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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Zweites Vierteljahr.

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Richard Asch und die Reichsbanl

Staaten des Norddeutschen Bundes", und zwar zugleich mit Dr. Struck-
mann, dem nachmaligen Kölner Oberlandesgerichtspräsidenien, der aus einer
altbewährten Beamten- und Gelehrtenfamilie stammte. Eine Frucht der
damaligen gemeinsamen Arbeit beider Männer war der bekannte Struckmann-
Kochsche Kommentar zur Zivilprozeßordnung, der 1910 in neunter Auflage
erschienen ist.

Die schon mit der Berufung in die Zivilprozeßkommission unterbrochene
richterliche Tätigkeit Kochs wurde nach Auflösung dieser Kommission durch ein
Ereignis beendet, das für seinen künftigen Lebensgang entscheidend war.
In Nancy, wohin er im Kriege von 1870 einen Sanitätszug des Roten
Kreuzes geleitet hatte, erhielt er zu seiner Überraschung die Aufforderung, als
Hilfsarbeiter in das Bankdirektorium der Preußischen Bank einzutreten, deren
Präsident v. Dechend wohl wesentlich durch Kochs Schriften auf ihn aufmerksam
geworden war. Ein Jahr später, am 24. März 1871, wurde der Siebenund-
dreißigjährige zum Mitglied und Justitiar dieser Behörde ernannt, um dann
an dem Tage, an dem die Neichsbcmk ins Leben trat, also am 1. Januar 1876,
Mitglied und Justitiar des Neichsbankdirektoriums zu werden, in dem er 1887
die neu geschaffene Stelle eines Vizepräsidenten erhielt. Am 23. Mai 1890 ist
er dann Präsident des Neichsbankdirektoriums geworden und hat dieses wichtige
und verantwortliche Amt fast achtzehn Jahre, bis zum 31. Dezember 1907,
bekleidet.

Die Ziele und die Eigenart seiner Aufgaben und seiner Tätigkeit in dieser
Stellung lassen sich kaum verstehen ohne eine kurze Hindeutung aus die Ver¬
hältnisse, die im Münz-, Geld- und Notenbankwesen bestanden, als Koch in der
Mitte des vorigen Jahrhunderts seine Studien begann, und auf diejenigen,
welche er beim Eintritt in das Bankdirektorium vorfand.

Im Jahre 1850, als Koch die Universität Berlin bezog, bestanden, was
noch bis zum Aufang der siebziger Jahre andauerte, nicht weniger als sieben
Münzsysteme in den deutschen Staateil, die, mit Ausnahme des in Bremen
geltenden, durchweg ans der Silberwährung beruhten; der durch die sieben Münz¬
systeme entstandene Wirrwarr war um so größer, als kein Staat verpflichtet war,
die Münzen eines anderen deutschen Staates zuzulassen. Eine fast noch größere
Unordnung herrschte auf dem Gebiete des Papiergeldes. Überall gab es sogenannte
"Wilde Scheine", die man außerhalb ihres Gebiets schwer und nur mit Verlust
anbringen konnte und die man doch beständig wieder erhielt; lediglich die sechs
kleinsten Länder des staatenreichen Deutschlands hatten kein Papiergeld ausgegeben
Dazu kam noch das von Eisenbahngesellschaften und sonstigen Korporationen
auf Grund besonderer Privilegien ausgegebene Papiergeld, und seit der Mitte
der fünfziger Jahre der gewaltige Betrag ungedeckter Banknoten der Privat¬
notenbanken, von denen damals allein in Preußen neun bestanden und die in
immer größerer Zahl, schou als äußerer Ausdruck der Finanzhoheit der vielen
deutschen Souveräne, in den einzelnen deutschen Staaten konzessioniert wurden.


Richard Asch und die Reichsbanl

Staaten des Norddeutschen Bundes", und zwar zugleich mit Dr. Struck-
mann, dem nachmaligen Kölner Oberlandesgerichtspräsidenien, der aus einer
altbewährten Beamten- und Gelehrtenfamilie stammte. Eine Frucht der
damaligen gemeinsamen Arbeit beider Männer war der bekannte Struckmann-
Kochsche Kommentar zur Zivilprozeßordnung, der 1910 in neunter Auflage
erschienen ist.

Die schon mit der Berufung in die Zivilprozeßkommission unterbrochene
richterliche Tätigkeit Kochs wurde nach Auflösung dieser Kommission durch ein
Ereignis beendet, das für seinen künftigen Lebensgang entscheidend war.
In Nancy, wohin er im Kriege von 1870 einen Sanitätszug des Roten
Kreuzes geleitet hatte, erhielt er zu seiner Überraschung die Aufforderung, als
Hilfsarbeiter in das Bankdirektorium der Preußischen Bank einzutreten, deren
Präsident v. Dechend wohl wesentlich durch Kochs Schriften auf ihn aufmerksam
geworden war. Ein Jahr später, am 24. März 1871, wurde der Siebenund-
dreißigjährige zum Mitglied und Justitiar dieser Behörde ernannt, um dann
an dem Tage, an dem die Neichsbcmk ins Leben trat, also am 1. Januar 1876,
Mitglied und Justitiar des Neichsbankdirektoriums zu werden, in dem er 1887
die neu geschaffene Stelle eines Vizepräsidenten erhielt. Am 23. Mai 1890 ist
er dann Präsident des Neichsbankdirektoriums geworden und hat dieses wichtige
und verantwortliche Amt fast achtzehn Jahre, bis zum 31. Dezember 1907,
bekleidet.

Die Ziele und die Eigenart seiner Aufgaben und seiner Tätigkeit in dieser
Stellung lassen sich kaum verstehen ohne eine kurze Hindeutung aus die Ver¬
hältnisse, die im Münz-, Geld- und Notenbankwesen bestanden, als Koch in der
Mitte des vorigen Jahrhunderts seine Studien begann, und auf diejenigen,
welche er beim Eintritt in das Bankdirektorium vorfand.

Im Jahre 1850, als Koch die Universität Berlin bezog, bestanden, was
noch bis zum Aufang der siebziger Jahre andauerte, nicht weniger als sieben
Münzsysteme in den deutschen Staateil, die, mit Ausnahme des in Bremen
geltenden, durchweg ans der Silberwährung beruhten; der durch die sieben Münz¬
systeme entstandene Wirrwarr war um so größer, als kein Staat verpflichtet war,
die Münzen eines anderen deutschen Staates zuzulassen. Eine fast noch größere
Unordnung herrschte auf dem Gebiete des Papiergeldes. Überall gab es sogenannte
„Wilde Scheine", die man außerhalb ihres Gebiets schwer und nur mit Verlust
anbringen konnte und die man doch beständig wieder erhielt; lediglich die sechs
kleinsten Länder des staatenreichen Deutschlands hatten kein Papiergeld ausgegeben
Dazu kam noch das von Eisenbahngesellschaften und sonstigen Korporationen
auf Grund besonderer Privilegien ausgegebene Papiergeld, und seit der Mitte
der fünfziger Jahre der gewaltige Betrag ungedeckter Banknoten der Privat¬
notenbanken, von denen damals allein in Preußen neun bestanden und die in
immer größerer Zahl, schou als äußerer Ausdruck der Finanzhoheit der vielen
deutschen Souveräne, in den einzelnen deutschen Staaten konzessioniert wurden.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_318282/24>, abgerufen am 01.07.2024.