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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Zweites Vierteljahr.

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erhebliches Interesse daran, diese Verträge der beiden Werke entweder ganz zu
beseitigen oder selbst zu übernehmen. Dies deshalb, weil es für das Kalisyndikat
von höchster Bedeutung ist, sich den amerikanischen Markt, als den größten
Abnehmer, wieder zu erschließen und den Absatz nach den Vereinigten Staaten
selbst zu regeln. Eine Steigerung des Absatzes, und zwar eine außerordentliche
Steigerung, ist erforderlich, wenn die Kaliindustrie vor einer Produktionskrise
bewahrt bleiben soll. Sind doch seit Erlaß des Kaligesetzes Werke in einer
solchen Anzahl neu gegründet worden, daß schon jetzt an Stelle der ursprünglich
vorhandenen achtundsechzig mit hundertneunzig demnächst produzierenden Werken
gerechnet werden muß. Das Kalisnndikat ist also bereit, auch unter schweren
Opfern jene Verträge als eigene zu übernehmen. Die Opfer, die man ihm
zumutet, sind aber derart unerschwinglich, daß bisher alle Versuche einer Ver¬
ständigung gescheitert sind. Zunächst soll das Kalisyndikat das Werk Sollstedt
erwerben, dessen Kuxe sich sämtlich in der Hand des einen amerikanischen Dünger¬
trusts befinden. Der geforderte Preis beträgt aber nicht weniger als 20 Millionen
Mark und ist bisher nicht zugestanden worden. Sodann würde Aschersleben,
bei demi die Diskontogesellschaft zurzeit herrschenden Einfluß besitzt, für das
Aufgeben der Kontrakte, die ihm langjährige Beschäftigung und annehmbaren
Gewinn lassen (I^IL. wenn es die Überkontingentsabgabe nicht zu zahlen hat!)
zu entschädigen sein. Auch das wird einige Millionen kosten. Die Verständigung
ist also nicht leicht. Sie wird aber gefördert einmal durch den Zwang der
Verhältnisse, sodann durch den sanften Druck der beiden Regierungen. Diese
haben keine Neigung, den Streit wieder auf politisches Gebiet hinüberspielen zu
lassen, und raten dringend zur Verständigung. Man darf daher wohl hoffen,
daß diese für die weitere ruhige Entwicklung unserer Kaliindustrie so ungemein
wichtige Frage zu einer befriedigenden Lösung gebracht wird.

Dem Reichstag ist der im Vorjahr abgekehrte Entwurf eines Gesetzes über
die Ausgabe kleiner Aktien in den Konsulargerichtsbezirken wieder
zugegangen. Es soll in diesen Bezirken und in Kiautschou gestattet sein, Aktien
mit einen: Nominalbetrag von nur 200 Mark auszugeben. Man will sich also
dem englischen Aktienrecht nähern, welches bekanntlich die 1-Pfund-Sterling-Aktie
als Norm hat, und die Begründung des Entwurfs verweist ausdrücklich darauf,
daß namentlich in Ostasien zahlreiche deutsche Gesellschaften sich dem englischen
Recht unterstellen, weil dessen Formen handlicher sind und die Heranziehung
einheimischer Kapitalistenkreise gestatten. Diese Begründung bietet nichts Neues.
Die Wünsche der Interessenten gingen ja ursprünglich noch viel weiter. Man
wollte sür die gesamten Kolonialunternehmungen die kleine Aktie einführen und
den Handel in solchen auch in Deutschland gestatten. Es handelt sich hierbei
aber um ein gefährliches Beginnen. Wenn irgendeine Bestimmung unseres
Aktienrechts sich bewährt und als heilsam erwiesen hat, so ist es die Festsetzung
des hohen Nominalbetrages. Die 1000-Mark-Aktie bietet namentlich in Ver¬
bindung mit der baren Einzahlungspflicht einen guten Schutz gegen Schwindel-


Reichsspiegel

erhebliches Interesse daran, diese Verträge der beiden Werke entweder ganz zu
beseitigen oder selbst zu übernehmen. Dies deshalb, weil es für das Kalisyndikat
von höchster Bedeutung ist, sich den amerikanischen Markt, als den größten
Abnehmer, wieder zu erschließen und den Absatz nach den Vereinigten Staaten
selbst zu regeln. Eine Steigerung des Absatzes, und zwar eine außerordentliche
Steigerung, ist erforderlich, wenn die Kaliindustrie vor einer Produktionskrise
bewahrt bleiben soll. Sind doch seit Erlaß des Kaligesetzes Werke in einer
solchen Anzahl neu gegründet worden, daß schon jetzt an Stelle der ursprünglich
vorhandenen achtundsechzig mit hundertneunzig demnächst produzierenden Werken
gerechnet werden muß. Das Kalisnndikat ist also bereit, auch unter schweren
Opfern jene Verträge als eigene zu übernehmen. Die Opfer, die man ihm
zumutet, sind aber derart unerschwinglich, daß bisher alle Versuche einer Ver¬
ständigung gescheitert sind. Zunächst soll das Kalisyndikat das Werk Sollstedt
erwerben, dessen Kuxe sich sämtlich in der Hand des einen amerikanischen Dünger¬
trusts befinden. Der geforderte Preis beträgt aber nicht weniger als 20 Millionen
Mark und ist bisher nicht zugestanden worden. Sodann würde Aschersleben,
bei demi die Diskontogesellschaft zurzeit herrschenden Einfluß besitzt, für das
Aufgeben der Kontrakte, die ihm langjährige Beschäftigung und annehmbaren
Gewinn lassen (I^IL. wenn es die Überkontingentsabgabe nicht zu zahlen hat!)
zu entschädigen sein. Auch das wird einige Millionen kosten. Die Verständigung
ist also nicht leicht. Sie wird aber gefördert einmal durch den Zwang der
Verhältnisse, sodann durch den sanften Druck der beiden Regierungen. Diese
haben keine Neigung, den Streit wieder auf politisches Gebiet hinüberspielen zu
lassen, und raten dringend zur Verständigung. Man darf daher wohl hoffen,
daß diese für die weitere ruhige Entwicklung unserer Kaliindustrie so ungemein
wichtige Frage zu einer befriedigenden Lösung gebracht wird.

Dem Reichstag ist der im Vorjahr abgekehrte Entwurf eines Gesetzes über
die Ausgabe kleiner Aktien in den Konsulargerichtsbezirken wieder
zugegangen. Es soll in diesen Bezirken und in Kiautschou gestattet sein, Aktien
mit einen: Nominalbetrag von nur 200 Mark auszugeben. Man will sich also
dem englischen Aktienrecht nähern, welches bekanntlich die 1-Pfund-Sterling-Aktie
als Norm hat, und die Begründung des Entwurfs verweist ausdrücklich darauf,
daß namentlich in Ostasien zahlreiche deutsche Gesellschaften sich dem englischen
Recht unterstellen, weil dessen Formen handlicher sind und die Heranziehung
einheimischer Kapitalistenkreise gestatten. Diese Begründung bietet nichts Neues.
Die Wünsche der Interessenten gingen ja ursprünglich noch viel weiter. Man
wollte sür die gesamten Kolonialunternehmungen die kleine Aktie einführen und
den Handel in solchen auch in Deutschland gestatten. Es handelt sich hierbei
aber um ein gefährliches Beginnen. Wenn irgendeine Bestimmung unseres
Aktienrechts sich bewährt und als heilsam erwiesen hat, so ist es die Festsetzung
des hohen Nominalbetrages. Die 1000-Mark-Aktie bietet namentlich in Ver¬
bindung mit der baren Einzahlungspflicht einen guten Schutz gegen Schwindel-


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[0298] Reichsspiegel erhebliches Interesse daran, diese Verträge der beiden Werke entweder ganz zu beseitigen oder selbst zu übernehmen. Dies deshalb, weil es für das Kalisyndikat von höchster Bedeutung ist, sich den amerikanischen Markt, als den größten Abnehmer, wieder zu erschließen und den Absatz nach den Vereinigten Staaten selbst zu regeln. Eine Steigerung des Absatzes, und zwar eine außerordentliche Steigerung, ist erforderlich, wenn die Kaliindustrie vor einer Produktionskrise bewahrt bleiben soll. Sind doch seit Erlaß des Kaligesetzes Werke in einer solchen Anzahl neu gegründet worden, daß schon jetzt an Stelle der ursprünglich vorhandenen achtundsechzig mit hundertneunzig demnächst produzierenden Werken gerechnet werden muß. Das Kalisnndikat ist also bereit, auch unter schweren Opfern jene Verträge als eigene zu übernehmen. Die Opfer, die man ihm zumutet, sind aber derart unerschwinglich, daß bisher alle Versuche einer Ver¬ ständigung gescheitert sind. Zunächst soll das Kalisyndikat das Werk Sollstedt erwerben, dessen Kuxe sich sämtlich in der Hand des einen amerikanischen Dünger¬ trusts befinden. Der geforderte Preis beträgt aber nicht weniger als 20 Millionen Mark und ist bisher nicht zugestanden worden. Sodann würde Aschersleben, bei demi die Diskontogesellschaft zurzeit herrschenden Einfluß besitzt, für das Aufgeben der Kontrakte, die ihm langjährige Beschäftigung und annehmbaren Gewinn lassen (I^IL. wenn es die Überkontingentsabgabe nicht zu zahlen hat!) zu entschädigen sein. Auch das wird einige Millionen kosten. Die Verständigung ist also nicht leicht. Sie wird aber gefördert einmal durch den Zwang der Verhältnisse, sodann durch den sanften Druck der beiden Regierungen. Diese haben keine Neigung, den Streit wieder auf politisches Gebiet hinüberspielen zu lassen, und raten dringend zur Verständigung. Man darf daher wohl hoffen, daß diese für die weitere ruhige Entwicklung unserer Kaliindustrie so ungemein wichtige Frage zu einer befriedigenden Lösung gebracht wird. Dem Reichstag ist der im Vorjahr abgekehrte Entwurf eines Gesetzes über die Ausgabe kleiner Aktien in den Konsulargerichtsbezirken wieder zugegangen. Es soll in diesen Bezirken und in Kiautschou gestattet sein, Aktien mit einen: Nominalbetrag von nur 200 Mark auszugeben. Man will sich also dem englischen Aktienrecht nähern, welches bekanntlich die 1-Pfund-Sterling-Aktie als Norm hat, und die Begründung des Entwurfs verweist ausdrücklich darauf, daß namentlich in Ostasien zahlreiche deutsche Gesellschaften sich dem englischen Recht unterstellen, weil dessen Formen handlicher sind und die Heranziehung einheimischer Kapitalistenkreise gestatten. Diese Begründung bietet nichts Neues. Die Wünsche der Interessenten gingen ja ursprünglich noch viel weiter. Man wollte sür die gesamten Kolonialunternehmungen die kleine Aktie einführen und den Handel in solchen auch in Deutschland gestatten. Es handelt sich hierbei aber um ein gefährliches Beginnen. Wenn irgendeine Bestimmung unseres Aktienrechts sich bewährt und als heilsam erwiesen hat, so ist es die Festsetzung des hohen Nominalbetrages. Die 1000-Mark-Aktie bietet namentlich in Ver¬ bindung mit der baren Einzahlungspflicht einen guten Schutz gegen Schwindel-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_318282/298>, abgerufen am 01.07.2024.