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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Erstes Vierteljahr.

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Im Flecken

"Warte, warte. Ich habe nichts dagegen. Aber Anna Dmitrijewna muß
vor allen Dingen ihre Meinung abgeben. Und dann, wie gesagt, gezwungen wird
Mahada nicht."

"Weiter verlange ich nichts. Gegen Anna Dmitrijewna fürs erste jedoch
kein WortI Wer kennt nicht die Weiber I Da spielen die Augen, und da hört
man einen Seufzer zur unrechten Zeit, und da fällt eine unnütze Redensart, und
ehe man sich dessen versieht, hat das Mädchen etwas gemerkt, steift sich darauf,
daß sie sich nicht verkaufen lassen will, und Paschka fällt bei ihr in Ungnade, ehe
sie ihn gesehen hat. Nein, Bruder, die Sache bleibt unter uns. Der Junge
kommt her, ohne daß die Weiber wissen, warum und wozu, und es wird sich
dann schon machen. Laß nur den Paschka selbst sorgen. Der Racker versteht es."

"Meinetwegen. Sei es so."

Räbzow kniff ein wenig die Augen zusammen.

"Sieh, Tit Grigorjewitsch, du kennst mich und ich kenne dich. Ich habe
darum auch keine Brautwerberin geschickt, wie es üblich ist. Ich bin selbst
gekommen. Ich glaube, ich habe uach deinem Sinn gehandelt. Was soll unter
uns das vorläufige Weibergewäsch I"

"Ich lobe das, Kusma Karpowitsch. Du hast klug gehandelt. So gefällt
es mir."

"Ich bin gekommen, ein Mann zum anderen, denn unter Geschäftsleuten
ersten Ranges und Bekannten, wie wir es sind, soll es ehrlich und ohne Umschweife
hergehen in allen Stücken. Ich frage darum gerade heraus: Wieviel kriegt
Mahada mit?"

"Mahada ist mein einziges Kind," sagte Botscharow bedächtig.

Räbzow neigte den Kopf.

"Ich weiß das. Mir ist für die Zukunft unserer Kinder, wenn aus ihnen
mit Gottes Hilfe ein Paar wird, nicht bange. Ich habe einen Blick in deine
Verhältnisse getan, und . . ."

"Darum hast du meine Besitzungen besehen und meine Leute ausgefragt?"

Wieder machte Räbzow eine bestätigende Kopfbewegung.

"Ich habe genug gesehen. Ich bin befriedigt. Aber das junge Paar will
sich einrichten, will leben. Paschka soll aus eigene Hand zu arbeiten anfangen.
Dazu gehört Kapital. Ich bin, hoffe ich, reicher als du, wenigstens an Kapital
viel reicher, denn ich habe die meisten Summen aus dem Handel gezogen, habe,
sozusagen, schon angefangen, mich zur Ruhe zu setzen. Aber ich muß vier Töchter
ausstatten, und in Anbetracht dessen sind meine Umstände wahrscheinlich beschränkter
als deine. Trotzdem gebe ich dem jungen Paar hunderttausend Rubel. Zahlst
du ebensoviel?"

Botscharow fuhr auf.

"Bist du von Sinnen, Kusma Karpowitsch? Woher soll ich so viel bares
Geld auf einem Brett nehmen? Ich habe ja nicht die Absicht, mich zur Ruhe
zu setzen."

Zum dritten Mal senkte Räbzow zustimmend den Kopf.

"Ich verstehe. Dein Geld steckt im Geschäft. Du bist mir ein sicherer Mann,
und darum dringe ich nicht auf das Auszahlen des Kapitals. Hunderttausend
Rubel machen zu sechs Prozent sechstausend Rubel Zinsen. Mir genügt es, wenn


Im Flecken

„Warte, warte. Ich habe nichts dagegen. Aber Anna Dmitrijewna muß
vor allen Dingen ihre Meinung abgeben. Und dann, wie gesagt, gezwungen wird
Mahada nicht."

„Weiter verlange ich nichts. Gegen Anna Dmitrijewna fürs erste jedoch
kein WortI Wer kennt nicht die Weiber I Da spielen die Augen, und da hört
man einen Seufzer zur unrechten Zeit, und da fällt eine unnütze Redensart, und
ehe man sich dessen versieht, hat das Mädchen etwas gemerkt, steift sich darauf,
daß sie sich nicht verkaufen lassen will, und Paschka fällt bei ihr in Ungnade, ehe
sie ihn gesehen hat. Nein, Bruder, die Sache bleibt unter uns. Der Junge
kommt her, ohne daß die Weiber wissen, warum und wozu, und es wird sich
dann schon machen. Laß nur den Paschka selbst sorgen. Der Racker versteht es."

„Meinetwegen. Sei es so."

Räbzow kniff ein wenig die Augen zusammen.

„Sieh, Tit Grigorjewitsch, du kennst mich und ich kenne dich. Ich habe
darum auch keine Brautwerberin geschickt, wie es üblich ist. Ich bin selbst
gekommen. Ich glaube, ich habe uach deinem Sinn gehandelt. Was soll unter
uns das vorläufige Weibergewäsch I"

„Ich lobe das, Kusma Karpowitsch. Du hast klug gehandelt. So gefällt
es mir."

„Ich bin gekommen, ein Mann zum anderen, denn unter Geschäftsleuten
ersten Ranges und Bekannten, wie wir es sind, soll es ehrlich und ohne Umschweife
hergehen in allen Stücken. Ich frage darum gerade heraus: Wieviel kriegt
Mahada mit?"

„Mahada ist mein einziges Kind," sagte Botscharow bedächtig.

Räbzow neigte den Kopf.

„Ich weiß das. Mir ist für die Zukunft unserer Kinder, wenn aus ihnen
mit Gottes Hilfe ein Paar wird, nicht bange. Ich habe einen Blick in deine
Verhältnisse getan, und . . ."

„Darum hast du meine Besitzungen besehen und meine Leute ausgefragt?"

Wieder machte Räbzow eine bestätigende Kopfbewegung.

„Ich habe genug gesehen. Ich bin befriedigt. Aber das junge Paar will
sich einrichten, will leben. Paschka soll aus eigene Hand zu arbeiten anfangen.
Dazu gehört Kapital. Ich bin, hoffe ich, reicher als du, wenigstens an Kapital
viel reicher, denn ich habe die meisten Summen aus dem Handel gezogen, habe,
sozusagen, schon angefangen, mich zur Ruhe zu setzen. Aber ich muß vier Töchter
ausstatten, und in Anbetracht dessen sind meine Umstände wahrscheinlich beschränkter
als deine. Trotzdem gebe ich dem jungen Paar hunderttausend Rubel. Zahlst
du ebensoviel?"

Botscharow fuhr auf.

„Bist du von Sinnen, Kusma Karpowitsch? Woher soll ich so viel bares
Geld auf einem Brett nehmen? Ich habe ja nicht die Absicht, mich zur Ruhe
zu setzen."

Zum dritten Mal senkte Räbzow zustimmend den Kopf.

„Ich verstehe. Dein Geld steckt im Geschäft. Du bist mir ein sicherer Mann,
und darum dringe ich nicht auf das Auszahlen des Kapitals. Hunderttausend
Rubel machen zu sechs Prozent sechstausend Rubel Zinsen. Mir genügt es, wenn


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[0041] Im Flecken „Warte, warte. Ich habe nichts dagegen. Aber Anna Dmitrijewna muß vor allen Dingen ihre Meinung abgeben. Und dann, wie gesagt, gezwungen wird Mahada nicht." „Weiter verlange ich nichts. Gegen Anna Dmitrijewna fürs erste jedoch kein WortI Wer kennt nicht die Weiber I Da spielen die Augen, und da hört man einen Seufzer zur unrechten Zeit, und da fällt eine unnütze Redensart, und ehe man sich dessen versieht, hat das Mädchen etwas gemerkt, steift sich darauf, daß sie sich nicht verkaufen lassen will, und Paschka fällt bei ihr in Ungnade, ehe sie ihn gesehen hat. Nein, Bruder, die Sache bleibt unter uns. Der Junge kommt her, ohne daß die Weiber wissen, warum und wozu, und es wird sich dann schon machen. Laß nur den Paschka selbst sorgen. Der Racker versteht es." „Meinetwegen. Sei es so." Räbzow kniff ein wenig die Augen zusammen. „Sieh, Tit Grigorjewitsch, du kennst mich und ich kenne dich. Ich habe darum auch keine Brautwerberin geschickt, wie es üblich ist. Ich bin selbst gekommen. Ich glaube, ich habe uach deinem Sinn gehandelt. Was soll unter uns das vorläufige Weibergewäsch I" „Ich lobe das, Kusma Karpowitsch. Du hast klug gehandelt. So gefällt es mir." „Ich bin gekommen, ein Mann zum anderen, denn unter Geschäftsleuten ersten Ranges und Bekannten, wie wir es sind, soll es ehrlich und ohne Umschweife hergehen in allen Stücken. Ich frage darum gerade heraus: Wieviel kriegt Mahada mit?" „Mahada ist mein einziges Kind," sagte Botscharow bedächtig. Räbzow neigte den Kopf. „Ich weiß das. Mir ist für die Zukunft unserer Kinder, wenn aus ihnen mit Gottes Hilfe ein Paar wird, nicht bange. Ich habe einen Blick in deine Verhältnisse getan, und . . ." „Darum hast du meine Besitzungen besehen und meine Leute ausgefragt?" Wieder machte Räbzow eine bestätigende Kopfbewegung. „Ich habe genug gesehen. Ich bin befriedigt. Aber das junge Paar will sich einrichten, will leben. Paschka soll aus eigene Hand zu arbeiten anfangen. Dazu gehört Kapital. Ich bin, hoffe ich, reicher als du, wenigstens an Kapital viel reicher, denn ich habe die meisten Summen aus dem Handel gezogen, habe, sozusagen, schon angefangen, mich zur Ruhe zu setzen. Aber ich muß vier Töchter ausstatten, und in Anbetracht dessen sind meine Umstände wahrscheinlich beschränkter als deine. Trotzdem gebe ich dem jungen Paar hunderttausend Rubel. Zahlst du ebensoviel?" Botscharow fuhr auf. „Bist du von Sinnen, Kusma Karpowitsch? Woher soll ich so viel bares Geld auf einem Brett nehmen? Ich habe ja nicht die Absicht, mich zur Ruhe zu setzen." Zum dritten Mal senkte Räbzow zustimmend den Kopf. „Ich verstehe. Dein Geld steckt im Geschäft. Du bist mir ein sicherer Mann, und darum dringe ich nicht auf das Auszahlen des Kapitals. Hunderttausend Rubel machen zu sechs Prozent sechstausend Rubel Zinsen. Mir genügt es, wenn

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_317612/41>, abgerufen am 28.12.2024.