Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Erstes Vierteljahr.Im Flecke" "Das tut nur sehr leid," hatte der Staatsanwalt versetzt. "Aber vergessen "Herr Staatsanwalt," hatte er erwidert, "das dürfte der Fall sein, wenn "Das würden Sie doch können." "Es ist die Frage, Herr Staatsanwalt. Ich habe damals den Polizei¬ "Etwas Wahres liegt in Ihren Worten," hatte der Staatsanwalt kopfnickend "Ich gestehe," hatte Okolitsch darauf lächelnd gesagt, "daß ich allerdings "Ja, wahrlich, junger Freund," hatte der Staatsanwalt gerufen, "wenn es "Aber die Freude, die Freude!" rief, als Okolitsch sich in Gedanken das "Ja," sprach der Sohn, indem er tiefer atmete, "Schejins sind jetzt wieder "Aber, Borenka," sagte die Frau, verwundert stehen bleibend, "wie redest "Der Himmel bewahre, Mamchen!" versetzte er hastig. "Niemand kann "Aber wahr ist es doch," setzte erhinzu und beugte sichhastig zuVoi nieder, um ihn Die Mutter warf noch einen scharfen Blick auf ihn und ging in die Küche, "Durch ihn haben sie es wieder, nur durch ihn." (Fortsetzung folgt.) Im Flecke» „Das tut nur sehr leid," hatte der Staatsanwalt versetzt. „Aber vergessen „Herr Staatsanwalt," hatte er erwidert, „das dürfte der Fall sein, wenn „Das würden Sie doch können." „Es ist die Frage, Herr Staatsanwalt. Ich habe damals den Polizei¬ „Etwas Wahres liegt in Ihren Worten," hatte der Staatsanwalt kopfnickend „Ich gestehe," hatte Okolitsch darauf lächelnd gesagt, „daß ich allerdings „Ja, wahrlich, junger Freund," hatte der Staatsanwalt gerufen, „wenn es „Aber die Freude, die Freude!" rief, als Okolitsch sich in Gedanken das „Ja," sprach der Sohn, indem er tiefer atmete, „Schejins sind jetzt wieder „Aber, Borenka," sagte die Frau, verwundert stehen bleibend, „wie redest „Der Himmel bewahre, Mamchen!" versetzte er hastig. „Niemand kann „Aber wahr ist es doch," setzte erhinzu und beugte sichhastig zuVoi nieder, um ihn Die Mutter warf noch einen scharfen Blick auf ihn und ging in die Küche, „Durch ihn haben sie es wieder, nur durch ihn." (Fortsetzung folgt.) <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0200" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/317813"/> <fw type="header" place="top"> Im Flecke»</fw><lb/> <p xml:id="ID_1003"> „Das tut nur sehr leid," hatte der Staatsanwalt versetzt. „Aber vergessen<lb/> Sie dabei nicht, daß der Posten des Bezirksaufsehers ein vorübergehender sein<lb/> könnte. Es ließe sich vielleicht einrichten, daß Sie bald Gehilfe des Kreischefs<lb/> würden. Dann hätten Sie die Kanzlei unter sich, und Ihr häusliches Leben ließe<lb/> sich fast ebenso ruhig und regelmäßig gestalten wie jetzt."</p><lb/> <p xml:id="ID_1004"> „Herr Staatsanwalt," hatte er erwidert, „das dürfte der Fall sein, wenn<lb/> es mir gelänge, mir die besondere Gunst der Obrigkeit zu erwerben."</p><lb/> <p xml:id="ID_1005"> „Das würden Sie doch können."</p><lb/> <p xml:id="ID_1006"> „Es ist die Frage, Herr Staatsanwalt. Ich habe damals den Polizei¬<lb/> dienst etwas beobachtet. Selbständiges Handeln oder gar Widerspruch wird dort<lb/> nicht geduldet. Erregte ich durch meine abweichende Ansicht die Unzufriedenheit<lb/> z. B. des Gouvernementschefs und wollte ich wagen, meine Ansicht zu vertreten,<lb/> so wäre ich wahrscheinlich im Augenblick in Ungnade gefallen, und mit meiner<lb/> Polizeikarriere wäre es aus. Ich entschließe mich nicht, das Wohl meiner Mutter<lb/> auf ein so unsicheres Spiel zu setzen."</p><lb/> <p xml:id="ID_1007"> „Etwas Wahres liegt in Ihren Worten," hatte der Staatsanwalt kopfnickend<lb/> zugegeben. „Es ist auch nicht anders möglich, gerade weil das Personal vielfach<lb/> nicht so beschaffen ist, wie es sein sollte. Ich will nicht in Sie dringen, aber<lb/> leid tut es mir, denn Sie wären zu solcher Beschäftigung, zur Verfolgung und<lb/> Aufdeckung von Verbrechen geeignet wie wenige."</p><lb/> <p xml:id="ID_1008"> „Ich gestehe," hatte Okolitsch darauf lächelnd gesagt, „daß ich allerdings<lb/> solcher Arbeit nicht abgeneigt wäre. Es kommt mir vor wie eine Art Jagd,<lb/> einerlei, ob es die Überführung eines Verbrechers oder die Rechtfertigung eines<lb/> unschuldig Verdächtigten betrifft. — Hütte ich die Universität beziehen können,"<lb/> hatte er traurig hinzugesetzt, „so wäre ich Jurist geworden. Untersuchungsrichter<lb/> — das wäre der Beruf, welchem ich mich mit Leib und Seele widmen möchte."</p><lb/> <p xml:id="ID_1009"> „Ja, wahrlich, junger Freund," hatte der Staatsanwalt gerufen, „wenn es<lb/> in meiner Macht läge, zum Untersuchungsrichter machte ich Sie im Augenblick.<lb/> Leider, leider geht das nicht, denn in der neuen Zeit ist es ohne Absolvierung<lb/> der Fakultät zur Unmöglichkeit geworden. Schade, jammerschade!"</p><lb/> <p xml:id="ID_1010"> „Aber die Freude, die Freude!" rief, als Okolitsch sich in Gedanken das<lb/> Gespräch wiederholt hatte, wohl zum zehnten Male die Mutter, indem sie durch das<lb/> Zimnier ging. „Andrej Fomitsch und Olenka haben ihr Geld wieder! Die Freude!"</p><lb/> <p xml:id="ID_1011"> „Ja," sprach der Sohn, indem er tiefer atmete, „Schejins sind jetzt wieder<lb/> wohlhabend, sogar verhältnismäßig reich, und wir — sind arm."</p><lb/> <p xml:id="ID_1012"> „Aber, Borenka," sagte die Frau, verwundert stehen bleibend, „wie redest<lb/> du! Es klingt fast, als ob du es ihnen nicht gönntest!"</p><lb/> <p xml:id="ID_1013"> „Der Himmel bewahre, Mamchen!" versetzte er hastig. „Niemand kann<lb/> froher darüber sein als ich."</p><lb/> <p xml:id="ID_1014"> „Aber wahr ist es doch," setzte erhinzu und beugte sichhastig zuVoi nieder, um ihn<lb/> zu streicheln. Es war fast, als ob er vor der Mutter sein Gesicht verbergen wollte.</p><lb/> <p xml:id="ID_1015"> Die Mutter warf noch einen scharfen Blick auf ihn und ging in die Küche,<lb/> wo sie das Teegeschirr zum Morgen in Bereitschaft setzte. Sie nickte dabei wie<lb/> trotzig mit dem Kopfe und wiederholte mehrmals:</p><lb/> <p xml:id="ID_1016"> „Durch ihn haben sie es wieder, nur durch ihn." 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Im Flecke»
„Das tut nur sehr leid," hatte der Staatsanwalt versetzt. „Aber vergessen
Sie dabei nicht, daß der Posten des Bezirksaufsehers ein vorübergehender sein
könnte. Es ließe sich vielleicht einrichten, daß Sie bald Gehilfe des Kreischefs
würden. Dann hätten Sie die Kanzlei unter sich, und Ihr häusliches Leben ließe
sich fast ebenso ruhig und regelmäßig gestalten wie jetzt."
„Herr Staatsanwalt," hatte er erwidert, „das dürfte der Fall sein, wenn
es mir gelänge, mir die besondere Gunst der Obrigkeit zu erwerben."
„Das würden Sie doch können."
„Es ist die Frage, Herr Staatsanwalt. Ich habe damals den Polizei¬
dienst etwas beobachtet. Selbständiges Handeln oder gar Widerspruch wird dort
nicht geduldet. Erregte ich durch meine abweichende Ansicht die Unzufriedenheit
z. B. des Gouvernementschefs und wollte ich wagen, meine Ansicht zu vertreten,
so wäre ich wahrscheinlich im Augenblick in Ungnade gefallen, und mit meiner
Polizeikarriere wäre es aus. Ich entschließe mich nicht, das Wohl meiner Mutter
auf ein so unsicheres Spiel zu setzen."
„Etwas Wahres liegt in Ihren Worten," hatte der Staatsanwalt kopfnickend
zugegeben. „Es ist auch nicht anders möglich, gerade weil das Personal vielfach
nicht so beschaffen ist, wie es sein sollte. Ich will nicht in Sie dringen, aber
leid tut es mir, denn Sie wären zu solcher Beschäftigung, zur Verfolgung und
Aufdeckung von Verbrechen geeignet wie wenige."
„Ich gestehe," hatte Okolitsch darauf lächelnd gesagt, „daß ich allerdings
solcher Arbeit nicht abgeneigt wäre. Es kommt mir vor wie eine Art Jagd,
einerlei, ob es die Überführung eines Verbrechers oder die Rechtfertigung eines
unschuldig Verdächtigten betrifft. — Hütte ich die Universität beziehen können,"
hatte er traurig hinzugesetzt, „so wäre ich Jurist geworden. Untersuchungsrichter
— das wäre der Beruf, welchem ich mich mit Leib und Seele widmen möchte."
„Ja, wahrlich, junger Freund," hatte der Staatsanwalt gerufen, „wenn es
in meiner Macht läge, zum Untersuchungsrichter machte ich Sie im Augenblick.
Leider, leider geht das nicht, denn in der neuen Zeit ist es ohne Absolvierung
der Fakultät zur Unmöglichkeit geworden. Schade, jammerschade!"
„Aber die Freude, die Freude!" rief, als Okolitsch sich in Gedanken das
Gespräch wiederholt hatte, wohl zum zehnten Male die Mutter, indem sie durch das
Zimnier ging. „Andrej Fomitsch und Olenka haben ihr Geld wieder! Die Freude!"
„Ja," sprach der Sohn, indem er tiefer atmete, „Schejins sind jetzt wieder
wohlhabend, sogar verhältnismäßig reich, und wir — sind arm."
„Aber, Borenka," sagte die Frau, verwundert stehen bleibend, „wie redest
du! Es klingt fast, als ob du es ihnen nicht gönntest!"
„Der Himmel bewahre, Mamchen!" versetzte er hastig. „Niemand kann
froher darüber sein als ich."
„Aber wahr ist es doch," setzte erhinzu und beugte sichhastig zuVoi nieder, um ihn
zu streicheln. Es war fast, als ob er vor der Mutter sein Gesicht verbergen wollte.
Die Mutter warf noch einen scharfen Blick auf ihn und ging in die Küche,
wo sie das Teegeschirr zum Morgen in Bereitschaft setzte. Sie nickte dabei wie
trotzig mit dem Kopfe und wiederholte mehrmals:
„Durch ihn haben sie es wieder, nur durch ihn." (Fortsetzung folgt.)
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