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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Erstes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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Paguiechef führt in jedem Jahre Leute, die
er als unverbesserliche Rekruten bekommen
hat, als ordentliche Menschen wieder dem
Elternhause zu; er hat eine große Praxis in
der Erziehung zum Gehorsam und zur
Pflichterfüllung, in der Handhabung der
Disziplinarstrafgewalt; er wird sich daher in
seinen Mitteln kaum vergreifen, und darum
dürsten sich ehemalige Offiziere vorzugsweise
für den Posten als Direktor einer Fürsorge-
anstnlt eignen.

Es gibt heutzutage eine Menge älterer
Offiziere, die den hochgespannter Anforde¬
rungen des Praktischen Dienstes körperlich
nicht mehr voll gewachsen sind und daher
vorzeitig den Abschied nehmen müssen, die
aber noch rüstig genug sind, um eine der¬
artige erzieherischeStellung auszufüllen, und
die bereit sein würden, diese schwierige, aber
ehrenvolle Arbeit zu übernehmen.

Man suche sie -- sie werden sich finden!

Vberst a, D, v, Korncitzki-
Volkswirtschaft

Dr. Gustav Stresemann, Wirtschafts-
PolitischeZeitfragen. Dresden. F.EmilBoden.

Wer einmal in? Reichstage oder in einer
großen wirtschaftlichen oder Politischen Ver¬
sammlung Gustav Stresemann sprechen gehört
hat, wird gern zu dem 213 Seiten starken
Bande Vortrüge und Reden greifen, den er
uns auf den Weihnachtstisch gelegt hat. Es
sind natürlich nicht alle Reden, die Stresemann
in seinem Leben gehalten hat, sondern an¬
scheinend nur jene, in denen er seine Stellung
zu den wichtigsten Fragen der nationalen
Wirtschaft näher kennzeichnet. Wir finden da
einen Bortrng überdieWirkungderWarenhaus-
steuer auf die Industrie, über den Zusammen¬
schluß der deutschen Arbeitgeber, über die
Stellung der Industrie zur Frage der
Pensionsversicherung. Ein im Deutschen
Flottenverein gehaltener Vortrag spricht von
Flotte, Weltwirtschaft und Volk, ein anderer
von den Seeinteressen Sachsens; zwei Vor¬
trüge: "Jndnstriepolitik" sowie "Industrie und
Gesetzgebung" führen in den großen Kampf
ein, der gegenwärtig das Politische Leben in
Deutschland beherrscht. Den Schluß der

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Sammlung bilden drei kurze Tischreden,
an deren Stelle ich mir ein Vor- und ein Schlu߬
wort gewünscht hätte, in denen der Autor den
roten Faden gezeigt, den er durch alle
seine Ausführungen spinnt. Zwar findet
jeder, der dus Buch auch nur flüchtig durch¬
blättert, diesen Faden von selbst, denn der
Autor weiß seine Gedanken in eine leicht
faßliche Form zu kleiden, aber die Ver¬
breitung der Ansichten in einem weiteren
Kreise wird durch den gekennzeichneten Mangel
erschwert. Bei der nächsten Auflage wird
hoffentlich die Ergänzung erfolgen, die um so
mehr Nutzen bringen dürfte, wenn auch ein
Personen- und Sachregister das Buch ver¬
vollständigte. Dann wäre die Sammlung
auch für deu Praktischen Gebrauch ein hervor¬
ragendes Handbuch über die wichtigsten
wirtschaftspolitischen Fragen unserer Zeit, das
jeder mit Erfolg verwenden könnte, der sich
auch nur als Laie über den Stand der
inneren Politik unterrichten möchte.

Den roten Faden in den Vortrügen
Stresemanns bildet das Bestreben, dein
Handel und der Industrie zu zeigen, daß
die sie einenden Interessen erheblich größer
seien als die trennenden. Er zeigt das,
wenn er im Jahre 19t)2 gegen die Warenhaus¬
steuer auftritt, wenn er zwei Jahre später
den Zusammenschluß aller Arbeitgeber fordert.
Im Herbst 1906 weiß er aus dein Zusammen¬
schluß auch den allgemeinen Segen für die¬
jenigen Kreise herzuleiten, die Schmoller mit
dem Namen des neuen Mittelstandes bezeichnet.
Diesen neuen Mittelstand gilt es dach eine
verständige Versicherungsgesetzgebung vor dem
zersetzenden Einfluß der Sozinldemokrcitie zu
bewahren. Sache der Unternehmer sei es,
besonders in dieser Frage die Initiative zu
ergreifen, damit es den Privatangestellten
zum Bewußtsein käme, wie sehr sie und
Handel und Industrie ein Ganzes bilden.
Stresemanns Vertrauen in die guten Kräfte
der Nation spüren wir besonders in dem
Vortrage "Die Arbeiterschaft und die nationalen
Fragen der Gegenwart". Dort tritt uns der
vertrauensvolle Optimismus entgegen, der
letzten Endes den im übrigen tüchtigen
Politiker doch erst befähigt, seinem Volk auch
A. G. Führer zu sein.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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Paguiechef führt in jedem Jahre Leute, die
er als unverbesserliche Rekruten bekommen
hat, als ordentliche Menschen wieder dem
Elternhause zu; er hat eine große Praxis in
der Erziehung zum Gehorsam und zur
Pflichterfüllung, in der Handhabung der
Disziplinarstrafgewalt; er wird sich daher in
seinen Mitteln kaum vergreifen, und darum
dürsten sich ehemalige Offiziere vorzugsweise
für den Posten als Direktor einer Fürsorge-
anstnlt eignen.

Es gibt heutzutage eine Menge älterer
Offiziere, die den hochgespannter Anforde¬
rungen des Praktischen Dienstes körperlich
nicht mehr voll gewachsen sind und daher
vorzeitig den Abschied nehmen müssen, die
aber noch rüstig genug sind, um eine der¬
artige erzieherischeStellung auszufüllen, und
die bereit sein würden, diese schwierige, aber
ehrenvolle Arbeit zu übernehmen.

Man suche sie — sie werden sich finden!

Vberst a, D, v, Korncitzki-
Volkswirtschaft

Dr. Gustav Stresemann, Wirtschafts-
PolitischeZeitfragen. Dresden. F.EmilBoden.

Wer einmal in? Reichstage oder in einer
großen wirtschaftlichen oder Politischen Ver¬
sammlung Gustav Stresemann sprechen gehört
hat, wird gern zu dem 213 Seiten starken
Bande Vortrüge und Reden greifen, den er
uns auf den Weihnachtstisch gelegt hat. Es
sind natürlich nicht alle Reden, die Stresemann
in seinem Leben gehalten hat, sondern an¬
scheinend nur jene, in denen er seine Stellung
zu den wichtigsten Fragen der nationalen
Wirtschaft näher kennzeichnet. Wir finden da
einen Bortrng überdieWirkungderWarenhaus-
steuer auf die Industrie, über den Zusammen¬
schluß der deutschen Arbeitgeber, über die
Stellung der Industrie zur Frage der
Pensionsversicherung. Ein im Deutschen
Flottenverein gehaltener Vortrag spricht von
Flotte, Weltwirtschaft und Volk, ein anderer
von den Seeinteressen Sachsens; zwei Vor¬
trüge: „Jndnstriepolitik" sowie „Industrie und
Gesetzgebung" führen in den großen Kampf
ein, der gegenwärtig das Politische Leben in
Deutschland beherrscht. Den Schluß der

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Sammlung bilden drei kurze Tischreden,
an deren Stelle ich mir ein Vor- und ein Schlu߬
wort gewünscht hätte, in denen der Autor den
roten Faden gezeigt, den er durch alle
seine Ausführungen spinnt. Zwar findet
jeder, der dus Buch auch nur flüchtig durch¬
blättert, diesen Faden von selbst, denn der
Autor weiß seine Gedanken in eine leicht
faßliche Form zu kleiden, aber die Ver¬
breitung der Ansichten in einem weiteren
Kreise wird durch den gekennzeichneten Mangel
erschwert. Bei der nächsten Auflage wird
hoffentlich die Ergänzung erfolgen, die um so
mehr Nutzen bringen dürfte, wenn auch ein
Personen- und Sachregister das Buch ver¬
vollständigte. Dann wäre die Sammlung
auch für deu Praktischen Gebrauch ein hervor¬
ragendes Handbuch über die wichtigsten
wirtschaftspolitischen Fragen unserer Zeit, das
jeder mit Erfolg verwenden könnte, der sich
auch nur als Laie über den Stand der
inneren Politik unterrichten möchte.

Den roten Faden in den Vortrügen
Stresemanns bildet das Bestreben, dein
Handel und der Industrie zu zeigen, daß
die sie einenden Interessen erheblich größer
seien als die trennenden. Er zeigt das,
wenn er im Jahre 19t)2 gegen die Warenhaus¬
steuer auftritt, wenn er zwei Jahre später
den Zusammenschluß aller Arbeitgeber fordert.
Im Herbst 1906 weiß er aus dein Zusammen¬
schluß auch den allgemeinen Segen für die¬
jenigen Kreise herzuleiten, die Schmoller mit
dem Namen des neuen Mittelstandes bezeichnet.
Diesen neuen Mittelstand gilt es dach eine
verständige Versicherungsgesetzgebung vor dem
zersetzenden Einfluß der Sozinldemokrcitie zu
bewahren. Sache der Unternehmer sei es,
besonders in dieser Frage die Initiative zu
ergreifen, damit es den Privatangestellten
zum Bewußtsein käme, wie sehr sie und
Handel und Industrie ein Ganzes bilden.
Stresemanns Vertrauen in die guten Kräfte
der Nation spüren wir besonders in dem
Vortrage „Die Arbeiterschaft und die nationalen
Fragen der Gegenwart". Dort tritt uns der
vertrauensvolle Optimismus entgegen, der
letzten Endes den im übrigen tüchtigen
Politiker doch erst befähigt, seinem Volk auch
A. G. Führer zu sein.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_317612/57>, abgerufen am 24.07.2024.