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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Zweites Vierteljahr.

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Reformvorschläge für die deutschen Universitäten

Das letztere wird in Österreich als ein Mangel des Systems empfunden, dem
man voraussichtlich in der Weise abhelfen wird, daß den mit bestimmten unter¬
richtlichen Pflichten belasteten Extraordinarien der Zutritt zum Professoren¬
kollegium vor den übrigen außerordentlichen Professoren zugesichert wird. Hiervon
abgesehen, ist man in Österreich mit der geschilderten Ordnung wohl zufrieden.

Die Wünsche der außerordentlichen Lehrkräfte an den deutschen
Universitäten, in bezug auf ihre Teilnahme am korporativen Leben der Universität,
sind bisher nur von feiten der außerordentlichen Professoren an den preußischen
Universitäten in deren bei Creutz-Magdeburg 1911 veröffentlichter Denkschrift:
"Die Lage der außerordentlichen Professoren an den preußischen Universitäten"
formuliert worden. Die dort aufgestellten Forderungen gehen zum Teile nicht
nur erheblich über das Maß der nach dem oben mitgeteilten den Extraordinarien
der deutschen Technischen Hochschulen und der österreichischen Universitäten ein¬
geräumten Rechte hinaus, sondern geben auch nach Ansicht des Verfassers zu
Bedenken Anlaß. Der Verfasser möchte glauben, daß, soviel die Wahl des
Rektors und des landständischen Vertreters anlangt, die Teilnahme der etats¬
mäßigen außerordentlichen Professoren, wie sie in Leipzig und an den preußischen
Universitäten stattfindet, und soviel die Fakultätsverwaltung betrifft, die oben
angeführte österreichische Festsetzung, jedoch mit der auch dort in Aussicht
genommenen Verbesserung, das Richtige trifft. Doch wird es sich allerdings
empfehlen, auch den hiernach von der Fakultätsverwaltung im allgemeinen aus¬
geschlossen bleibenden außerordentlichen Lehrkräften einzelne dahin gehörige Rechte
insoweit zuzugestehen, als ein besonderes Interesse ihres Faches in Betracht
kommt. Wirft man aber weiter die Frage auf, in welchen Universitäts-
verwaltungsangelegenheiten ein solches Interesse wohl hervortreten kann, so
dürften drei Geschäftskreise zu nennen sein: die allgemeine Organisation des
Unterrichts, die Berufungsangelegenheiten und Prüfungsangelegenheiten.

Allgemeine Organisation des Unterrichts. Um die von ver¬
schiedenen Seiten bald auf Verkürzung, bald auf Verlängerung des Unterrichts in
den verschiedenen Fächern gerichteten Bestrebungen auszugleichen und jedem Berufs¬
studium innerhalb der üblichen Studienzeit einen methodischen und erschöpfenden
Studiengang zu sichern, empfiehlt sich die Aufstellung von Studienplänen,
in denen die in den einzelnen Abschnitten der Studienzeit zu erledigenden Vor¬
lesungen und Übungen mit Angabe der darauf zu verwendenden Zeit aufgeführt
sind. Ein solcher Studienplan ist selbstverständlich keine streng bindende Richt¬
schnur, wohl aber kann er den Studenten als Wegweiser zur angemessenen
Vorbereitung auf die von ihnen abzulegende Prüfung und den Dozenten, die
in den Prüfungsfächern Vorlesungen halten und Übungen machen lassen, als
Maßstab für deren zweckmäßige Einrichtung dienen. Schon weil nach dem
Grundsatze der Lernfreiheit die Studenten den Voraussetzungen für die Zulassung
zur Prüfung auch durch die Teilnahme an Vorlesungen und Übungen, die von
nicht ordentlichen Lehrkräften gehalten werden, genügen können, haben auch diese


Reformvorschläge für die deutschen Universitäten

Das letztere wird in Österreich als ein Mangel des Systems empfunden, dem
man voraussichtlich in der Weise abhelfen wird, daß den mit bestimmten unter¬
richtlichen Pflichten belasteten Extraordinarien der Zutritt zum Professoren¬
kollegium vor den übrigen außerordentlichen Professoren zugesichert wird. Hiervon
abgesehen, ist man in Österreich mit der geschilderten Ordnung wohl zufrieden.

Die Wünsche der außerordentlichen Lehrkräfte an den deutschen
Universitäten, in bezug auf ihre Teilnahme am korporativen Leben der Universität,
sind bisher nur von feiten der außerordentlichen Professoren an den preußischen
Universitäten in deren bei Creutz-Magdeburg 1911 veröffentlichter Denkschrift:
„Die Lage der außerordentlichen Professoren an den preußischen Universitäten"
formuliert worden. Die dort aufgestellten Forderungen gehen zum Teile nicht
nur erheblich über das Maß der nach dem oben mitgeteilten den Extraordinarien
der deutschen Technischen Hochschulen und der österreichischen Universitäten ein¬
geräumten Rechte hinaus, sondern geben auch nach Ansicht des Verfassers zu
Bedenken Anlaß. Der Verfasser möchte glauben, daß, soviel die Wahl des
Rektors und des landständischen Vertreters anlangt, die Teilnahme der etats¬
mäßigen außerordentlichen Professoren, wie sie in Leipzig und an den preußischen
Universitäten stattfindet, und soviel die Fakultätsverwaltung betrifft, die oben
angeführte österreichische Festsetzung, jedoch mit der auch dort in Aussicht
genommenen Verbesserung, das Richtige trifft. Doch wird es sich allerdings
empfehlen, auch den hiernach von der Fakultätsverwaltung im allgemeinen aus¬
geschlossen bleibenden außerordentlichen Lehrkräften einzelne dahin gehörige Rechte
insoweit zuzugestehen, als ein besonderes Interesse ihres Faches in Betracht
kommt. Wirft man aber weiter die Frage auf, in welchen Universitäts-
verwaltungsangelegenheiten ein solches Interesse wohl hervortreten kann, so
dürften drei Geschäftskreise zu nennen sein: die allgemeine Organisation des
Unterrichts, die Berufungsangelegenheiten und Prüfungsangelegenheiten.

Allgemeine Organisation des Unterrichts. Um die von ver¬
schiedenen Seiten bald auf Verkürzung, bald auf Verlängerung des Unterrichts in
den verschiedenen Fächern gerichteten Bestrebungen auszugleichen und jedem Berufs¬
studium innerhalb der üblichen Studienzeit einen methodischen und erschöpfenden
Studiengang zu sichern, empfiehlt sich die Aufstellung von Studienplänen,
in denen die in den einzelnen Abschnitten der Studienzeit zu erledigenden Vor¬
lesungen und Übungen mit Angabe der darauf zu verwendenden Zeit aufgeführt
sind. Ein solcher Studienplan ist selbstverständlich keine streng bindende Richt¬
schnur, wohl aber kann er den Studenten als Wegweiser zur angemessenen
Vorbereitung auf die von ihnen abzulegende Prüfung und den Dozenten, die
in den Prüfungsfächern Vorlesungen halten und Übungen machen lassen, als
Maßstab für deren zweckmäßige Einrichtung dienen. Schon weil nach dem
Grundsatze der Lernfreiheit die Studenten den Voraussetzungen für die Zulassung
zur Prüfung auch durch die Teilnahme an Vorlesungen und Übungen, die von
nicht ordentlichen Lehrkräften gehalten werden, genügen können, haben auch diese


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[0264] Reformvorschläge für die deutschen Universitäten Das letztere wird in Österreich als ein Mangel des Systems empfunden, dem man voraussichtlich in der Weise abhelfen wird, daß den mit bestimmten unter¬ richtlichen Pflichten belasteten Extraordinarien der Zutritt zum Professoren¬ kollegium vor den übrigen außerordentlichen Professoren zugesichert wird. Hiervon abgesehen, ist man in Österreich mit der geschilderten Ordnung wohl zufrieden. Die Wünsche der außerordentlichen Lehrkräfte an den deutschen Universitäten, in bezug auf ihre Teilnahme am korporativen Leben der Universität, sind bisher nur von feiten der außerordentlichen Professoren an den preußischen Universitäten in deren bei Creutz-Magdeburg 1911 veröffentlichter Denkschrift: „Die Lage der außerordentlichen Professoren an den preußischen Universitäten" formuliert worden. Die dort aufgestellten Forderungen gehen zum Teile nicht nur erheblich über das Maß der nach dem oben mitgeteilten den Extraordinarien der deutschen Technischen Hochschulen und der österreichischen Universitäten ein¬ geräumten Rechte hinaus, sondern geben auch nach Ansicht des Verfassers zu Bedenken Anlaß. Der Verfasser möchte glauben, daß, soviel die Wahl des Rektors und des landständischen Vertreters anlangt, die Teilnahme der etats¬ mäßigen außerordentlichen Professoren, wie sie in Leipzig und an den preußischen Universitäten stattfindet, und soviel die Fakultätsverwaltung betrifft, die oben angeführte österreichische Festsetzung, jedoch mit der auch dort in Aussicht genommenen Verbesserung, das Richtige trifft. Doch wird es sich allerdings empfehlen, auch den hiernach von der Fakultätsverwaltung im allgemeinen aus¬ geschlossen bleibenden außerordentlichen Lehrkräften einzelne dahin gehörige Rechte insoweit zuzugestehen, als ein besonderes Interesse ihres Faches in Betracht kommt. Wirft man aber weiter die Frage auf, in welchen Universitäts- verwaltungsangelegenheiten ein solches Interesse wohl hervortreten kann, so dürften drei Geschäftskreise zu nennen sein: die allgemeine Organisation des Unterrichts, die Berufungsangelegenheiten und Prüfungsangelegenheiten. Allgemeine Organisation des Unterrichts. Um die von ver¬ schiedenen Seiten bald auf Verkürzung, bald auf Verlängerung des Unterrichts in den verschiedenen Fächern gerichteten Bestrebungen auszugleichen und jedem Berufs¬ studium innerhalb der üblichen Studienzeit einen methodischen und erschöpfenden Studiengang zu sichern, empfiehlt sich die Aufstellung von Studienplänen, in denen die in den einzelnen Abschnitten der Studienzeit zu erledigenden Vor¬ lesungen und Übungen mit Angabe der darauf zu verwendenden Zeit aufgeführt sind. Ein solcher Studienplan ist selbstverständlich keine streng bindende Richt¬ schnur, wohl aber kann er den Studenten als Wegweiser zur angemessenen Vorbereitung auf die von ihnen abzulegende Prüfung und den Dozenten, die in den Prüfungsfächern Vorlesungen halten und Übungen machen lassen, als Maßstab für deren zweckmäßige Einrichtung dienen. Schon weil nach dem Grundsatze der Lernfreiheit die Studenten den Voraussetzungen für die Zulassung zur Prüfung auch durch die Teilnahme an Vorlesungen und Übungen, die von nicht ordentlichen Lehrkräften gehalten werden, genügen können, haben auch diese

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_318282/264>, abgerufen am 29.06.2024.