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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Erstes Vierteljahr.

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Der Beamte als Staatsbürger

Möglichkeit ausgiebiger Verteidigung gewähren, Berufung und schließlich auch
eine Wiederaufnahme des Verfahrens kennen. Gerade weil das Verhältnis
des Beamten zum Staat nicht aufgeht nur in der Leistung der täglichen
Arbeitsmenge und der Bezahlung hierfür, weil es ein viel tiefer dringendes
und sein Denken und Fühlen beeinflussendes ist, verlangen wir ein gründlich
ausgestattetes, klares und übersichtliches Beamtenrecht. Daran fehlt
es in vielen Staaten nicht. Aber daß diese bestehende Gesetzgebung noch manche
Wünsche übrig läßt, das haben doch so manche in letzter Zeit bekannt gegebenen
Disziplinarfälle gezeigt. Und daß diese Gesetzgebungen, daß namentlich die
Beamtenstatute der einzelnen Kommunen die größten Verschiedenheiten auf¬
weisen, das wird auch nicht bestritten werden können. Darum wünschen wir
eine tunlichste Vereinheitlichung dieses ganzen Beamtenrechts, ein Vorangehen im
Deutschen Reich, ein Nachfolgen in den einzelnen Bundesstaaten, in den
Kommunen. Kommunen, Staat und Reich sind übermächtige Arbeitgeber ohne
Konkurrenz; sie haben auch gegen ihre Beamten eine im weitesten Sinne soziale
Verpflichtung zu erfüllen.

Daß deren Erfüllung die notwendige weniger erfreuliche Folge eines be¬
deutenden Aufwands im Staatshaushalt verursacht, ist eine Wirkung, die den
Steuerzahler in empfindlicher Weise trifft. Aber zu diesen Steuerzahlern gehört
auch wieder der Beamte selbst und er hat darum selbst -- übrigens nicht bloß
aus diesem Grund -- allen Anlaß mit dahin zu wirken, daß die Vermehrung
der Zahl der Beamten, daß seine Masse nicht in das Ungemessene wächst.
Man würde einen großen Fehler begehen, wenn man sich dem Eindruck ver¬
schließen wollte, den die Höhe des Aufwands für die Beamten auf das
Volk im allgemeinen macht. Derselbe muß schätzungsweise auf mehrere
Milliarden angenommen werden. Darum ist es dringend geboten, die staat¬
liche Einrichtung der Ämter und Stellen so zu gestalten, daß die Geschäfte
rasch, daß sie auch möglichst einfach erledigt, daß das Volk sich leicht in dem
Gang der Geschäfte zurecht finden kann, daß überall ein sachdienliches Entgegen¬
kommen geübt wird. Dadurch wird es möglich werden, nicht zu einer fort¬
gesetzten mechanischen Vermehrung der Stellen und der Beamten zu schreiten.
Wohl aber wird sich durch eine systematische organisatorische Umwandlung eine
Reform durchführen lassen, mittels der wir in Verbindung mit der veränderten,
den modernen Zeitverhältnissen angepaßten Auffassung über die Bedeutung und
die rechtliche Stellung des Beamten zum Staat und zur übrigen Bürgerschaft
erreichen, daß unser Beamtentum nicht altmodisch wird, sondern in lebhafter,
angeregter, geistiger Fühlung mit allen Teilen des Volks, in wertvoller ersprie߬
licher Wechselwirkung als tüchtiger Mitarbeiter an den: Blühen und Gedeihen
aller Stände, an den: Glück und der Wohlfahrt des ganzen Volkes, an der
Erhaltung und Festigung des Staates geachtet wird.

Und damit bin ich wieder bei dem Ausgangspunkt meiner Darlegungen
angelangt. In dem Hervorkehren und Betonen dieser ideellen und


Der Beamte als Staatsbürger

Möglichkeit ausgiebiger Verteidigung gewähren, Berufung und schließlich auch
eine Wiederaufnahme des Verfahrens kennen. Gerade weil das Verhältnis
des Beamten zum Staat nicht aufgeht nur in der Leistung der täglichen
Arbeitsmenge und der Bezahlung hierfür, weil es ein viel tiefer dringendes
und sein Denken und Fühlen beeinflussendes ist, verlangen wir ein gründlich
ausgestattetes, klares und übersichtliches Beamtenrecht. Daran fehlt
es in vielen Staaten nicht. Aber daß diese bestehende Gesetzgebung noch manche
Wünsche übrig läßt, das haben doch so manche in letzter Zeit bekannt gegebenen
Disziplinarfälle gezeigt. Und daß diese Gesetzgebungen, daß namentlich die
Beamtenstatute der einzelnen Kommunen die größten Verschiedenheiten auf¬
weisen, das wird auch nicht bestritten werden können. Darum wünschen wir
eine tunlichste Vereinheitlichung dieses ganzen Beamtenrechts, ein Vorangehen im
Deutschen Reich, ein Nachfolgen in den einzelnen Bundesstaaten, in den
Kommunen. Kommunen, Staat und Reich sind übermächtige Arbeitgeber ohne
Konkurrenz; sie haben auch gegen ihre Beamten eine im weitesten Sinne soziale
Verpflichtung zu erfüllen.

Daß deren Erfüllung die notwendige weniger erfreuliche Folge eines be¬
deutenden Aufwands im Staatshaushalt verursacht, ist eine Wirkung, die den
Steuerzahler in empfindlicher Weise trifft. Aber zu diesen Steuerzahlern gehört
auch wieder der Beamte selbst und er hat darum selbst — übrigens nicht bloß
aus diesem Grund — allen Anlaß mit dahin zu wirken, daß die Vermehrung
der Zahl der Beamten, daß seine Masse nicht in das Ungemessene wächst.
Man würde einen großen Fehler begehen, wenn man sich dem Eindruck ver¬
schließen wollte, den die Höhe des Aufwands für die Beamten auf das
Volk im allgemeinen macht. Derselbe muß schätzungsweise auf mehrere
Milliarden angenommen werden. Darum ist es dringend geboten, die staat¬
liche Einrichtung der Ämter und Stellen so zu gestalten, daß die Geschäfte
rasch, daß sie auch möglichst einfach erledigt, daß das Volk sich leicht in dem
Gang der Geschäfte zurecht finden kann, daß überall ein sachdienliches Entgegen¬
kommen geübt wird. Dadurch wird es möglich werden, nicht zu einer fort¬
gesetzten mechanischen Vermehrung der Stellen und der Beamten zu schreiten.
Wohl aber wird sich durch eine systematische organisatorische Umwandlung eine
Reform durchführen lassen, mittels der wir in Verbindung mit der veränderten,
den modernen Zeitverhältnissen angepaßten Auffassung über die Bedeutung und
die rechtliche Stellung des Beamten zum Staat und zur übrigen Bürgerschaft
erreichen, daß unser Beamtentum nicht altmodisch wird, sondern in lebhafter,
angeregter, geistiger Fühlung mit allen Teilen des Volks, in wertvoller ersprie߬
licher Wechselwirkung als tüchtiger Mitarbeiter an den: Blühen und Gedeihen
aller Stände, an den: Glück und der Wohlfahrt des ganzen Volkes, an der
Erhaltung und Festigung des Staates geachtet wird.

Und damit bin ich wieder bei dem Ausgangspunkt meiner Darlegungen
angelangt. In dem Hervorkehren und Betonen dieser ideellen und


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[0280] Der Beamte als Staatsbürger Möglichkeit ausgiebiger Verteidigung gewähren, Berufung und schließlich auch eine Wiederaufnahme des Verfahrens kennen. Gerade weil das Verhältnis des Beamten zum Staat nicht aufgeht nur in der Leistung der täglichen Arbeitsmenge und der Bezahlung hierfür, weil es ein viel tiefer dringendes und sein Denken und Fühlen beeinflussendes ist, verlangen wir ein gründlich ausgestattetes, klares und übersichtliches Beamtenrecht. Daran fehlt es in vielen Staaten nicht. Aber daß diese bestehende Gesetzgebung noch manche Wünsche übrig läßt, das haben doch so manche in letzter Zeit bekannt gegebenen Disziplinarfälle gezeigt. Und daß diese Gesetzgebungen, daß namentlich die Beamtenstatute der einzelnen Kommunen die größten Verschiedenheiten auf¬ weisen, das wird auch nicht bestritten werden können. Darum wünschen wir eine tunlichste Vereinheitlichung dieses ganzen Beamtenrechts, ein Vorangehen im Deutschen Reich, ein Nachfolgen in den einzelnen Bundesstaaten, in den Kommunen. Kommunen, Staat und Reich sind übermächtige Arbeitgeber ohne Konkurrenz; sie haben auch gegen ihre Beamten eine im weitesten Sinne soziale Verpflichtung zu erfüllen. Daß deren Erfüllung die notwendige weniger erfreuliche Folge eines be¬ deutenden Aufwands im Staatshaushalt verursacht, ist eine Wirkung, die den Steuerzahler in empfindlicher Weise trifft. Aber zu diesen Steuerzahlern gehört auch wieder der Beamte selbst und er hat darum selbst — übrigens nicht bloß aus diesem Grund — allen Anlaß mit dahin zu wirken, daß die Vermehrung der Zahl der Beamten, daß seine Masse nicht in das Ungemessene wächst. Man würde einen großen Fehler begehen, wenn man sich dem Eindruck ver¬ schließen wollte, den die Höhe des Aufwands für die Beamten auf das Volk im allgemeinen macht. Derselbe muß schätzungsweise auf mehrere Milliarden angenommen werden. Darum ist es dringend geboten, die staat¬ liche Einrichtung der Ämter und Stellen so zu gestalten, daß die Geschäfte rasch, daß sie auch möglichst einfach erledigt, daß das Volk sich leicht in dem Gang der Geschäfte zurecht finden kann, daß überall ein sachdienliches Entgegen¬ kommen geübt wird. Dadurch wird es möglich werden, nicht zu einer fort¬ gesetzten mechanischen Vermehrung der Stellen und der Beamten zu schreiten. Wohl aber wird sich durch eine systematische organisatorische Umwandlung eine Reform durchführen lassen, mittels der wir in Verbindung mit der veränderten, den modernen Zeitverhältnissen angepaßten Auffassung über die Bedeutung und die rechtliche Stellung des Beamten zum Staat und zur übrigen Bürgerschaft erreichen, daß unser Beamtentum nicht altmodisch wird, sondern in lebhafter, angeregter, geistiger Fühlung mit allen Teilen des Volks, in wertvoller ersprie߬ licher Wechselwirkung als tüchtiger Mitarbeiter an den: Blühen und Gedeihen aller Stände, an den: Glück und der Wohlfahrt des ganzen Volkes, an der Erhaltung und Festigung des Staates geachtet wird. Und damit bin ich wieder bei dem Ausgangspunkt meiner Darlegungen angelangt. In dem Hervorkehren und Betonen dieser ideellen und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_317612/280>, abgerufen am 29.12.2024.