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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Erstes Vierteljahr.

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Aus Briefen der Wertherzeit

ich weiß nicht, so faul, oder gleichgültig oder bescheiden, daß ihn der Autor¬
ruhm im mindesten nicht mehr rührt.




Hoepfner an Boie:

Cassel, den 31. Januar 1771.

Ich habe -- was dächten Sie wohl? -- eine Ode von Klonstock? Das
ist etwas, aber Sie haben doch nicht alles errathen. Seine allerneuste Ode
besitze ich, die er an Herder, Herder an Merck und dieser an mich geschickt
hat, ein Stück, das sich von allen bisher bekannten Klopstockischen Oden auf
eine außerordentliche Art unterscheidet. Den Inhalt wollen Sie wissen? Nicht
so, mein Freund. Sie haben mich lange genug zappeln lassen. Dießmal
müssen Sie gestraft werden. Schicken Sie mir eine Ode an die Freunde, so
sollen Sie mit der nächsten Post mein Stück bekommen. Merck besitzt eine
große Menge Balladen, Lappländische Lieder, übersetzte Lieder aus Shake¬
speare pppp. von Herdern, wovon Sie vieles haben sollen, wann Sie aus
Ihrem Archive etwas hergeben wollen und mir zugleich die Romanze Jupiter
und Europa bald möglichst schicken.




Hoepfner an Boie:

Cassel, den 4. Februar 1771.

. . . "Lieder aus den: Ossian, Shakespear Ballads, Elegien, Serenaden,
altdeutsche Fabeln und andere merkwürdige Stückchen zwischen Herdern und
mir soll Herr Boie haben, sobald man sieht, ob auch er etwas geben will."
So schreibt Merck. Wonach man sich zu achten. Wir bleiben Euch vou ganzem
Herzen gewogen.




Hoepfner an Boie:

Cassel, den 11. Februar 1771.


Liebster Freund!

In diesem Augenblicke erhalte ich beyliegenden Brief des Herrn Gehennraths
Hesse in Darmstadt. Lassen Sie diesen braven Mann, der Ihnen in andern
Gelegenheiten Gegengefälligkeiten erzeigen kann, keine Fehlbitte thun. Daß
Sie nichts mehr von Klopstock haben, dürfen Sie nicht vorgeben. Dann Sie
sind schon durch mich verrathen worden. Und was können Sie auch für
Bedenklichkeiten haben, die Oden herzugeben. Klopstocks Einwilligung, wann
er wüßte, daß eine Fürstin, die selbst den Homer in der Grundsprache liest,
seine Oden verlangt, ist höchst wahrscheinlich. Wissen Sie dann schon, daß
ich Professor in Gießen werden soll? Heute ist mir die sollenne Vocation
zugeschickt wordeu. Gott weiß, was ich für einen Entschluß fassen soll.




Hoepfner an Boie:

Gießen, den 29. Juni 1771.

Ich muß Ihnen etwas erzählen. Sie wissen doch, daß man in Darmstadt
Klopstocks Oben gedruckt hat, :Z4mal zwar nur, aber doch ohne Ihr und


Aus Briefen der Wertherzeit

ich weiß nicht, so faul, oder gleichgültig oder bescheiden, daß ihn der Autor¬
ruhm im mindesten nicht mehr rührt.




Hoepfner an Boie:

Cassel, den 31. Januar 1771.

Ich habe — was dächten Sie wohl? — eine Ode von Klonstock? Das
ist etwas, aber Sie haben doch nicht alles errathen. Seine allerneuste Ode
besitze ich, die er an Herder, Herder an Merck und dieser an mich geschickt
hat, ein Stück, das sich von allen bisher bekannten Klopstockischen Oden auf
eine außerordentliche Art unterscheidet. Den Inhalt wollen Sie wissen? Nicht
so, mein Freund. Sie haben mich lange genug zappeln lassen. Dießmal
müssen Sie gestraft werden. Schicken Sie mir eine Ode an die Freunde, so
sollen Sie mit der nächsten Post mein Stück bekommen. Merck besitzt eine
große Menge Balladen, Lappländische Lieder, übersetzte Lieder aus Shake¬
speare pppp. von Herdern, wovon Sie vieles haben sollen, wann Sie aus
Ihrem Archive etwas hergeben wollen und mir zugleich die Romanze Jupiter
und Europa bald möglichst schicken.




Hoepfner an Boie:

Cassel, den 4. Februar 1771.

. . . „Lieder aus den: Ossian, Shakespear Ballads, Elegien, Serenaden,
altdeutsche Fabeln und andere merkwürdige Stückchen zwischen Herdern und
mir soll Herr Boie haben, sobald man sieht, ob auch er etwas geben will."
So schreibt Merck. Wonach man sich zu achten. Wir bleiben Euch vou ganzem
Herzen gewogen.




Hoepfner an Boie:

Cassel, den 11. Februar 1771.


Liebster Freund!

In diesem Augenblicke erhalte ich beyliegenden Brief des Herrn Gehennraths
Hesse in Darmstadt. Lassen Sie diesen braven Mann, der Ihnen in andern
Gelegenheiten Gegengefälligkeiten erzeigen kann, keine Fehlbitte thun. Daß
Sie nichts mehr von Klopstock haben, dürfen Sie nicht vorgeben. Dann Sie
sind schon durch mich verrathen worden. Und was können Sie auch für
Bedenklichkeiten haben, die Oden herzugeben. Klopstocks Einwilligung, wann
er wüßte, daß eine Fürstin, die selbst den Homer in der Grundsprache liest,
seine Oden verlangt, ist höchst wahrscheinlich. Wissen Sie dann schon, daß
ich Professor in Gießen werden soll? Heute ist mir die sollenne Vocation
zugeschickt wordeu. Gott weiß, was ich für einen Entschluß fassen soll.




Hoepfner an Boie:

Gießen, den 29. Juni 1771.

Ich muß Ihnen etwas erzählen. Sie wissen doch, daß man in Darmstadt
Klopstocks Oben gedruckt hat, :Z4mal zwar nur, aber doch ohne Ihr und


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[0482] Aus Briefen der Wertherzeit ich weiß nicht, so faul, oder gleichgültig oder bescheiden, daß ihn der Autor¬ ruhm im mindesten nicht mehr rührt. Hoepfner an Boie: Cassel, den 31. Januar 1771. Ich habe — was dächten Sie wohl? — eine Ode von Klonstock? Das ist etwas, aber Sie haben doch nicht alles errathen. Seine allerneuste Ode besitze ich, die er an Herder, Herder an Merck und dieser an mich geschickt hat, ein Stück, das sich von allen bisher bekannten Klopstockischen Oden auf eine außerordentliche Art unterscheidet. Den Inhalt wollen Sie wissen? Nicht so, mein Freund. Sie haben mich lange genug zappeln lassen. Dießmal müssen Sie gestraft werden. Schicken Sie mir eine Ode an die Freunde, so sollen Sie mit der nächsten Post mein Stück bekommen. Merck besitzt eine große Menge Balladen, Lappländische Lieder, übersetzte Lieder aus Shake¬ speare pppp. von Herdern, wovon Sie vieles haben sollen, wann Sie aus Ihrem Archive etwas hergeben wollen und mir zugleich die Romanze Jupiter und Europa bald möglichst schicken. Hoepfner an Boie: Cassel, den 4. Februar 1771. . . . „Lieder aus den: Ossian, Shakespear Ballads, Elegien, Serenaden, altdeutsche Fabeln und andere merkwürdige Stückchen zwischen Herdern und mir soll Herr Boie haben, sobald man sieht, ob auch er etwas geben will." So schreibt Merck. Wonach man sich zu achten. Wir bleiben Euch vou ganzem Herzen gewogen. Hoepfner an Boie: Cassel, den 11. Februar 1771. Liebster Freund! In diesem Augenblicke erhalte ich beyliegenden Brief des Herrn Gehennraths Hesse in Darmstadt. Lassen Sie diesen braven Mann, der Ihnen in andern Gelegenheiten Gegengefälligkeiten erzeigen kann, keine Fehlbitte thun. Daß Sie nichts mehr von Klopstock haben, dürfen Sie nicht vorgeben. Dann Sie sind schon durch mich verrathen worden. Und was können Sie auch für Bedenklichkeiten haben, die Oden herzugeben. Klopstocks Einwilligung, wann er wüßte, daß eine Fürstin, die selbst den Homer in der Grundsprache liest, seine Oden verlangt, ist höchst wahrscheinlich. Wissen Sie dann schon, daß ich Professor in Gießen werden soll? Heute ist mir die sollenne Vocation zugeschickt wordeu. Gott weiß, was ich für einen Entschluß fassen soll. Hoepfner an Boie: Gießen, den 29. Juni 1771. Ich muß Ihnen etwas erzählen. Sie wissen doch, daß man in Darmstadt Klopstocks Oben gedruckt hat, :Z4mal zwar nur, aber doch ohne Ihr und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_317612/482>, abgerufen am 24.07.2024.