklang mit den Anschauungen des Handelstags ausgestalten. Hat er aber
auch einen Teil seines Einflusses verloren, so ist seine Bedeutuug in: ganzen
doch nicht geringer geworden. Unter der Devise "Förderung des Gesamt¬
wohls durch Pflege der engeren Berufsinteressen" wird daher der Deutsche
Handelstag auch in Zukunft eine segensreiche Wirksamkeit für die Entwicklung
des deutschen Vaterlandes entfalten können.

Ein deutscher Erdöltrust gelangt durch die großzügigen Projekte zur
Entstehung, welche die Deutsche Tiefbohrgesellschaft soeben zur Ausführung
bringt. Die gesamte deutsche Erdölindustrie, sowohl die hannöverische als die
elsässische, wird in Zukunft in der Hand der genannten Gesellschaft vereinigt sein.
Die Mittel, mit denen dieses Ziel erreicht wird, sind recht kompliziert: Fusionen,
Liquidationen und Neugründungen laufen nebeneinander her, so daß es dem
Fernstehenden schwer fällt, sich in dem Konglomerat von Beteiligungen und
Uiltergesellschaften zurechtzufinden. In der Hauptsache läuft die Transaktion
darauf hinaus, daß die hannoverischen Ölinteressen der Tiefbohrgesellschaft, welche
bisher in den Vereinigten Norddeutschen Mineralölwerken zusammengefaßt waren,
auf die Deutsche Mineralölindustrie A. G. übergehen. Letztere zahlt
dafür 4 Millionen in eigenen Aktien, die ihr zu diesem Behuf (eine neuartige
und sehr eigentümliche Art gleichzeitiger Kapitalsrednktion und -erhöhung) voll
ihren Aktionären zur Verfügung gestellt werden. Zugleich erwirbt die Tiefbohr¬
gesellschaft von dem übrigen Aktienkapital so viel, daß sie über die Majorität
verfügt. Die Mittel bringt sie auf durch Neuausgabe eigener Aktien, die ein
bedeutendes Agio besitzen (Kurs etwa 370 Prozent). Das Interessante ist uun,
daß die Deutsche Mineralölindustrie A. G., welche in Zukunft also der Kontrolle
der Tiefbohrgesellschaft unterstehen wird, ein Unternehmen ist, welches von
der Deutschen Petroleum-Aktiengesellschaft in Gemeinschaft mit
dem Schaaffhausenschen Bankverein und der Internationalen Bohrgesellschaft
gegründet worden ist. Hier kreuzen sich die Fäden, die zu den Interessen
eines anderen großen Öltrustes hinüberführen, nämlich zu deu Petroleum-
unternehmungen der Deutschen Bank. Denn die Deutsche Petroleum-
Aktiengesellschaft ist eine finanzielle Trustgesellschaft, welche von der Deutschen Bank
gegründet worden ist, um die großen Beteiligungen der Bank insbesondere an
der rumänischen Petroleumindustrie zu übernehmen. Hier handelt es sich um
ein noch weit verwickelteres Schachtelsnstem an Beteiligungs-, Kontroll- und
Finanzierungsgesellschaften. Die Deutsche Bau! hatte in Gemeinschaft mit dem
Wiener Bankverein Interesse an einer rumänischen Petroleumgesellschaft, der
Steaua Nomcmci, genommen. Schon die Vorgeschichte dieser Beteiligung ist
interessant durch das Entschieden besonderer Gründungsgesellschaften, der
Ungarischen Bank für Industrie und Handel und der Internationalen Petroleum-


Roichssxiegel

des neuen Reiches lag dies anders; glücklicherweise konnte daher die Gesetz¬
gebung die so überaus wichtigen Grundlagen für die spätere wirtschaftliche
Entwicklung, unsere Währung, die Münzverfassung, das Banknotenwesen im
Einklang mit den Anschauungen des Handelstags ausgestalten. Hat er aber
auch einen Teil seines Einflusses verloren, so ist seine Bedeutuug in: ganzen
doch nicht geringer geworden. Unter der Devise „Förderung des Gesamt¬
wohls durch Pflege der engeren Berufsinteressen" wird daher der Deutsche
Handelstag auch in Zukunft eine segensreiche Wirksamkeit für die Entwicklung
des deutschen Vaterlandes entfalten können.

Ein deutscher Erdöltrust gelangt durch die großzügigen Projekte zur
Entstehung, welche die Deutsche Tiefbohrgesellschaft soeben zur Ausführung
bringt. Die gesamte deutsche Erdölindustrie, sowohl die hannöverische als die
elsässische, wird in Zukunft in der Hand der genannten Gesellschaft vereinigt sein.
Die Mittel, mit denen dieses Ziel erreicht wird, sind recht kompliziert: Fusionen,
Liquidationen und Neugründungen laufen nebeneinander her, so daß es dem
Fernstehenden schwer fällt, sich in dem Konglomerat von Beteiligungen und
Uiltergesellschaften zurechtzufinden. In der Hauptsache läuft die Transaktion
darauf hinaus, daß die hannoverischen Ölinteressen der Tiefbohrgesellschaft, welche
bisher in den Vereinigten Norddeutschen Mineralölwerken zusammengefaßt waren,
auf die Deutsche Mineralölindustrie A. G. übergehen. Letztere zahlt
dafür 4 Millionen in eigenen Aktien, die ihr zu diesem Behuf (eine neuartige
und sehr eigentümliche Art gleichzeitiger Kapitalsrednktion und -erhöhung) voll
ihren Aktionären zur Verfügung gestellt werden. Zugleich erwirbt die Tiefbohr¬
gesellschaft von dem übrigen Aktienkapital so viel, daß sie über die Majorität
verfügt. Die Mittel bringt sie auf durch Neuausgabe eigener Aktien, die ein
bedeutendes Agio besitzen (Kurs etwa 370 Prozent). Das Interessante ist uun,
daß die Deutsche Mineralölindustrie A. G., welche in Zukunft also der Kontrolle
der Tiefbohrgesellschaft unterstehen wird, ein Unternehmen ist, welches von
der Deutschen Petroleum-Aktiengesellschaft in Gemeinschaft mit
dem Schaaffhausenschen Bankverein und der Internationalen Bohrgesellschaft
gegründet worden ist. Hier kreuzen sich die Fäden, die zu den Interessen
eines anderen großen Öltrustes hinüberführen, nämlich zu deu Petroleum-
unternehmungen der Deutschen Bank. Denn die Deutsche Petroleum-
Aktiengesellschaft ist eine finanzielle Trustgesellschaft, welche von der Deutschen Bank
gegründet worden ist, um die großen Beteiligungen der Bank insbesondere an
der rumänischen Petroleumindustrie zu übernehmen. Hier handelt es sich um
ein noch weit verwickelteres Schachtelsnstem an Beteiligungs-, Kontroll- und
Finanzierungsgesellschaften. Die Deutsche Bau! hatte in Gemeinschaft mit dem
Wiener Bankverein Interesse an einer rumänischen Petroleumgesellschaft, der
Steaua Nomcmci, genommen. Schon die Vorgeschichte dieser Beteiligung ist
interessant durch das Entschieden besonderer Gründungsgesellschaften, der
Ungarischen Bank für Industrie und Handel und der Internationalen Petroleum-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0346" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/318629"/>
            <fw type="header" place="top"> Roichssxiegel</fw><lb/>
            <p xml:id="ID_1568" prev="#ID_1567"> des neuen Reiches lag dies anders; glücklicherweise konnte daher die Gesetz¬<lb/>
gebung die so überaus wichtigen Grundlagen für die spätere wirtschaftliche<lb/>
Entwicklung, unsere Währung, die Münzverfassung, das Banknotenwesen im<lb/>
Einklang mit den Anschauungen des Handelstags ausgestalten. Hat er aber<lb/>
auch einen Teil seines Einflusses verloren, so ist seine Bedeutuug in: ganzen<lb/>
doch nicht geringer geworden. Unter der Devise &#x201E;Förderung des Gesamt¬<lb/>
wohls durch Pflege der engeren Berufsinteressen" wird daher der Deutsche<lb/>
Handelstag auch in Zukunft eine segensreiche Wirksamkeit für die Entwicklung<lb/>
des deutschen Vaterlandes entfalten können.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1569" next="#ID_1570"> Ein deutscher Erdöltrust gelangt durch die großzügigen Projekte zur<lb/>
Entstehung, welche die Deutsche Tiefbohrgesellschaft soeben zur Ausführung<lb/>
bringt.  Die gesamte deutsche Erdölindustrie, sowohl die hannöverische als die<lb/>
elsässische, wird in Zukunft in der Hand der genannten Gesellschaft vereinigt sein.<lb/>
Die Mittel, mit denen dieses Ziel erreicht wird, sind recht kompliziert: Fusionen,<lb/>
Liquidationen und Neugründungen laufen nebeneinander her, so daß es dem<lb/>
Fernstehenden schwer fällt, sich in dem Konglomerat von Beteiligungen und<lb/>
Uiltergesellschaften zurechtzufinden.  In der Hauptsache läuft die Transaktion<lb/>
darauf hinaus, daß die hannoverischen Ölinteressen der Tiefbohrgesellschaft, welche<lb/>
bisher in den Vereinigten Norddeutschen Mineralölwerken zusammengefaßt waren,<lb/>
auf die Deutsche Mineralölindustrie A. G. übergehen.  Letztere zahlt<lb/>
dafür 4 Millionen in eigenen Aktien, die ihr zu diesem Behuf (eine neuartige<lb/>
und sehr eigentümliche Art gleichzeitiger Kapitalsrednktion und -erhöhung) voll<lb/>
ihren Aktionären zur Verfügung gestellt werden.  Zugleich erwirbt die Tiefbohr¬<lb/>
gesellschaft von dem übrigen Aktienkapital so viel, daß sie über die Majorität<lb/>
verfügt.  Die Mittel bringt sie auf durch Neuausgabe eigener Aktien, die ein<lb/>
bedeutendes Agio besitzen (Kurs etwa 370 Prozent). Das Interessante ist uun,<lb/>
daß die Deutsche Mineralölindustrie A. G., welche in Zukunft also der Kontrolle<lb/>
der Tiefbohrgesellschaft unterstehen wird, ein Unternehmen ist, welches von<lb/>
der  Deutschen  Petroleum-Aktiengesellschaft  in  Gemeinschaft mit<lb/>
dem Schaaffhausenschen Bankverein und der Internationalen Bohrgesellschaft<lb/>
gegründet worden ist.  Hier kreuzen sich die Fäden, die zu den Interessen<lb/>
eines anderen großen Öltrustes hinüberführen, nämlich zu deu Petroleum-<lb/>
unternehmungen  der Deutschen Bank.  Denn  die Deutsche Petroleum-<lb/>
Aktiengesellschaft ist eine finanzielle Trustgesellschaft, welche von der Deutschen Bank<lb/>
gegründet worden ist, um die großen Beteiligungen der Bank insbesondere an<lb/>
der rumänischen Petroleumindustrie zu übernehmen.  Hier handelt es sich um<lb/>
ein noch weit verwickelteres Schachtelsnstem an Beteiligungs-, Kontroll- und<lb/>
Finanzierungsgesellschaften. Die Deutsche Bau! hatte in Gemeinschaft mit dem<lb/>
Wiener Bankverein Interesse an einer rumänischen Petroleumgesellschaft, der<lb/>
Steaua Nomcmci, genommen.  Schon die Vorgeschichte dieser Beteiligung ist<lb/>
interessant durch das Entschieden besonderer  Gründungsgesellschaften, der<lb/>
Ungarischen Bank für Industrie und Handel und der Internationalen Petroleum-</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0346] Roichssxiegel des neuen Reiches lag dies anders; glücklicherweise konnte daher die Gesetz¬ gebung die so überaus wichtigen Grundlagen für die spätere wirtschaftliche Entwicklung, unsere Währung, die Münzverfassung, das Banknotenwesen im Einklang mit den Anschauungen des Handelstags ausgestalten. Hat er aber auch einen Teil seines Einflusses verloren, so ist seine Bedeutuug in: ganzen doch nicht geringer geworden. Unter der Devise „Förderung des Gesamt¬ wohls durch Pflege der engeren Berufsinteressen" wird daher der Deutsche Handelstag auch in Zukunft eine segensreiche Wirksamkeit für die Entwicklung des deutschen Vaterlandes entfalten können. Ein deutscher Erdöltrust gelangt durch die großzügigen Projekte zur Entstehung, welche die Deutsche Tiefbohrgesellschaft soeben zur Ausführung bringt. Die gesamte deutsche Erdölindustrie, sowohl die hannöverische als die elsässische, wird in Zukunft in der Hand der genannten Gesellschaft vereinigt sein. Die Mittel, mit denen dieses Ziel erreicht wird, sind recht kompliziert: Fusionen, Liquidationen und Neugründungen laufen nebeneinander her, so daß es dem Fernstehenden schwer fällt, sich in dem Konglomerat von Beteiligungen und Uiltergesellschaften zurechtzufinden. In der Hauptsache läuft die Transaktion darauf hinaus, daß die hannoverischen Ölinteressen der Tiefbohrgesellschaft, welche bisher in den Vereinigten Norddeutschen Mineralölwerken zusammengefaßt waren, auf die Deutsche Mineralölindustrie A. G. übergehen. Letztere zahlt dafür 4 Millionen in eigenen Aktien, die ihr zu diesem Behuf (eine neuartige und sehr eigentümliche Art gleichzeitiger Kapitalsrednktion und -erhöhung) voll ihren Aktionären zur Verfügung gestellt werden. Zugleich erwirbt die Tiefbohr¬ gesellschaft von dem übrigen Aktienkapital so viel, daß sie über die Majorität verfügt. Die Mittel bringt sie auf durch Neuausgabe eigener Aktien, die ein bedeutendes Agio besitzen (Kurs etwa 370 Prozent). Das Interessante ist uun, daß die Deutsche Mineralölindustrie A. G., welche in Zukunft also der Kontrolle der Tiefbohrgesellschaft unterstehen wird, ein Unternehmen ist, welches von der Deutschen Petroleum-Aktiengesellschaft in Gemeinschaft mit dem Schaaffhausenschen Bankverein und der Internationalen Bohrgesellschaft gegründet worden ist. Hier kreuzen sich die Fäden, die zu den Interessen eines anderen großen Öltrustes hinüberführen, nämlich zu deu Petroleum- unternehmungen der Deutschen Bank. Denn die Deutsche Petroleum- Aktiengesellschaft ist eine finanzielle Trustgesellschaft, welche von der Deutschen Bank gegründet worden ist, um die großen Beteiligungen der Bank insbesondere an der rumänischen Petroleumindustrie zu übernehmen. Hier handelt es sich um ein noch weit verwickelteres Schachtelsnstem an Beteiligungs-, Kontroll- und Finanzierungsgesellschaften. Die Deutsche Bau! hatte in Gemeinschaft mit dem Wiener Bankverein Interesse an einer rumänischen Petroleumgesellschaft, der Steaua Nomcmci, genommen. Schon die Vorgeschichte dieser Beteiligung ist interessant durch das Entschieden besonderer Gründungsgesellschaften, der Ungarischen Bank für Industrie und Handel und der Internationalen Petroleum-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_318282
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_318282/346
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_318282/346>, abgerufen am 26.06.2024.