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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Zweites Vierteljahr.

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Reformvorschläge für die deutschen Universitäten

ein Interesse an den Studienplänen. Es scheint deshalb billig, daß zu den
mit den Studienplänen im Zusammenhange stehenden Fakultätsberatungen auch
die beteiligten nicht ordentlichen Lehrkräfte oder wenigstens eine Anzahl von
ihnen gewählter Vertreter zugezogen werden. Unbedingt ist endlich, wenn über¬
haupt oder zurzeit ein Ordinarius für ein Fach nicht vorhanden ist, die Zuziehung
des das Fach vertretenden Extraordinarius geboten.

Eine andere mit der Organisation des Unterrichts zusammenhängende
Frage, bei der auch die nicht ordentlichen Lehrkräfte lebhaft interessiert sind, ist
die der Benutzung der Lehrräume und Lehrmittel der Universität. Insoweit es
sich hierbei um Jnstitutsräume und deren Ausstattung an Büchern und Samm¬
lungsgegenständen handelt, wird man freilich das Hausrecht der Institutsdirektoren
schon deshalb wahren müssen, weil sie für ihre pflegliche Benutzung die Ver¬
antwortung tragen. Nur den Abteilungsvorständen, wo solche vorhanden, würde
bezüglich ihrer Abteilungen ein selbständiges Benutzungsrecht einzuräumen sein.

Berufungsangelegenheiten. Bekanntlich haben die Fakultäten der
deutschen Universitäten nach Herkommen oder Kraft statutarischer Vorschrift in
Berusungsfällen der Regel nach das Recht und die Pflicht, der Regierung drei
Kandidaten vorzuschlagen. Der Wert dieser Einrichtung beruht auf der doppelten
Erwägung, daß einerseits bei der Fakultät eine genauere Personalkenntnis der
in Betracht kommenden Kandidaten zu erwarten ist, als sie in der Regel der
Anstellungsbehörde beiwohnt, anderseits bei der Fakultät ebenso wie bei der
Negierung das Interesse vorausgesetzt werden darf, die Lücke im Unterrichts¬
betrieb mit einer tüchtigen Kraft auszufüllen. Unter beiden Gesichtspunkten
gelangt man zur Bejahung der Frage nach der Beteiligung der nicht ordent¬
lichen Lehrkräfte an den Verhandlungen über die Berufungsvorschlage. Doch
erheischen gewisse Berufungsfälle noch eine besondere Berücksichtigung. Es kommt
nämlich namentlich in der philosophischen Fakultät nicht selten vor, daß zu der
Zeit, wo sie über Berufsvorschlägc zu beraten hat, kein eigentlicher Vertreter
des zu besetzenden Faches sich unter den Ordinarien befindet, oder daß doch nur
ein oder wenige Ordinarien den Kreis der etwa in Betracht zu ziehenden Lehrer
dieses Faches so genau kennen, um die geeignete Wahl treffen zu können. Hier
könnte die Zuziehung von nicht ordentlichen Lehrkräften dieses Fachgebiets für
die Fakultät sehr ersprießlich wirken. Wenn aber diese letzte Erwägung dazu
zu führen scheint, daß zu den Beratungen der Fakultät über Berufungsvorschläge
vor allem die Fachgenossen des zu Berufenden unter den nicht ordentlichen Lehr¬
kräften heranzuziehen seien, so begegnet gerade dies auf der anderen Seite
insofern Bedenken, als unter Umständen unter ihnen sich einer oder der andere
befinden kann, der selbst Aussicht haben könnte, auf die Vorschlagsliste zu kommen,
und dessen Teilnahme an den Beratungen deshalb störend wirken muß.

Nach alledem ist die Frage der Beteiligung nicht ordentlicher Lehrkräfte
an den Verhandlungen der Fakultät über ihre Berufungsvorschlnge nicht ein für
allemal, sondern nur von Fall zu Fall zu beantworten. Unter diesen Umständen


Reformvorschläge für die deutschen Universitäten

ein Interesse an den Studienplänen. Es scheint deshalb billig, daß zu den
mit den Studienplänen im Zusammenhange stehenden Fakultätsberatungen auch
die beteiligten nicht ordentlichen Lehrkräfte oder wenigstens eine Anzahl von
ihnen gewählter Vertreter zugezogen werden. Unbedingt ist endlich, wenn über¬
haupt oder zurzeit ein Ordinarius für ein Fach nicht vorhanden ist, die Zuziehung
des das Fach vertretenden Extraordinarius geboten.

Eine andere mit der Organisation des Unterrichts zusammenhängende
Frage, bei der auch die nicht ordentlichen Lehrkräfte lebhaft interessiert sind, ist
die der Benutzung der Lehrräume und Lehrmittel der Universität. Insoweit es
sich hierbei um Jnstitutsräume und deren Ausstattung an Büchern und Samm¬
lungsgegenständen handelt, wird man freilich das Hausrecht der Institutsdirektoren
schon deshalb wahren müssen, weil sie für ihre pflegliche Benutzung die Ver¬
antwortung tragen. Nur den Abteilungsvorständen, wo solche vorhanden, würde
bezüglich ihrer Abteilungen ein selbständiges Benutzungsrecht einzuräumen sein.

Berufungsangelegenheiten. Bekanntlich haben die Fakultäten der
deutschen Universitäten nach Herkommen oder Kraft statutarischer Vorschrift in
Berusungsfällen der Regel nach das Recht und die Pflicht, der Regierung drei
Kandidaten vorzuschlagen. Der Wert dieser Einrichtung beruht auf der doppelten
Erwägung, daß einerseits bei der Fakultät eine genauere Personalkenntnis der
in Betracht kommenden Kandidaten zu erwarten ist, als sie in der Regel der
Anstellungsbehörde beiwohnt, anderseits bei der Fakultät ebenso wie bei der
Negierung das Interesse vorausgesetzt werden darf, die Lücke im Unterrichts¬
betrieb mit einer tüchtigen Kraft auszufüllen. Unter beiden Gesichtspunkten
gelangt man zur Bejahung der Frage nach der Beteiligung der nicht ordent¬
lichen Lehrkräfte an den Verhandlungen über die Berufungsvorschlage. Doch
erheischen gewisse Berufungsfälle noch eine besondere Berücksichtigung. Es kommt
nämlich namentlich in der philosophischen Fakultät nicht selten vor, daß zu der
Zeit, wo sie über Berufsvorschlägc zu beraten hat, kein eigentlicher Vertreter
des zu besetzenden Faches sich unter den Ordinarien befindet, oder daß doch nur
ein oder wenige Ordinarien den Kreis der etwa in Betracht zu ziehenden Lehrer
dieses Faches so genau kennen, um die geeignete Wahl treffen zu können. Hier
könnte die Zuziehung von nicht ordentlichen Lehrkräften dieses Fachgebiets für
die Fakultät sehr ersprießlich wirken. Wenn aber diese letzte Erwägung dazu
zu führen scheint, daß zu den Beratungen der Fakultät über Berufungsvorschläge
vor allem die Fachgenossen des zu Berufenden unter den nicht ordentlichen Lehr¬
kräften heranzuziehen seien, so begegnet gerade dies auf der anderen Seite
insofern Bedenken, als unter Umständen unter ihnen sich einer oder der andere
befinden kann, der selbst Aussicht haben könnte, auf die Vorschlagsliste zu kommen,
und dessen Teilnahme an den Beratungen deshalb störend wirken muß.

Nach alledem ist die Frage der Beteiligung nicht ordentlicher Lehrkräfte
an den Verhandlungen der Fakultät über ihre Berufungsvorschlnge nicht ein für
allemal, sondern nur von Fall zu Fall zu beantworten. Unter diesen Umständen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_318282/265>, abgerufen am 26.06.2024.