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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Erstes Vierteljahr.

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Das Lamnwollproblem

gewiesen, daß sich im Jahre 1790 die im vorigen Jahr etwa 13 Millionen
Ballen betragende Produktion der Vereinigten Staaten auch nur auf 5000 Ballen
belaufen hat. Obgleich die auf dem Rücken vieler Neger verteilte Fracht von
Togo bis zur Küste 400 Mark für 100 Kilogramm beträgt, rentiert sich dennoch
das Geschäft bei den gegenwärtigen hohen Baumwollpreisen. Noch weiter aber
sind die Wege aus dem Inneren nach der Küste in Ostafrika, wo die Trägerlasten
für die Tonne 2500 Mark, d. h. 2,50 Mark für 1 Kilogramm betragen, also
mehr, als sich die Amerikaner für ihre Baumwolle zahlen lassen; dieselbe Arbeit
würde eine Eisenbahn für 45 Mark die Tonne oder 4^ Pf. pro 1 Kilogramm
leisten. Dazu kommt die Beschleunigung des Transports durch die Eisenbahn,
die gegenüber der bisherigen Beförderungsmethode das Zwanzig- bis Vierzigfache
beträgt; z. B. wird die Strecke vom Tangcmjikasee bis zur Küste uach Bagomojo
von einer Karawane in drei Monaten zurückgelegt, während die Eisenbahn
weniger als drei Tage dazu gebrauchen wird. Da der Bau der als notwendig
erkannten Kolonialbahn nunmehr rüstig vorwärts schreitet, so darf der weiteren
Entwicklung mit dem größten Vertrauen entgegengesehen werden. Schon
Dernburg hat hervorgehoben, daß wir den größten Schädigungen entgehen,
wenn wir in der Lage sind, unseren Bedarf an Rohstoffen auch nur teilweise
zu decken, da nicht die Summe des Angebots den Preis macht, sondern nur
die zwischen Angebot und Nachfrage bestehende Differenz, und da es nur
darauf ankommt, einen so erheblichen Teil zu decken, daß er auf dem Weltmarkt
von Bedeutung ist.

Auch Staatssekretär v. Lindeqnist bringt der Förderung des Baumwoll¬
baues in unseren Kolonien das größte Interesse entgegen. So äußerte er sich
in seiner Programmrede im Reichstage am 12. Dezember 1910 u. a. folgender¬
maßen: ". . . Wir wissen hente mit positiver Bestimmtheit, daß wir mit unseren
überseeischen Besitzungen wertvolle und von Jahr zu Jahr aufnahmefähigere
Absatzmärkte für unsere deutsche Volkswirtschaft, für unseren deutschen Handel
haben, und daß wir in ihnen zugleich verheißungsvolle Quellen für den Bezug
unserer Rohmaterialien besitzen. Wer könnte heute angesichts der Baumwoll-
not, welche immer mehr kritisch wird, wer könnte angesichts des Wollbedarfs,
der immer weiter zunimmt und die Preise steigert, "och im unklaren darüber
sein, daß es geradezu eine Lebensfrage für weite Zweige unserer Industrie,
vor allem für unsere Textilindustrie, und zwar sür Arbeitgeber ebenso wie für
Arbeitnehmer ist, daß wir unsere Rohmaterialien aus den Kolonien beziehen
und uns mehr und mehr von unkontrollierbaren ausländischen Spekulationen
und Monopolbestrebungen unabhängig machen. Immer mehr dringt die
Erkenntnis durch, daß mit den Jahren ein großer Teil des deutschen Rohstoff¬
bezuges a"s unseren Kolonien gedeckt werden kann und muß. Ich betrachte
es als eine der vornehmsten Aufgaben der Kolonialverwaltung, auf dem
beschrittenen Wege energisch weiterzugehen und Hand in Hand mit den
Interessentenkreisen der Heimat und mit den Siedlern und Pflanzern drüben


Das Lamnwollproblem

gewiesen, daß sich im Jahre 1790 die im vorigen Jahr etwa 13 Millionen
Ballen betragende Produktion der Vereinigten Staaten auch nur auf 5000 Ballen
belaufen hat. Obgleich die auf dem Rücken vieler Neger verteilte Fracht von
Togo bis zur Küste 400 Mark für 100 Kilogramm beträgt, rentiert sich dennoch
das Geschäft bei den gegenwärtigen hohen Baumwollpreisen. Noch weiter aber
sind die Wege aus dem Inneren nach der Küste in Ostafrika, wo die Trägerlasten
für die Tonne 2500 Mark, d. h. 2,50 Mark für 1 Kilogramm betragen, also
mehr, als sich die Amerikaner für ihre Baumwolle zahlen lassen; dieselbe Arbeit
würde eine Eisenbahn für 45 Mark die Tonne oder 4^ Pf. pro 1 Kilogramm
leisten. Dazu kommt die Beschleunigung des Transports durch die Eisenbahn,
die gegenüber der bisherigen Beförderungsmethode das Zwanzig- bis Vierzigfache
beträgt; z. B. wird die Strecke vom Tangcmjikasee bis zur Küste uach Bagomojo
von einer Karawane in drei Monaten zurückgelegt, während die Eisenbahn
weniger als drei Tage dazu gebrauchen wird. Da der Bau der als notwendig
erkannten Kolonialbahn nunmehr rüstig vorwärts schreitet, so darf der weiteren
Entwicklung mit dem größten Vertrauen entgegengesehen werden. Schon
Dernburg hat hervorgehoben, daß wir den größten Schädigungen entgehen,
wenn wir in der Lage sind, unseren Bedarf an Rohstoffen auch nur teilweise
zu decken, da nicht die Summe des Angebots den Preis macht, sondern nur
die zwischen Angebot und Nachfrage bestehende Differenz, und da es nur
darauf ankommt, einen so erheblichen Teil zu decken, daß er auf dem Weltmarkt
von Bedeutung ist.

Auch Staatssekretär v. Lindeqnist bringt der Förderung des Baumwoll¬
baues in unseren Kolonien das größte Interesse entgegen. So äußerte er sich
in seiner Programmrede im Reichstage am 12. Dezember 1910 u. a. folgender¬
maßen: „. . . Wir wissen hente mit positiver Bestimmtheit, daß wir mit unseren
überseeischen Besitzungen wertvolle und von Jahr zu Jahr aufnahmefähigere
Absatzmärkte für unsere deutsche Volkswirtschaft, für unseren deutschen Handel
haben, und daß wir in ihnen zugleich verheißungsvolle Quellen für den Bezug
unserer Rohmaterialien besitzen. Wer könnte heute angesichts der Baumwoll-
not, welche immer mehr kritisch wird, wer könnte angesichts des Wollbedarfs,
der immer weiter zunimmt und die Preise steigert, »och im unklaren darüber
sein, daß es geradezu eine Lebensfrage für weite Zweige unserer Industrie,
vor allem für unsere Textilindustrie, und zwar sür Arbeitgeber ebenso wie für
Arbeitnehmer ist, daß wir unsere Rohmaterialien aus den Kolonien beziehen
und uns mehr und mehr von unkontrollierbaren ausländischen Spekulationen
und Monopolbestrebungen unabhängig machen. Immer mehr dringt die
Erkenntnis durch, daß mit den Jahren ein großer Teil des deutschen Rohstoff¬
bezuges a»s unseren Kolonien gedeckt werden kann und muß. Ich betrachte
es als eine der vornehmsten Aufgaben der Kolonialverwaltung, auf dem
beschrittenen Wege energisch weiterzugehen und Hand in Hand mit den
Interessentenkreisen der Heimat und mit den Siedlern und Pflanzern drüben


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[0393] Das Lamnwollproblem gewiesen, daß sich im Jahre 1790 die im vorigen Jahr etwa 13 Millionen Ballen betragende Produktion der Vereinigten Staaten auch nur auf 5000 Ballen belaufen hat. Obgleich die auf dem Rücken vieler Neger verteilte Fracht von Togo bis zur Küste 400 Mark für 100 Kilogramm beträgt, rentiert sich dennoch das Geschäft bei den gegenwärtigen hohen Baumwollpreisen. Noch weiter aber sind die Wege aus dem Inneren nach der Küste in Ostafrika, wo die Trägerlasten für die Tonne 2500 Mark, d. h. 2,50 Mark für 1 Kilogramm betragen, also mehr, als sich die Amerikaner für ihre Baumwolle zahlen lassen; dieselbe Arbeit würde eine Eisenbahn für 45 Mark die Tonne oder 4^ Pf. pro 1 Kilogramm leisten. Dazu kommt die Beschleunigung des Transports durch die Eisenbahn, die gegenüber der bisherigen Beförderungsmethode das Zwanzig- bis Vierzigfache beträgt; z. B. wird die Strecke vom Tangcmjikasee bis zur Küste uach Bagomojo von einer Karawane in drei Monaten zurückgelegt, während die Eisenbahn weniger als drei Tage dazu gebrauchen wird. Da der Bau der als notwendig erkannten Kolonialbahn nunmehr rüstig vorwärts schreitet, so darf der weiteren Entwicklung mit dem größten Vertrauen entgegengesehen werden. Schon Dernburg hat hervorgehoben, daß wir den größten Schädigungen entgehen, wenn wir in der Lage sind, unseren Bedarf an Rohstoffen auch nur teilweise zu decken, da nicht die Summe des Angebots den Preis macht, sondern nur die zwischen Angebot und Nachfrage bestehende Differenz, und da es nur darauf ankommt, einen so erheblichen Teil zu decken, daß er auf dem Weltmarkt von Bedeutung ist. Auch Staatssekretär v. Lindeqnist bringt der Förderung des Baumwoll¬ baues in unseren Kolonien das größte Interesse entgegen. So äußerte er sich in seiner Programmrede im Reichstage am 12. Dezember 1910 u. a. folgender¬ maßen: „. . . Wir wissen hente mit positiver Bestimmtheit, daß wir mit unseren überseeischen Besitzungen wertvolle und von Jahr zu Jahr aufnahmefähigere Absatzmärkte für unsere deutsche Volkswirtschaft, für unseren deutschen Handel haben, und daß wir in ihnen zugleich verheißungsvolle Quellen für den Bezug unserer Rohmaterialien besitzen. Wer könnte heute angesichts der Baumwoll- not, welche immer mehr kritisch wird, wer könnte angesichts des Wollbedarfs, der immer weiter zunimmt und die Preise steigert, »och im unklaren darüber sein, daß es geradezu eine Lebensfrage für weite Zweige unserer Industrie, vor allem für unsere Textilindustrie, und zwar sür Arbeitgeber ebenso wie für Arbeitnehmer ist, daß wir unsere Rohmaterialien aus den Kolonien beziehen und uns mehr und mehr von unkontrollierbaren ausländischen Spekulationen und Monopolbestrebungen unabhängig machen. Immer mehr dringt die Erkenntnis durch, daß mit den Jahren ein großer Teil des deutschen Rohstoff¬ bezuges a»s unseren Kolonien gedeckt werden kann und muß. Ich betrachte es als eine der vornehmsten Aufgaben der Kolonialverwaltung, auf dem beschrittenen Wege energisch weiterzugehen und Hand in Hand mit den Interessentenkreisen der Heimat und mit den Siedlern und Pflanzern drüben

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_317612/393>, abgerufen am 04.07.2024.