Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Erstes Vierteljahr.Reichssxiegel eigentlich herausgebildet haben, dann, so scheint es uns, befindet sich Rußland auf Wer angesichts solcher gewaltigen Kräfte, wie die eben flüchtig gezeigten, Innere Politik Desperadopolitik -- Antrag Mrvach-Sorquitten -- Bein: Bunde der Landwirte - - Beim Hauptvorstnnde des Hansabundes ^ Günstige Symptome. Die Kölnische Zeitung hat das Vorgehen des Herrn v. Heydebrand gegen Grenzboten I 1911 57
Reichssxiegel eigentlich herausgebildet haben, dann, so scheint es uns, befindet sich Rußland auf Wer angesichts solcher gewaltigen Kräfte, wie die eben flüchtig gezeigten, Innere Politik Desperadopolitik — Antrag Mrvach-Sorquitten — Bein: Bunde der Landwirte - - Beim Hauptvorstnnde des Hansabundes ^ Günstige Symptome. Die Kölnische Zeitung hat das Vorgehen des Herrn v. Heydebrand gegen Grenzboten I 1911 57
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0463" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/318076"/> <fw type="header" place="top"> Reichssxiegel</fw><lb/> <p xml:id="ID_2106" prev="#ID_2105"> eigentlich herausgebildet haben, dann, so scheint es uns, befindet sich Rußland auf<lb/> dem Wege zum Föderativstaat. Ob die angedeutete Entwicklung sich friedlich<lb/> vollziehen kann unter der Leitung weitschauender Staatsmänner und im Tempo<lb/> gehalten durch eine gut disziplinierte, intelligente und ehrliche Bureaukratie, oder<lb/> ob erst wieder ein revolutionärer Ausbruch nötig sein wird, um hindernde<lb/> Schranken niederzureißen, das wollen wir hier nicht näher untersuchen. Manche<lb/> Erfahrung spricht für die Lösung im zweiten Sinne.</p><lb/> <p xml:id="ID_2107"> Wer angesichts solcher gewaltigen Kräfte, wie die eben flüchtig gezeigten,<lb/> noch glauben kann, die russische Regierung sei überhaupt in der Lage, Ratschläge<lb/> fremder Höfe oder Diplomaten entgegen zu nehmen, der steht der Geschichte so<lb/> fremd gegenüber, daß er kaum ein beachtenswertes politisches Urteil haben kann.<lb/> Die russischen Staatsmänner müssen damit rechnen, daß in absehbarer Zeit<lb/> kritische Verhältnisse eintreten können, die den Staat einer schwereren Belastungs¬<lb/> probe aussetzen würden als im Jahre 1903. Wird das Moskowitertnm<lb/> gezwungen, auf die kulturelle Umarbeitung der westlichen Fremdvölker zu ver¬<lb/> zichten, dann muß der Staat, der sie nicht an die mitteleuropäischen Staaten¬<lb/> gebilde verlieren will, auch genügend Argumente zur Stelle haben, um sie zu<lb/> halten. Diese aber werden vornehmlich wirtschaftlicher Art sein. Daher die<lb/> Notwendigkeit jener Expansionspolitik, die weder den Franzosen noch den knltur-<lb/> hungrigen russischen Liberalen gefällt.</p><lb/> </div> <div n="2"> <head> Innere Politik</head><lb/> <note type="argument"> Desperadopolitik — Antrag Mrvach-Sorquitten — Bein: Bunde der Landwirte - -<lb/> Beim Hauptvorstnnde des Hansabundes ^ Günstige Symptome.</note><lb/> <p xml:id="ID_2108" next="#ID_2109"> Die Kölnische Zeitung hat das Vorgehen des Herrn v. Heydebrand gegen<lb/> die Nationalliberalen wie die Haltung der Deutschkonservativen überhaupt<lb/> treffend mit dem Wort Desperadopolitik gekennzeichnet. Die Konservativen<lb/> haben sich hiergegen energisch gewehrt und wiederholt bestritten, ihre Lage sei<lb/> verzweifelt. Dennoch aber hat die Partei einen Schritt unternommen, der deut¬<lb/> licher als alle gegnerischen Tatsachenbeweise zeigt, wie sehr sie den Boden unter<lb/> ihren Füßen wanken fühlt. Herr v. Mirbach-Sorquitten hat am 21.Februar<lb/> den Antrag eingebracht: „Das Herrenhaus wolle beschließen, die Königliche<lb/> Staatsregierung zu ersuchen, in geeigneten, insbesondere kleineren Organen eine<lb/> offizielle, gemeinverständliche Darstellung des Inhalts der Reichsfinanzreform<lb/> von 1909 zu geben, sowie die durch die Steuersätze bedingten Preiserhöhungen<lb/> im Gebiete der Konsumsteuern." Dazu schreiben die Hamburger Nachrichten<lb/> (Ur. 90) in einem Leitartikel, dessen Inhalt zugleich die Auffassung der Regierung<lb/> wiedergeben dürfte: „Man darf doch nicht ganz vergessen, daß die verbündeten<lb/> Regierungen eine andere Reichsfinanzreform gewollt haben und schließlich diese<lb/> Reform, die zuletzt Gesetz geworden ist, aus der Hand der Reichstagsmehrheit<lb/> nur deshalb genommen haben, weil sie überhaupt eine Reform durchaus haben<lb/> mußten und eine andere nicht zu erlangen war. Die Reichsregierung hat diesen</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten I 1911 57</fw><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0463]
Reichssxiegel
eigentlich herausgebildet haben, dann, so scheint es uns, befindet sich Rußland auf
dem Wege zum Föderativstaat. Ob die angedeutete Entwicklung sich friedlich
vollziehen kann unter der Leitung weitschauender Staatsmänner und im Tempo
gehalten durch eine gut disziplinierte, intelligente und ehrliche Bureaukratie, oder
ob erst wieder ein revolutionärer Ausbruch nötig sein wird, um hindernde
Schranken niederzureißen, das wollen wir hier nicht näher untersuchen. Manche
Erfahrung spricht für die Lösung im zweiten Sinne.
Wer angesichts solcher gewaltigen Kräfte, wie die eben flüchtig gezeigten,
noch glauben kann, die russische Regierung sei überhaupt in der Lage, Ratschläge
fremder Höfe oder Diplomaten entgegen zu nehmen, der steht der Geschichte so
fremd gegenüber, daß er kaum ein beachtenswertes politisches Urteil haben kann.
Die russischen Staatsmänner müssen damit rechnen, daß in absehbarer Zeit
kritische Verhältnisse eintreten können, die den Staat einer schwereren Belastungs¬
probe aussetzen würden als im Jahre 1903. Wird das Moskowitertnm
gezwungen, auf die kulturelle Umarbeitung der westlichen Fremdvölker zu ver¬
zichten, dann muß der Staat, der sie nicht an die mitteleuropäischen Staaten¬
gebilde verlieren will, auch genügend Argumente zur Stelle haben, um sie zu
halten. Diese aber werden vornehmlich wirtschaftlicher Art sein. Daher die
Notwendigkeit jener Expansionspolitik, die weder den Franzosen noch den knltur-
hungrigen russischen Liberalen gefällt.
Innere Politik
Desperadopolitik — Antrag Mrvach-Sorquitten — Bein: Bunde der Landwirte - -
Beim Hauptvorstnnde des Hansabundes ^ Günstige Symptome.
Die Kölnische Zeitung hat das Vorgehen des Herrn v. Heydebrand gegen
die Nationalliberalen wie die Haltung der Deutschkonservativen überhaupt
treffend mit dem Wort Desperadopolitik gekennzeichnet. Die Konservativen
haben sich hiergegen energisch gewehrt und wiederholt bestritten, ihre Lage sei
verzweifelt. Dennoch aber hat die Partei einen Schritt unternommen, der deut¬
licher als alle gegnerischen Tatsachenbeweise zeigt, wie sehr sie den Boden unter
ihren Füßen wanken fühlt. Herr v. Mirbach-Sorquitten hat am 21.Februar
den Antrag eingebracht: „Das Herrenhaus wolle beschließen, die Königliche
Staatsregierung zu ersuchen, in geeigneten, insbesondere kleineren Organen eine
offizielle, gemeinverständliche Darstellung des Inhalts der Reichsfinanzreform
von 1909 zu geben, sowie die durch die Steuersätze bedingten Preiserhöhungen
im Gebiete der Konsumsteuern." Dazu schreiben die Hamburger Nachrichten
(Ur. 90) in einem Leitartikel, dessen Inhalt zugleich die Auffassung der Regierung
wiedergeben dürfte: „Man darf doch nicht ganz vergessen, daß die verbündeten
Regierungen eine andere Reichsfinanzreform gewollt haben und schließlich diese
Reform, die zuletzt Gesetz geworden ist, aus der Hand der Reichstagsmehrheit
nur deshalb genommen haben, weil sie überhaupt eine Reform durchaus haben
mußten und eine andere nicht zu erlangen war. Die Reichsregierung hat diesen
Grenzboten I 1911 57
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |