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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Erstes Vierteljahr.

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Im Flocken

du dich verpflichtest, ihnen vom Tage der Hochzeit ab sechstausend Rubel jährlich
zu zahlen."

"Das könnte geschehen."

"Dann sind wir einig. Deine Hand, Bruder Tit Grigorjewitsch."

"Noch eins," erinnerte Votscharow. als sie sich wieder auf ihren Sitzen zurück¬
kehrten. "Wenn ich dich recht verstanden habe, denkst du, dein Pawel solle hier
im Kreise seine Tätigkeit beginnen oder gar in Kompagnie mit mir?"

"Wo sollte er anders, Tit Grigorjewitsch, wenigstens fürs erste! Das junge
Paar wird doch wahrscheinlich im Gouvernement leben wollen. Dieser Kreis liegt
am nächsten, und Wald gibt es hier genug für euch beide."

"Ja, ja," gab Botscharow zu, runzelte aber leicht die Stirn, "das ist vielleicht
richtig. Beschränkt werde ich dadurch jedenfalls aber doch. Ich bin dann gegen
dich im Nachteil. Du gibst hunderttausend und ich gebe hunderttausend -- Kapital
oder Zinsen, das ist ja dasselbe. Außerdem soll ich auch einen Teil meines
Betriebes an ihn abtreten."

"Väterchen Tit Grigorjewitsch, für wen arbeitest du? Doch für deine Tochter,
für dein einziges Kind. Ihr bleibt alles, wenn du -- was Gott lange verhüten
möge -- einmal nicht mehr bist. Für wen wird Paschka arbeiten? Auch für
deine Tochter."

"Freilich, wenn man es so betrachtet. Nun, das steht alles noch im Felde
und in Gottes Hand. Was soll man vorzeitig darüber grübeln! Wann kommt
Pawel Kusmitsch?"

"Nun, die großen Fasten haben begonnen. Ich denke, in vierzehn Tagen,
wenn es dir recht ist."

"Mir ist es recht."

Noch einen Tag blieb Räbzow und ging nicht aus, sondern zeigte sich liebens¬
würdig gegen Anna Dmitrijewna und Marja. Die letztere fand Gefallen an
seinem gesetzten, stillen Wesen. Anna Dmitrijewna jedoch rümpfte etwas die Nase,
denn er unterhielt sich sehr sachverständig mit ihr über Wirtschaftliches und äußerte
dabei, ihm komme vor, daß sie zu viel Dienerschaft halte. Eine Magd sei der
anderen hinderlich, meinte er, und alle zusammen täten wenig. Marja nahm
hierin seine Partei. Sie hatte sich schon oft darüber geärgert, daß Mägde ohne
Zahl im Hause umherliefen, und wenn sie eine brauchte, mußte sie manchmal
längere Zeit vergeblich rufen.

Gegen Abend unternahm Botscharow einen Spaziergang mit dem Gaste,
welcher im Gespräch darauf hingewiesen hatte, daß er nicht begreife, wie sich in
dem Flecken ohne alle Zerstreuung leben lasse. Um ihm zu zeigen, daß man sich
Zerstreuung schaffen könne, wenn man es wünsche, führte er ihn zu Schura und
Liska, welche er vorher durch Ssurikow hatte benachrichtigen lassen. Er selbst
hatte schon mehrmals das Häuschen besucht und sich kurze Vorstellungen geben
lassen, und zwar ohne Ssurikows Gegenwart und, wie er glaubte, auch ohne
dessen Wissen.

Der Tee war serviert, als sie hinkamen, und die Freundinnen hatten sich
eingefunden. Auch der lahme Schuster fehlte nicht. Räbzow kniff die Augen
freundlich zusammen, als die hübschen Mädchen sich so kindlich zutraulich gegen
ihn benahmen, ihn Papachen nannten und ihn gewandt und zierlich bedienten.


Im Flocken

du dich verpflichtest, ihnen vom Tage der Hochzeit ab sechstausend Rubel jährlich
zu zahlen."

„Das könnte geschehen."

„Dann sind wir einig. Deine Hand, Bruder Tit Grigorjewitsch."

„Noch eins," erinnerte Votscharow. als sie sich wieder auf ihren Sitzen zurück¬
kehrten. „Wenn ich dich recht verstanden habe, denkst du, dein Pawel solle hier
im Kreise seine Tätigkeit beginnen oder gar in Kompagnie mit mir?"

„Wo sollte er anders, Tit Grigorjewitsch, wenigstens fürs erste! Das junge
Paar wird doch wahrscheinlich im Gouvernement leben wollen. Dieser Kreis liegt
am nächsten, und Wald gibt es hier genug für euch beide."

„Ja, ja," gab Botscharow zu, runzelte aber leicht die Stirn, „das ist vielleicht
richtig. Beschränkt werde ich dadurch jedenfalls aber doch. Ich bin dann gegen
dich im Nachteil. Du gibst hunderttausend und ich gebe hunderttausend — Kapital
oder Zinsen, das ist ja dasselbe. Außerdem soll ich auch einen Teil meines
Betriebes an ihn abtreten."

„Väterchen Tit Grigorjewitsch, für wen arbeitest du? Doch für deine Tochter,
für dein einziges Kind. Ihr bleibt alles, wenn du — was Gott lange verhüten
möge — einmal nicht mehr bist. Für wen wird Paschka arbeiten? Auch für
deine Tochter."

„Freilich, wenn man es so betrachtet. Nun, das steht alles noch im Felde
und in Gottes Hand. Was soll man vorzeitig darüber grübeln! Wann kommt
Pawel Kusmitsch?"

„Nun, die großen Fasten haben begonnen. Ich denke, in vierzehn Tagen,
wenn es dir recht ist."

„Mir ist es recht."

Noch einen Tag blieb Räbzow und ging nicht aus, sondern zeigte sich liebens¬
würdig gegen Anna Dmitrijewna und Marja. Die letztere fand Gefallen an
seinem gesetzten, stillen Wesen. Anna Dmitrijewna jedoch rümpfte etwas die Nase,
denn er unterhielt sich sehr sachverständig mit ihr über Wirtschaftliches und äußerte
dabei, ihm komme vor, daß sie zu viel Dienerschaft halte. Eine Magd sei der
anderen hinderlich, meinte er, und alle zusammen täten wenig. Marja nahm
hierin seine Partei. Sie hatte sich schon oft darüber geärgert, daß Mägde ohne
Zahl im Hause umherliefen, und wenn sie eine brauchte, mußte sie manchmal
längere Zeit vergeblich rufen.

Gegen Abend unternahm Botscharow einen Spaziergang mit dem Gaste,
welcher im Gespräch darauf hingewiesen hatte, daß er nicht begreife, wie sich in
dem Flecken ohne alle Zerstreuung leben lasse. Um ihm zu zeigen, daß man sich
Zerstreuung schaffen könne, wenn man es wünsche, führte er ihn zu Schura und
Liska, welche er vorher durch Ssurikow hatte benachrichtigen lassen. Er selbst
hatte schon mehrmals das Häuschen besucht und sich kurze Vorstellungen geben
lassen, und zwar ohne Ssurikows Gegenwart und, wie er glaubte, auch ohne
dessen Wissen.

Der Tee war serviert, als sie hinkamen, und die Freundinnen hatten sich
eingefunden. Auch der lahme Schuster fehlte nicht. Räbzow kniff die Augen
freundlich zusammen, als die hübschen Mädchen sich so kindlich zutraulich gegen
ihn benahmen, ihn Papachen nannten und ihn gewandt und zierlich bedienten.


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[0042] Im Flocken du dich verpflichtest, ihnen vom Tage der Hochzeit ab sechstausend Rubel jährlich zu zahlen." „Das könnte geschehen." „Dann sind wir einig. Deine Hand, Bruder Tit Grigorjewitsch." „Noch eins," erinnerte Votscharow. als sie sich wieder auf ihren Sitzen zurück¬ kehrten. „Wenn ich dich recht verstanden habe, denkst du, dein Pawel solle hier im Kreise seine Tätigkeit beginnen oder gar in Kompagnie mit mir?" „Wo sollte er anders, Tit Grigorjewitsch, wenigstens fürs erste! Das junge Paar wird doch wahrscheinlich im Gouvernement leben wollen. Dieser Kreis liegt am nächsten, und Wald gibt es hier genug für euch beide." „Ja, ja," gab Botscharow zu, runzelte aber leicht die Stirn, „das ist vielleicht richtig. Beschränkt werde ich dadurch jedenfalls aber doch. Ich bin dann gegen dich im Nachteil. Du gibst hunderttausend und ich gebe hunderttausend — Kapital oder Zinsen, das ist ja dasselbe. Außerdem soll ich auch einen Teil meines Betriebes an ihn abtreten." „Väterchen Tit Grigorjewitsch, für wen arbeitest du? Doch für deine Tochter, für dein einziges Kind. Ihr bleibt alles, wenn du — was Gott lange verhüten möge — einmal nicht mehr bist. Für wen wird Paschka arbeiten? Auch für deine Tochter." „Freilich, wenn man es so betrachtet. Nun, das steht alles noch im Felde und in Gottes Hand. Was soll man vorzeitig darüber grübeln! Wann kommt Pawel Kusmitsch?" „Nun, die großen Fasten haben begonnen. Ich denke, in vierzehn Tagen, wenn es dir recht ist." „Mir ist es recht." Noch einen Tag blieb Räbzow und ging nicht aus, sondern zeigte sich liebens¬ würdig gegen Anna Dmitrijewna und Marja. Die letztere fand Gefallen an seinem gesetzten, stillen Wesen. Anna Dmitrijewna jedoch rümpfte etwas die Nase, denn er unterhielt sich sehr sachverständig mit ihr über Wirtschaftliches und äußerte dabei, ihm komme vor, daß sie zu viel Dienerschaft halte. Eine Magd sei der anderen hinderlich, meinte er, und alle zusammen täten wenig. Marja nahm hierin seine Partei. Sie hatte sich schon oft darüber geärgert, daß Mägde ohne Zahl im Hause umherliefen, und wenn sie eine brauchte, mußte sie manchmal längere Zeit vergeblich rufen. Gegen Abend unternahm Botscharow einen Spaziergang mit dem Gaste, welcher im Gespräch darauf hingewiesen hatte, daß er nicht begreife, wie sich in dem Flecken ohne alle Zerstreuung leben lasse. Um ihm zu zeigen, daß man sich Zerstreuung schaffen könne, wenn man es wünsche, führte er ihn zu Schura und Liska, welche er vorher durch Ssurikow hatte benachrichtigen lassen. Er selbst hatte schon mehrmals das Häuschen besucht und sich kurze Vorstellungen geben lassen, und zwar ohne Ssurikows Gegenwart und, wie er glaubte, auch ohne dessen Wissen. Der Tee war serviert, als sie hinkamen, und die Freundinnen hatten sich eingefunden. Auch der lahme Schuster fehlte nicht. Räbzow kniff die Augen freundlich zusammen, als die hübschen Mädchen sich so kindlich zutraulich gegen ihn benahmen, ihn Papachen nannten und ihn gewandt und zierlich bedienten.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_317612/42>, abgerufen am 28.12.2024.