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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Erstes Vierteljahr.

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Ans Briefen der werthcrzeit

Deinet an Nicolai:

Frankfurt, den 19. November 1774,

Herr Weygcmdt jGoethes Verleger in Leipzigs scheint viele Feinde zu
haben. Alles wird ihm brühwarm nachgedruckt. Puppenspiel ü 12 Kreuzer,
Werther ä 30 Kreuzer usw. werden einem ins Haus gebracht. Übrigens
machen diese 2 Produkte von Göthe großes Aufsehen. Wer den Schlüssel zu
Werthern hat, erschrickt über manche Satyre, die sich bloß in Frankfurt
erschließt, und doch braucht man keinen Schlüssel, um das Ganze mit Ver¬
gnügen zu lesen. So ist der Brief vom 15. September im 2ten Theil die
Geschichte eines hiesigen Pfarrhauses, das ich nun freylich nicht öffentlich
sagen möchte.




Deinet an Nicolai:

Frankfurt, den 21. Februar 1775.

Empfangen Sie meinen Dank, vortrefflicher Mann, für Ihre Freuden
des Werthers. . . . Dem Vernehmen nach werden Sie eine Lanze zu brechen
bekommen! Zween rüstige Reuter! wollen sehn -- wer den Sieg davon
tragen wird. Von Goue zu Braunschweig soll der Verfasser der Berichtigung
der Lenden des jungen Werthers seyn. . . . Nun sollen auch schon letzte
Stunden des jungen Werthers erschienen seyn. Alles Werther --




Petersen an Nicolai:

Straßburg, den 5. März 1775.

. , . Vor 6 Tagen ist mir Ihre neue Schrift die Freuden Werthers
zugesandt worden. Ich danke Ihnen aufrichtig für dieses Geschenk, welches
mir vieles Vergnügen verursacht hat. Längstens habe ich so etwas gegen
Göthen gewünscht, bey den: der von allen Orten zu ihm aufsteigende Weyrcmch
unmöglich gute Wirkungen hervorbringen kann. I^Von Nicolais Hand: "Ihr
Beyfall ist mir sehr schmeichelhaft. Herr Göthe ist sehr böse darüber geworden,
wie auch sein Prometheus zeigt. Wenn Sie mehrere Nachrichten von dem
Schicksale meines kleinen Buches in dortigen Gegenden erhalten, so verbinden
Sie mich, wenn Sie mir etwas davon melden. Sie haben ja Herrn Lenz
nahe, bey sich; dieser junge Mann geht auch in seiner theatralischen Ver¬
besserung oder vielmehr Verschlimmerung zu weit. Zu welchen Thorheiten
doch die Begierde, original zu seyn, führen kann.")




Hoepfner an Boie:

Gießen, den 18. April 1775.

Göthe versicherte, daß er nicht einmal wüßte, wer den Prometheus gemacht
habe. Endlich kommt Wagner, der Verfasser der confiscablen Erzählungen,
zu Göthe und sagt: ich hab's gethan. Ich weiß nicht, was ich davon denken
soll. Die Erzählungen sind zu mittelmäßig und Prometheus zu gut: als daß
Einer beyde gemacht haben könnte; wenigstens glaublich ist's nicht. Ist's


Ans Briefen der werthcrzeit

Deinet an Nicolai:

Frankfurt, den 19. November 1774,

Herr Weygcmdt jGoethes Verleger in Leipzigs scheint viele Feinde zu
haben. Alles wird ihm brühwarm nachgedruckt. Puppenspiel ü 12 Kreuzer,
Werther ä 30 Kreuzer usw. werden einem ins Haus gebracht. Übrigens
machen diese 2 Produkte von Göthe großes Aufsehen. Wer den Schlüssel zu
Werthern hat, erschrickt über manche Satyre, die sich bloß in Frankfurt
erschließt, und doch braucht man keinen Schlüssel, um das Ganze mit Ver¬
gnügen zu lesen. So ist der Brief vom 15. September im 2ten Theil die
Geschichte eines hiesigen Pfarrhauses, das ich nun freylich nicht öffentlich
sagen möchte.




Deinet an Nicolai:

Frankfurt, den 21. Februar 1775.

Empfangen Sie meinen Dank, vortrefflicher Mann, für Ihre Freuden
des Werthers. . . . Dem Vernehmen nach werden Sie eine Lanze zu brechen
bekommen! Zween rüstige Reuter! wollen sehn — wer den Sieg davon
tragen wird. Von Goue zu Braunschweig soll der Verfasser der Berichtigung
der Lenden des jungen Werthers seyn. . . . Nun sollen auch schon letzte
Stunden des jungen Werthers erschienen seyn. Alles Werther —




Petersen an Nicolai:

Straßburg, den 5. März 1775.

. , . Vor 6 Tagen ist mir Ihre neue Schrift die Freuden Werthers
zugesandt worden. Ich danke Ihnen aufrichtig für dieses Geschenk, welches
mir vieles Vergnügen verursacht hat. Längstens habe ich so etwas gegen
Göthen gewünscht, bey den: der von allen Orten zu ihm aufsteigende Weyrcmch
unmöglich gute Wirkungen hervorbringen kann. I^Von Nicolais Hand: „Ihr
Beyfall ist mir sehr schmeichelhaft. Herr Göthe ist sehr böse darüber geworden,
wie auch sein Prometheus zeigt. Wenn Sie mehrere Nachrichten von dem
Schicksale meines kleinen Buches in dortigen Gegenden erhalten, so verbinden
Sie mich, wenn Sie mir etwas davon melden. Sie haben ja Herrn Lenz
nahe, bey sich; dieser junge Mann geht auch in seiner theatralischen Ver¬
besserung oder vielmehr Verschlimmerung zu weit. Zu welchen Thorheiten
doch die Begierde, original zu seyn, führen kann.")




Hoepfner an Boie:

Gießen, den 18. April 1775.

Göthe versicherte, daß er nicht einmal wüßte, wer den Prometheus gemacht
habe. Endlich kommt Wagner, der Verfasser der confiscablen Erzählungen,
zu Göthe und sagt: ich hab's gethan. Ich weiß nicht, was ich davon denken
soll. Die Erzählungen sind zu mittelmäßig und Prometheus zu gut: als daß
Einer beyde gemacht haben könnte; wenigstens glaublich ist's nicht. Ist's


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_317612/573>, abgerufen am 24.07.2024.