Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Der Beamte als Staatsbürger

kulturellen, unser ganzes Staatsleben berührenden Bestrebungen
liegt die politische Bedeutung, liegt auch der Kern, der von den
Sonderinteressen wieder hinüber führt zur Rücksicht auf das Ganze
des Volks und des Staates. Damit ist die Aussicht und die Zuversicht
gewonnen, daß wieder mehr als bisher das Aussöhnende, das Gemeinsame
und Einigende berücksichtigt wird, indem man die Bedeutung des einzelnen
Standes in seinem Wert für die Gesamtheit würdigt und der einzelne Stand
wiederum seine Bestrebungen dem Interesse des Ganzen ein-- und unterordnet.

Eine von solchen Grundsätzen getragene Teilnahme des Beamten an dein
öffentlichen Leben wird gerechtfertigt erscheinen, wird Verständnis finden
in allen übrigen Teilen des Volkes. Sie wird mit dazu beitragen, Aufklärung
über Staats- und Gemeindeeinrichtungen sowie andere sür die Allgemeinheit
wichtige Grundfragen der Politik zu verbreiten, das richtige und gerechte Mas;
des Beistands und der Inanspruchnahme aus Mitteln der Allgemeinheit zu finden.

Freilich gehört zu der politischen Tätigkeit des Beamten ein gewisser
persönlicher Mut, persönliche und materielle Opferfreudigkeit. Dem Ernst der
Zeiten gegenüber wird der Beamte beides nicht versagen, er wird den Weg
zu der Partei suchen und finden, auf welche ihn seine Erziehung und Schulung,
seine Lebenserfahrung und Überzeugung hinweist. Nimmt sein Beamtenverein
sich den besonderen Interessen des Standes an, so wird er innerhalb der
Partei für das Verständnis dieser Interessen wirken, und die Partei wird
unter Berücksichtigung des Interesses der Allgemeinheit bildend und fördernd
in der Richtung der politischen Ausgestaltung des öffentlichen Lebens wirken.

Der Beamte wird solchermaßen den rechten Weg finden, den vor kurzem der
gewiß freiheitlich denkende württembergische Ministerpräsident zu der Frage der
politischen Betätigung der Beamten mit der Erklärung wies: "Es kann der
Regierung nur erwünscht sein, wenn Männer, die in ihren: Berufe ein öffent¬
liches Amt ausüben, sich auch außerhalb ihres Berufes am politischen Leben
beteiligen und dabei ihre beruflichen Erfahrungen der Allgemeinheit nutzbar
machen. Doch ergibt sich aus dem Wesen des öffentlichen Dienstes und der
Stellung der Beamten, daß die Freiheit der politischen Betätigung nicht
unbegrenzt sein kann, vielmehr dein Beamten wie seiner amtlichen und seiner
außeramtlichen Führung überhaupt, so auch hier gewisse Schranken geboten
sind. Diese Schranken sind bedingt durch die gesetzliche Beamtenpflicht, durch
die Pflicht der gewissenhaften Wahrnehmung des Amtes, durch die Amts¬
verschwiegenheit, die Treue gegenüber dem König und der Verfassung."

Sei es nun als Glied einer Beamtenvereinigung, sei es als Bürger des
Staats, immer wird in jeder Lage der Beamte sich leiten lassen von der
alten beherzigenswerten Wahrheit:


Immer strebe zum Ganzen, und kannst du selber kein Ganzes
Werden, als dienendes Glied schließ um ein Ganzes dich an!



Der Beamte als Staatsbürger

kulturellen, unser ganzes Staatsleben berührenden Bestrebungen
liegt die politische Bedeutung, liegt auch der Kern, der von den
Sonderinteressen wieder hinüber führt zur Rücksicht auf das Ganze
des Volks und des Staates. Damit ist die Aussicht und die Zuversicht
gewonnen, daß wieder mehr als bisher das Aussöhnende, das Gemeinsame
und Einigende berücksichtigt wird, indem man die Bedeutung des einzelnen
Standes in seinem Wert für die Gesamtheit würdigt und der einzelne Stand
wiederum seine Bestrebungen dem Interesse des Ganzen ein-- und unterordnet.

Eine von solchen Grundsätzen getragene Teilnahme des Beamten an dein
öffentlichen Leben wird gerechtfertigt erscheinen, wird Verständnis finden
in allen übrigen Teilen des Volkes. Sie wird mit dazu beitragen, Aufklärung
über Staats- und Gemeindeeinrichtungen sowie andere sür die Allgemeinheit
wichtige Grundfragen der Politik zu verbreiten, das richtige und gerechte Mas;
des Beistands und der Inanspruchnahme aus Mitteln der Allgemeinheit zu finden.

Freilich gehört zu der politischen Tätigkeit des Beamten ein gewisser
persönlicher Mut, persönliche und materielle Opferfreudigkeit. Dem Ernst der
Zeiten gegenüber wird der Beamte beides nicht versagen, er wird den Weg
zu der Partei suchen und finden, auf welche ihn seine Erziehung und Schulung,
seine Lebenserfahrung und Überzeugung hinweist. Nimmt sein Beamtenverein
sich den besonderen Interessen des Standes an, so wird er innerhalb der
Partei für das Verständnis dieser Interessen wirken, und die Partei wird
unter Berücksichtigung des Interesses der Allgemeinheit bildend und fördernd
in der Richtung der politischen Ausgestaltung des öffentlichen Lebens wirken.

Der Beamte wird solchermaßen den rechten Weg finden, den vor kurzem der
gewiß freiheitlich denkende württembergische Ministerpräsident zu der Frage der
politischen Betätigung der Beamten mit der Erklärung wies: „Es kann der
Regierung nur erwünscht sein, wenn Männer, die in ihren: Berufe ein öffent¬
liches Amt ausüben, sich auch außerhalb ihres Berufes am politischen Leben
beteiligen und dabei ihre beruflichen Erfahrungen der Allgemeinheit nutzbar
machen. Doch ergibt sich aus dem Wesen des öffentlichen Dienstes und der
Stellung der Beamten, daß die Freiheit der politischen Betätigung nicht
unbegrenzt sein kann, vielmehr dein Beamten wie seiner amtlichen und seiner
außeramtlichen Führung überhaupt, so auch hier gewisse Schranken geboten
sind. Diese Schranken sind bedingt durch die gesetzliche Beamtenpflicht, durch
die Pflicht der gewissenhaften Wahrnehmung des Amtes, durch die Amts¬
verschwiegenheit, die Treue gegenüber dem König und der Verfassung."

Sei es nun als Glied einer Beamtenvereinigung, sei es als Bürger des
Staats, immer wird in jeder Lage der Beamte sich leiten lassen von der
alten beherzigenswerten Wahrheit:


Immer strebe zum Ganzen, und kannst du selber kein Ganzes
Werden, als dienendes Glied schließ um ein Ganzes dich an!



<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0281" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/317894"/>
          <fw type="header" place="top"> Der Beamte als Staatsbürger</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1333" prev="#ID_1332"> kulturellen, unser ganzes Staatsleben berührenden Bestrebungen<lb/>
liegt die politische Bedeutung, liegt auch der Kern, der von den<lb/>
Sonderinteressen wieder hinüber führt zur Rücksicht auf das Ganze<lb/>
des Volks und des Staates. Damit ist die Aussicht und die Zuversicht<lb/>
gewonnen, daß wieder mehr als bisher das Aussöhnende, das Gemeinsame<lb/>
und Einigende berücksichtigt wird, indem man die Bedeutung des einzelnen<lb/>
Standes in seinem Wert für die Gesamtheit würdigt und der einzelne Stand<lb/>
wiederum seine Bestrebungen dem Interesse des Ganzen ein-- und unterordnet.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1334"> Eine von solchen Grundsätzen getragene Teilnahme des Beamten an dein<lb/>
öffentlichen Leben wird gerechtfertigt erscheinen, wird Verständnis finden<lb/>
in allen übrigen Teilen des Volkes. Sie wird mit dazu beitragen, Aufklärung<lb/>
über Staats- und Gemeindeeinrichtungen sowie andere sür die Allgemeinheit<lb/>
wichtige Grundfragen der Politik zu verbreiten, das richtige und gerechte Mas;<lb/>
des Beistands und der Inanspruchnahme aus Mitteln der Allgemeinheit zu finden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1335"> Freilich gehört zu der politischen Tätigkeit des Beamten ein gewisser<lb/>
persönlicher Mut, persönliche und materielle Opferfreudigkeit. Dem Ernst der<lb/>
Zeiten gegenüber wird der Beamte beides nicht versagen, er wird den Weg<lb/>
zu der Partei suchen und finden, auf welche ihn seine Erziehung und Schulung,<lb/>
seine Lebenserfahrung und Überzeugung hinweist. Nimmt sein Beamtenverein<lb/>
sich den besonderen Interessen des Standes an, so wird er innerhalb der<lb/>
Partei für das Verständnis dieser Interessen wirken, und die Partei wird<lb/>
unter Berücksichtigung des Interesses der Allgemeinheit bildend und fördernd<lb/>
in der Richtung der politischen Ausgestaltung des öffentlichen Lebens wirken.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1336"> Der Beamte wird solchermaßen den rechten Weg finden, den vor kurzem der<lb/>
gewiß freiheitlich denkende württembergische Ministerpräsident zu der Frage der<lb/>
politischen Betätigung der Beamten mit der Erklärung wies: &#x201E;Es kann der<lb/>
Regierung nur erwünscht sein, wenn Männer, die in ihren: Berufe ein öffent¬<lb/>
liches Amt ausüben, sich auch außerhalb ihres Berufes am politischen Leben<lb/>
beteiligen und dabei ihre beruflichen Erfahrungen der Allgemeinheit nutzbar<lb/>
machen. Doch ergibt sich aus dem Wesen des öffentlichen Dienstes und der<lb/>
Stellung der Beamten, daß die Freiheit der politischen Betätigung nicht<lb/>
unbegrenzt sein kann, vielmehr dein Beamten wie seiner amtlichen und seiner<lb/>
außeramtlichen Führung überhaupt, so auch hier gewisse Schranken geboten<lb/>
sind. Diese Schranken sind bedingt durch die gesetzliche Beamtenpflicht, durch<lb/>
die Pflicht der gewissenhaften Wahrnehmung des Amtes, durch die Amts¬<lb/>
verschwiegenheit, die Treue gegenüber dem König und der Verfassung."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1337"> Sei es nun als Glied einer Beamtenvereinigung, sei es als Bürger des<lb/>
Staats, immer wird in jeder Lage der Beamte sich leiten lassen von der<lb/>
alten beherzigenswerten Wahrheit:</p><lb/>
          <quote> Immer strebe zum Ganzen, und kannst du selber kein Ganzes<lb/>
Werden, als dienendes Glied schließ um ein Ganzes dich an!</quote><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0281] Der Beamte als Staatsbürger kulturellen, unser ganzes Staatsleben berührenden Bestrebungen liegt die politische Bedeutung, liegt auch der Kern, der von den Sonderinteressen wieder hinüber führt zur Rücksicht auf das Ganze des Volks und des Staates. Damit ist die Aussicht und die Zuversicht gewonnen, daß wieder mehr als bisher das Aussöhnende, das Gemeinsame und Einigende berücksichtigt wird, indem man die Bedeutung des einzelnen Standes in seinem Wert für die Gesamtheit würdigt und der einzelne Stand wiederum seine Bestrebungen dem Interesse des Ganzen ein-- und unterordnet. Eine von solchen Grundsätzen getragene Teilnahme des Beamten an dein öffentlichen Leben wird gerechtfertigt erscheinen, wird Verständnis finden in allen übrigen Teilen des Volkes. Sie wird mit dazu beitragen, Aufklärung über Staats- und Gemeindeeinrichtungen sowie andere sür die Allgemeinheit wichtige Grundfragen der Politik zu verbreiten, das richtige und gerechte Mas; des Beistands und der Inanspruchnahme aus Mitteln der Allgemeinheit zu finden. Freilich gehört zu der politischen Tätigkeit des Beamten ein gewisser persönlicher Mut, persönliche und materielle Opferfreudigkeit. Dem Ernst der Zeiten gegenüber wird der Beamte beides nicht versagen, er wird den Weg zu der Partei suchen und finden, auf welche ihn seine Erziehung und Schulung, seine Lebenserfahrung und Überzeugung hinweist. Nimmt sein Beamtenverein sich den besonderen Interessen des Standes an, so wird er innerhalb der Partei für das Verständnis dieser Interessen wirken, und die Partei wird unter Berücksichtigung des Interesses der Allgemeinheit bildend und fördernd in der Richtung der politischen Ausgestaltung des öffentlichen Lebens wirken. Der Beamte wird solchermaßen den rechten Weg finden, den vor kurzem der gewiß freiheitlich denkende württembergische Ministerpräsident zu der Frage der politischen Betätigung der Beamten mit der Erklärung wies: „Es kann der Regierung nur erwünscht sein, wenn Männer, die in ihren: Berufe ein öffent¬ liches Amt ausüben, sich auch außerhalb ihres Berufes am politischen Leben beteiligen und dabei ihre beruflichen Erfahrungen der Allgemeinheit nutzbar machen. Doch ergibt sich aus dem Wesen des öffentlichen Dienstes und der Stellung der Beamten, daß die Freiheit der politischen Betätigung nicht unbegrenzt sein kann, vielmehr dein Beamten wie seiner amtlichen und seiner außeramtlichen Führung überhaupt, so auch hier gewisse Schranken geboten sind. Diese Schranken sind bedingt durch die gesetzliche Beamtenpflicht, durch die Pflicht der gewissenhaften Wahrnehmung des Amtes, durch die Amts¬ verschwiegenheit, die Treue gegenüber dem König und der Verfassung." Sei es nun als Glied einer Beamtenvereinigung, sei es als Bürger des Staats, immer wird in jeder Lage der Beamte sich leiten lassen von der alten beherzigenswerten Wahrheit: Immer strebe zum Ganzen, und kannst du selber kein Ganzes Werden, als dienendes Glied schließ um ein Ganzes dich an!

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_317612
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_317612/281
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_317612/281>, abgerufen am 24.07.2024.