Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Erstes Vierteljahr.Ratholische Kirche und Freiheit des Denkens und Forschens des Altarsakraments stellt ihn vor die Notwendigkeit, seine Anhänglichkeit an Wie begründet aber die Kirche die Verpflichtung zum Glauben, die sie Allein gegenüber dieser Begründung der Glaubenspflicht wird sich rasch Die Antwort der Kirche auf diese Fragen ist einem Satze des Vatikanischen Die Kirche gibt also ohne weiteres zu: um wirklich auf die Autorität Ratholische Kirche und Freiheit des Denkens und Forschens des Altarsakraments stellt ihn vor die Notwendigkeit, seine Anhänglichkeit an Wie begründet aber die Kirche die Verpflichtung zum Glauben, die sie Allein gegenüber dieser Begründung der Glaubenspflicht wird sich rasch Die Antwort der Kirche auf diese Fragen ist einem Satze des Vatikanischen Die Kirche gibt also ohne weiteres zu: um wirklich auf die Autorität <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0370" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/317983"/> <fw type="header" place="top"> Ratholische Kirche und Freiheit des Denkens und Forschens</fw><lb/> <p xml:id="ID_1713" prev="#ID_1712"> des Altarsakraments stellt ihn vor die Notwendigkeit, seine Anhänglichkeit an<lb/> den Glauben innerlich zu bekräftigen, jedem Zweifel im Herzen zu widersagen:<lb/> denn wie könnte er in der Beichte Lossprechung von seinen Sünden erwarten,<lb/> wenn er nicht glaubte, daß der Priester göttliche Vollmacht hierzu habe? Wie<lb/> könnte er „würdig" den Leib des Herrn empfangen, wenn er zweifeln wollte,<lb/> ob die Hostie, die er empfängt, wirklich in das Fleisch und Blut Christi ver¬<lb/> wandelt sei?</p><lb/> <p xml:id="ID_1714"> Wie begründet aber die Kirche die Verpflichtung zum Glauben, die sie<lb/> ihren Angehörigen auferlegt, wie rechtfertigt sie ihre Lehre, daß Glaubens¬<lb/> zweifel und Unglaube Sünde sei? — Sie erklärt: Motiv des Glaubens ist die<lb/> Autorität des sich offenbarenden Gottes, der nicht täuschen noch getäuscht werden<lb/> kann. Der Unglaube bedeutet also eine Verachtung der göttlichen Wahrhaftigkeit<lb/> und Autorität. Schon der Glaubenszweifel aber ist ein Aufgeben des Glaubens,<lb/> well man damit auch die Autorität des sich offenbarenden Gottes in Frage zieht.</p><lb/> <p xml:id="ID_1715"> Allein gegenüber dieser Begründung der Glaubenspflicht wird sich rasch<lb/> ein weiteres, grundsätzliches Bedenket: erheben: niemand wird ja unmittelbar<lb/> Gottes Wahrhaftigkeit in Zweifel ziehen, niemand seiner Autorität sich wider¬<lb/> setzen wollen! Aber hat denn jemand völlige Sicherheit darüber, daß Gott<lb/> sich ihm offenbart hat? Hat Gott etwa je unmittelbar zu ihm geredet?<lb/> — Gewiß wird der noch naiv Glaubende gar oft meinen, unmittelbar Gottes<lb/> Stimme zu vernehmen, Gott selbst innerlich gegenüber zu stehen. Aber wenn<lb/> einmal so mächtige Zweifel Wurzel gefaßt haben, wird dann nicht auch die<lb/> psychologische Erwägung sich einstellen: diese göttliche Stimme in mir könnte<lb/> ja — Einbildung sein? Alles, was ich an Vorstellungen über Gott habe, ist<lb/> durch Menschen mir vermittelt worden. Wäre ich etwa in mohammedanischer<lb/> oder buddhistischer Umgebung aufgewachsen, so würde ich ganz andere religiöse<lb/> Anschauungen besitzen und andersartige religiöse „Erfahrungen" erlebt haben.<lb/> Und wenn mein Glaube mich seither getröstet, beseligt und im sittlichen Streben<lb/> gefördert hat: beweist dies schon für sich allein, daß er „wahr" ist? Er wirkt<lb/> eben — nach psychologischen Gesetzen — als Macht im Seelenleben, ganz gleich¬<lb/> gültig, ob der geglaubte Gott existiert oder nicht existiert. Wer verbürgt mir<lb/> also, daß dieser Glaube mehr ist als eine „bloße Vorstellung", eine „bloße<lb/> Überzeugung" in mir (und in Millionen anderer Menschen), daß ihm noch<lb/> außerdem — eine Wirklichkeit entspricht, daß dieser geglaubte Gott wirklich existiert?</p><lb/> <p xml:id="ID_1716"> Die Antwort der Kirche auf diese Fragen ist einem Satze des Vatikanischen<lb/> Konzils zu entnehmen, der besagt: Damit wir der Pflicht, den Glauben uns<lb/> anzueignen und ihn treu zu bewahren, genügen können, hat Gott durch seinen<lb/> eingeborenen Sohn die Kirche begründet und sie mit deutlichen Kennzeichen<lb/> ihrer göttlichen Stiftung ausgestattet, damit sie als Trägerin und Lehrerin der<lb/> Offenbarung von allen erkannt werden kann.</p><lb/> <p xml:id="ID_1717" next="#ID_1718"> Die Kirche gibt also ohne weiteres zu: um wirklich auf die Autorität<lb/> Gottes hin glauben zu können, muß man gewiß sein, daß Gott sich geoffenbart</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0370]
Ratholische Kirche und Freiheit des Denkens und Forschens
des Altarsakraments stellt ihn vor die Notwendigkeit, seine Anhänglichkeit an
den Glauben innerlich zu bekräftigen, jedem Zweifel im Herzen zu widersagen:
denn wie könnte er in der Beichte Lossprechung von seinen Sünden erwarten,
wenn er nicht glaubte, daß der Priester göttliche Vollmacht hierzu habe? Wie
könnte er „würdig" den Leib des Herrn empfangen, wenn er zweifeln wollte,
ob die Hostie, die er empfängt, wirklich in das Fleisch und Blut Christi ver¬
wandelt sei?
Wie begründet aber die Kirche die Verpflichtung zum Glauben, die sie
ihren Angehörigen auferlegt, wie rechtfertigt sie ihre Lehre, daß Glaubens¬
zweifel und Unglaube Sünde sei? — Sie erklärt: Motiv des Glaubens ist die
Autorität des sich offenbarenden Gottes, der nicht täuschen noch getäuscht werden
kann. Der Unglaube bedeutet also eine Verachtung der göttlichen Wahrhaftigkeit
und Autorität. Schon der Glaubenszweifel aber ist ein Aufgeben des Glaubens,
well man damit auch die Autorität des sich offenbarenden Gottes in Frage zieht.
Allein gegenüber dieser Begründung der Glaubenspflicht wird sich rasch
ein weiteres, grundsätzliches Bedenket: erheben: niemand wird ja unmittelbar
Gottes Wahrhaftigkeit in Zweifel ziehen, niemand seiner Autorität sich wider¬
setzen wollen! Aber hat denn jemand völlige Sicherheit darüber, daß Gott
sich ihm offenbart hat? Hat Gott etwa je unmittelbar zu ihm geredet?
— Gewiß wird der noch naiv Glaubende gar oft meinen, unmittelbar Gottes
Stimme zu vernehmen, Gott selbst innerlich gegenüber zu stehen. Aber wenn
einmal so mächtige Zweifel Wurzel gefaßt haben, wird dann nicht auch die
psychologische Erwägung sich einstellen: diese göttliche Stimme in mir könnte
ja — Einbildung sein? Alles, was ich an Vorstellungen über Gott habe, ist
durch Menschen mir vermittelt worden. Wäre ich etwa in mohammedanischer
oder buddhistischer Umgebung aufgewachsen, so würde ich ganz andere religiöse
Anschauungen besitzen und andersartige religiöse „Erfahrungen" erlebt haben.
Und wenn mein Glaube mich seither getröstet, beseligt und im sittlichen Streben
gefördert hat: beweist dies schon für sich allein, daß er „wahr" ist? Er wirkt
eben — nach psychologischen Gesetzen — als Macht im Seelenleben, ganz gleich¬
gültig, ob der geglaubte Gott existiert oder nicht existiert. Wer verbürgt mir
also, daß dieser Glaube mehr ist als eine „bloße Vorstellung", eine „bloße
Überzeugung" in mir (und in Millionen anderer Menschen), daß ihm noch
außerdem — eine Wirklichkeit entspricht, daß dieser geglaubte Gott wirklich existiert?
Die Antwort der Kirche auf diese Fragen ist einem Satze des Vatikanischen
Konzils zu entnehmen, der besagt: Damit wir der Pflicht, den Glauben uns
anzueignen und ihn treu zu bewahren, genügen können, hat Gott durch seinen
eingeborenen Sohn die Kirche begründet und sie mit deutlichen Kennzeichen
ihrer göttlichen Stiftung ausgestattet, damit sie als Trägerin und Lehrerin der
Offenbarung von allen erkannt werden kann.
Die Kirche gibt also ohne weiteres zu: um wirklich auf die Autorität
Gottes hin glauben zu können, muß man gewiß sein, daß Gott sich geoffenbart
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |