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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Erstes Vierteljahr.

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Bildende Aunst und innere Politik

immer nur die eine sein, die Beobachter dnrch eine in jedem Hinblick tadellose
Lösung der betreffenden Aufgabe zu erziehen, zu bilden, zur Nacheiferung im
besten Sinne des Wortes anzuregen; und deshalb ist es ein besonders grobes
Versehen, wenn auf diesem Gebiete Fehler gemacht werden. Unter diesem
Gesichtspunkt ist es auch durchaus richtig, wenn das Deutsche Reich in Posen,
in Daressalam und Kiautschou verhältnismäßig sehr prunkvolle Bauten errichtet.
Hier soll die Macht des Reiches zum Ausdruck gebracht werden und gleichzeitig
das Volk zu deutschen künstlerischen Anschauungen herangebildet werden.

Die Errichtung von Standbildern verdienter Männer erfolgt zu ähnlichen
innerpolitischen Zwecken. Das Volk soll immer wieder an die Männer erinnert
werden, die, sei es als Fürsten, Staatsmänner, Gelehrte, Reformatoren, Dichter,
Offiziere usw., dem Vaterlande jene Schätze an Imponderabilien zugeführt haben,
die am letzten Ende das eigentliche Schwergewicht der Kraft eines Volkes aus¬
machen. Ein sehr wesentliches Moment wird hierbei die Auswahl bilden und
die Fähigkeit, Maß zu halten. Gleichgültige, aus irgendwelchen äußeren Zu¬
fälligkeitsgründen mit Standbildern bedachte Persönlichkeiten wie zu große
Häufungen von Denkmälern werden das Gegenteil dessen hervorbringen, was
erstrebt wird, nämlich Interesselosigkeit, ja Abneigung. Es ist ein recht bedenk¬
liches Zeichen, wenn im Volksmnnde diese von jedermann zu ehrenden Bild¬
werke wegwerfend als "Puppen" bezeichnet werden. Die vox populi ist auch
in solchen Fragen weder als gleichgültig beiseite zu schieben, noch in ihren
innersten Intentionen ohne weiteres als falsch zu bezeichnen. Sie aber zwingen
zu wollen, heißt in solchen Fällen meistenteils etwas Unmögliches tun wollen.

Wir rühren mit diesen Worten unwillkürlich an die Qualität der Kunst¬
werke. Es ist vor Jahren durch die sogenannte lex Heinze der Versuch gemacht
worden, den Auswüchsen der Nacktkunst entgegenzutreten. Die Fassung des
Gesetzes bildete aber eine Gefahr für die Entwickelung der echten Kunst. Immer¬
hin war der zugrunde liegende Gedanke gesund, denn die innere Politik
berührt auch das Gebiet, das Volk vor schlechten Kunstwerken zu schützen.
Denn ebensogut, wie der Staat verpflichtet ist, durch die Unterstützung und
Beschützung der bildenden Künste erzieherisch zu wirken, ebenso sicher ist er im
Recht, locum er hier einem Übel steuert. Nur müssen in den: einen wie in
dem anderen Falle Objektivität, Takt und Verständnis einander die Hände
reichen. Befehlen wie Verdicken muß einem auf der Höhe der Kultur stehenden
Volke gegenüber sehr vorsichtig gehandhabt werden.

Bei dieser Frage möchte ich den Wunsch aussprechen, daß die an und sür
sich schon durchgängig minderwertigen und dadurch kulturfeindlichen modernen
Heiligenbilder in den katholischen Kirchen und Kapellen nicht noch, wie es in
Wallfahrtsorten besonders gern geschieht, mit Geschenken aller Art behängt und
bekleidet werden, so daß ein künstlerisch geschultes Auge direkt abgestoßen wird.
Sicher ließe sich hier von der Geistlichkeit ein Weg finden, der allen Teilen
gerecht werden kann, ohne irgendwie religiöse Gefühle zu verletzen, was natürlich


Bildende Aunst und innere Politik

immer nur die eine sein, die Beobachter dnrch eine in jedem Hinblick tadellose
Lösung der betreffenden Aufgabe zu erziehen, zu bilden, zur Nacheiferung im
besten Sinne des Wortes anzuregen; und deshalb ist es ein besonders grobes
Versehen, wenn auf diesem Gebiete Fehler gemacht werden. Unter diesem
Gesichtspunkt ist es auch durchaus richtig, wenn das Deutsche Reich in Posen,
in Daressalam und Kiautschou verhältnismäßig sehr prunkvolle Bauten errichtet.
Hier soll die Macht des Reiches zum Ausdruck gebracht werden und gleichzeitig
das Volk zu deutschen künstlerischen Anschauungen herangebildet werden.

Die Errichtung von Standbildern verdienter Männer erfolgt zu ähnlichen
innerpolitischen Zwecken. Das Volk soll immer wieder an die Männer erinnert
werden, die, sei es als Fürsten, Staatsmänner, Gelehrte, Reformatoren, Dichter,
Offiziere usw., dem Vaterlande jene Schätze an Imponderabilien zugeführt haben,
die am letzten Ende das eigentliche Schwergewicht der Kraft eines Volkes aus¬
machen. Ein sehr wesentliches Moment wird hierbei die Auswahl bilden und
die Fähigkeit, Maß zu halten. Gleichgültige, aus irgendwelchen äußeren Zu¬
fälligkeitsgründen mit Standbildern bedachte Persönlichkeiten wie zu große
Häufungen von Denkmälern werden das Gegenteil dessen hervorbringen, was
erstrebt wird, nämlich Interesselosigkeit, ja Abneigung. Es ist ein recht bedenk¬
liches Zeichen, wenn im Volksmnnde diese von jedermann zu ehrenden Bild¬
werke wegwerfend als „Puppen" bezeichnet werden. Die vox populi ist auch
in solchen Fragen weder als gleichgültig beiseite zu schieben, noch in ihren
innersten Intentionen ohne weiteres als falsch zu bezeichnen. Sie aber zwingen
zu wollen, heißt in solchen Fällen meistenteils etwas Unmögliches tun wollen.

Wir rühren mit diesen Worten unwillkürlich an die Qualität der Kunst¬
werke. Es ist vor Jahren durch die sogenannte lex Heinze der Versuch gemacht
worden, den Auswüchsen der Nacktkunst entgegenzutreten. Die Fassung des
Gesetzes bildete aber eine Gefahr für die Entwickelung der echten Kunst. Immer¬
hin war der zugrunde liegende Gedanke gesund, denn die innere Politik
berührt auch das Gebiet, das Volk vor schlechten Kunstwerken zu schützen.
Denn ebensogut, wie der Staat verpflichtet ist, durch die Unterstützung und
Beschützung der bildenden Künste erzieherisch zu wirken, ebenso sicher ist er im
Recht, locum er hier einem Übel steuert. Nur müssen in den: einen wie in
dem anderen Falle Objektivität, Takt und Verständnis einander die Hände
reichen. Befehlen wie Verdicken muß einem auf der Höhe der Kultur stehenden
Volke gegenüber sehr vorsichtig gehandhabt werden.

Bei dieser Frage möchte ich den Wunsch aussprechen, daß die an und sür
sich schon durchgängig minderwertigen und dadurch kulturfeindlichen modernen
Heiligenbilder in den katholischen Kirchen und Kapellen nicht noch, wie es in
Wallfahrtsorten besonders gern geschieht, mit Geschenken aller Art behängt und
bekleidet werden, so daß ein künstlerisch geschultes Auge direkt abgestoßen wird.
Sicher ließe sich hier von der Geistlichkeit ein Weg finden, der allen Teilen
gerecht werden kann, ohne irgendwie religiöse Gefühle zu verletzen, was natürlich


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[0424] Bildende Aunst und innere Politik immer nur die eine sein, die Beobachter dnrch eine in jedem Hinblick tadellose Lösung der betreffenden Aufgabe zu erziehen, zu bilden, zur Nacheiferung im besten Sinne des Wortes anzuregen; und deshalb ist es ein besonders grobes Versehen, wenn auf diesem Gebiete Fehler gemacht werden. Unter diesem Gesichtspunkt ist es auch durchaus richtig, wenn das Deutsche Reich in Posen, in Daressalam und Kiautschou verhältnismäßig sehr prunkvolle Bauten errichtet. Hier soll die Macht des Reiches zum Ausdruck gebracht werden und gleichzeitig das Volk zu deutschen künstlerischen Anschauungen herangebildet werden. Die Errichtung von Standbildern verdienter Männer erfolgt zu ähnlichen innerpolitischen Zwecken. Das Volk soll immer wieder an die Männer erinnert werden, die, sei es als Fürsten, Staatsmänner, Gelehrte, Reformatoren, Dichter, Offiziere usw., dem Vaterlande jene Schätze an Imponderabilien zugeführt haben, die am letzten Ende das eigentliche Schwergewicht der Kraft eines Volkes aus¬ machen. Ein sehr wesentliches Moment wird hierbei die Auswahl bilden und die Fähigkeit, Maß zu halten. Gleichgültige, aus irgendwelchen äußeren Zu¬ fälligkeitsgründen mit Standbildern bedachte Persönlichkeiten wie zu große Häufungen von Denkmälern werden das Gegenteil dessen hervorbringen, was erstrebt wird, nämlich Interesselosigkeit, ja Abneigung. Es ist ein recht bedenk¬ liches Zeichen, wenn im Volksmnnde diese von jedermann zu ehrenden Bild¬ werke wegwerfend als „Puppen" bezeichnet werden. Die vox populi ist auch in solchen Fragen weder als gleichgültig beiseite zu schieben, noch in ihren innersten Intentionen ohne weiteres als falsch zu bezeichnen. Sie aber zwingen zu wollen, heißt in solchen Fällen meistenteils etwas Unmögliches tun wollen. Wir rühren mit diesen Worten unwillkürlich an die Qualität der Kunst¬ werke. Es ist vor Jahren durch die sogenannte lex Heinze der Versuch gemacht worden, den Auswüchsen der Nacktkunst entgegenzutreten. Die Fassung des Gesetzes bildete aber eine Gefahr für die Entwickelung der echten Kunst. Immer¬ hin war der zugrunde liegende Gedanke gesund, denn die innere Politik berührt auch das Gebiet, das Volk vor schlechten Kunstwerken zu schützen. Denn ebensogut, wie der Staat verpflichtet ist, durch die Unterstützung und Beschützung der bildenden Künste erzieherisch zu wirken, ebenso sicher ist er im Recht, locum er hier einem Übel steuert. Nur müssen in den: einen wie in dem anderen Falle Objektivität, Takt und Verständnis einander die Hände reichen. Befehlen wie Verdicken muß einem auf der Höhe der Kultur stehenden Volke gegenüber sehr vorsichtig gehandhabt werden. Bei dieser Frage möchte ich den Wunsch aussprechen, daß die an und sür sich schon durchgängig minderwertigen und dadurch kulturfeindlichen modernen Heiligenbilder in den katholischen Kirchen und Kapellen nicht noch, wie es in Wallfahrtsorten besonders gern geschieht, mit Geschenken aller Art behängt und bekleidet werden, so daß ein künstlerisch geschultes Auge direkt abgestoßen wird. Sicher ließe sich hier von der Geistlichkeit ein Weg finden, der allen Teilen gerecht werden kann, ohne irgendwie religiöse Gefühle zu verletzen, was natürlich

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_317612/424>, abgerufen am 28.12.2024.