Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Erstes Vierteljahr.Bildende Aunst und innere Politik für Unmündige, Halberwachsene, sondern für solche Menschen errichtet werden, die Unter diesem Gesichtspunkte der unmittelbaren Unterstützung der bildenden Bildende Aunst und innere Politik für Unmündige, Halberwachsene, sondern für solche Menschen errichtet werden, die Unter diesem Gesichtspunkte der unmittelbaren Unterstützung der bildenden <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0422" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/318035"/> <fw type="header" place="top"> Bildende Aunst und innere Politik</fw><lb/> <p xml:id="ID_1918" prev="#ID_1917"> für Unmündige, Halberwachsene, sondern für solche Menschen errichtet werden, die<lb/> sich der Aufgaben des Lebens bewußt geworden sind. Es ist dabei vor allem<lb/> nicht zu vergessen, daß, je höher die Mächte stehen, die irgendwie einer Tendenz<lb/> in Kunstsachen huldigen, um so gefährlicher die Folgen sein werden. Denn<lb/> die Kunst geht nach Brot. Es gehört in der Tat ein ganz ungewöhnliches<lb/> Selbstvertrauen, ein seltenes Maß von Selbstbeherrschung dazu, um die Rolle<lb/> eines Märtyrers um eines Ideals willen auf sich zu nehmen; insbesondere in<lb/> unseren Tagen, in denen der Glaube an irgendeine Vergütung jenseits eines<lb/> nicht ausgenossenen Lebens sehr ins Schwanken gekommen, die Überzeugung,<lb/> daß das Leben zunächst nur auf Erden realiter besteht, eine recht gefestigte<lb/> geworden ist. Es wird aber auch ein sehr ernstes moralisches Unrecht begangen,<lb/> wenn maßgebende Mächte im Staate andauernd voreingenommenen künstlerischen<lb/> Anschauungen Raum geben; denn sie verleiten die Künstler dazu, entweder ihrer<lb/> ethischen Aufgabe, Dolmetscher des Innenlebens ihres Volkes zu sein, untreu<lb/> zu werden, oder sie zwingen die Künstler, sich gänzlich Privatinteressen zu über¬<lb/> geben. Damit wird aber von neuem eine Aufgabe des Staates alteriert. Denn<lb/> trotz der großen Mittel, die heutigen Tages Privatleuten zur Disposition stehen,<lb/> kann nur ein Staat im eigentlichen Sinne des Wortes monumentale Werke ins<lb/> Dasein rufen. Kirchen, Staatspaläste jeder Art u. a. in. werden einzig mit den<lb/> Mitteln eines Staates erbaut und ausgeschmückt werden können. Und fast nur<lb/> hier kann monumentale Kunst verlangt und erzogen werden.</p><lb/> <p xml:id="ID_1919" next="#ID_1920"> Unter diesem Gesichtspunkte der unmittelbaren Unterstützung der bildenden<lb/> Kunst vou feiten der Ministerien für Fragen der inneren Politik darf auch die<lb/> Wiederherstellung alter Bauteil aller Zeiten erörtert werden. Zu Anfang des<lb/> neunzehnten Jahrhunderts ergriff die ganze Welt geradezu ein Restaurations¬<lb/> fieber, vornehmlich Deutschland. Und ich muß sagen, ich möchte kein Werk<lb/> dieser Art missen, weder den Ausbau des Kölner Domes noch des Berner<lb/> Münsters, noch des Domes in Florenz, der Alhambra, der Mariellburg bis<lb/> zur Hochkönigsburg. An diesen Bauten hat das Kunsthandwerk, d. h. die Technik<lb/> der Künstler, unendlich viel gelernt, von der theoretischen Berechnung der Wirkung<lb/> der gigantischen Kräfte in diesen Riesellbauten bis zur Erlernung der alten<lb/> Glasmalertechnik herab. Am ehesten könnte man die Restauration der Alhambra<lb/> von praktischen und auch ethischen Gesichtspunkten beanstanden. Denn von diesem<lb/> Bau werden unsere Baumeister kaum noch viel lernen können, und ein Wahr¬<lb/> zeichen der Macht Altspaniens ist es auch nicht — aber wohl ein monumen¬<lb/> tales Erinnerungsdenkmal an einen Jahrhunderte dauernden Kampf der christ¬<lb/> lichen Spanier gegell den Islam und ihres endlichen Sieges. Unter diesem<lb/> Sehwinkel müssen auch die Wiederbauten der Marienburg und der Hochkönigs¬<lb/> burg betrachtet werden. Sie sind Marksteine der deutschen Herrschaft, und als<lb/> solche haben sie eine sehr beachtenswerte Wichtigkeit für die Aufgaben der inneren<lb/> Politik. An dieser Stelle sind auch die großen neuen Kaiserpaläste in Stra߬<lb/> burg i. E. und in Posen zu erwähnen. Diese Werke der bildenden Kunst, diese</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0422]
Bildende Aunst und innere Politik
für Unmündige, Halberwachsene, sondern für solche Menschen errichtet werden, die
sich der Aufgaben des Lebens bewußt geworden sind. Es ist dabei vor allem
nicht zu vergessen, daß, je höher die Mächte stehen, die irgendwie einer Tendenz
in Kunstsachen huldigen, um so gefährlicher die Folgen sein werden. Denn
die Kunst geht nach Brot. Es gehört in der Tat ein ganz ungewöhnliches
Selbstvertrauen, ein seltenes Maß von Selbstbeherrschung dazu, um die Rolle
eines Märtyrers um eines Ideals willen auf sich zu nehmen; insbesondere in
unseren Tagen, in denen der Glaube an irgendeine Vergütung jenseits eines
nicht ausgenossenen Lebens sehr ins Schwanken gekommen, die Überzeugung,
daß das Leben zunächst nur auf Erden realiter besteht, eine recht gefestigte
geworden ist. Es wird aber auch ein sehr ernstes moralisches Unrecht begangen,
wenn maßgebende Mächte im Staate andauernd voreingenommenen künstlerischen
Anschauungen Raum geben; denn sie verleiten die Künstler dazu, entweder ihrer
ethischen Aufgabe, Dolmetscher des Innenlebens ihres Volkes zu sein, untreu
zu werden, oder sie zwingen die Künstler, sich gänzlich Privatinteressen zu über¬
geben. Damit wird aber von neuem eine Aufgabe des Staates alteriert. Denn
trotz der großen Mittel, die heutigen Tages Privatleuten zur Disposition stehen,
kann nur ein Staat im eigentlichen Sinne des Wortes monumentale Werke ins
Dasein rufen. Kirchen, Staatspaläste jeder Art u. a. in. werden einzig mit den
Mitteln eines Staates erbaut und ausgeschmückt werden können. Und fast nur
hier kann monumentale Kunst verlangt und erzogen werden.
Unter diesem Gesichtspunkte der unmittelbaren Unterstützung der bildenden
Kunst vou feiten der Ministerien für Fragen der inneren Politik darf auch die
Wiederherstellung alter Bauteil aller Zeiten erörtert werden. Zu Anfang des
neunzehnten Jahrhunderts ergriff die ganze Welt geradezu ein Restaurations¬
fieber, vornehmlich Deutschland. Und ich muß sagen, ich möchte kein Werk
dieser Art missen, weder den Ausbau des Kölner Domes noch des Berner
Münsters, noch des Domes in Florenz, der Alhambra, der Mariellburg bis
zur Hochkönigsburg. An diesen Bauten hat das Kunsthandwerk, d. h. die Technik
der Künstler, unendlich viel gelernt, von der theoretischen Berechnung der Wirkung
der gigantischen Kräfte in diesen Riesellbauten bis zur Erlernung der alten
Glasmalertechnik herab. Am ehesten könnte man die Restauration der Alhambra
von praktischen und auch ethischen Gesichtspunkten beanstanden. Denn von diesem
Bau werden unsere Baumeister kaum noch viel lernen können, und ein Wahr¬
zeichen der Macht Altspaniens ist es auch nicht — aber wohl ein monumen¬
tales Erinnerungsdenkmal an einen Jahrhunderte dauernden Kampf der christ¬
lichen Spanier gegell den Islam und ihres endlichen Sieges. Unter diesem
Sehwinkel müssen auch die Wiederbauten der Marienburg und der Hochkönigs¬
burg betrachtet werden. Sie sind Marksteine der deutschen Herrschaft, und als
solche haben sie eine sehr beachtenswerte Wichtigkeit für die Aufgaben der inneren
Politik. An dieser Stelle sind auch die großen neuen Kaiserpaläste in Stra߬
burg i. E. und in Posen zu erwähnen. Diese Werke der bildenden Kunst, diese
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