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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Erstes Vierteljahr.

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Reichsspiegel

großen Aktienbanken ziehen ihre Netze immer weiter und immer dichter über
das Reich; sie errichten immer neue Filialen oder gliedern sich ältere, an kleineren
Plätzen bestehende solide Bankgeschäfte an; so wurde kürzlich die Oberschlesische
Bank in Beuthen in eine Filiale der Dresdner Bank umgewandelt. Man mag es
bedauern, daß damit der Typ des selbständigen Privatbankiers, der seine Kundschaft
individuell zu beraten weiß, immer mehr verschwindet; aber gegen diese aufsaugende,
diese zentripetale Kraft des Großkapitals sich zu stemmen, ist ein eitles, ein frucht¬
loses Beginnen, ja mitunter sogar ein gefährliches. Und wenn nun der Konkurrenz¬
kampf gegen die Übermacht der Großbank den kleineren Bankier zu immer
größeren Anstrengungen zwingt -- muß da nicht die Gefahr latent sein, daß
schließlich der kleine Sparer, der Kunde des Privatbankiers, die Kosten des Wett¬
bewerbes zu tragen hat? Daß er schließlich entweder alles verliert oder froh
sein muß, mit einem blauen Auge davon zu kommen? So verhältnismäßig viel
größer auch die Sicherheit ist, die eine gutfundierte Aktienbank etwa im Stil der
O-Banken dem sparenden Publikum zu bieten vermag, so werden unseres Ercichtens
Regierung und Reichstag auf die Dauer doch nicht um das Problem eines
Depotgcsetzes herumkommen-, selbst die besten wirtschaftlichen Verhältnisse sind
Wandlungen und Erschütterungen unterworfen, und unter allen Umständen ist der
Schutz der Spargroschen vor den Spekulationen einer waghalsigen Bankleitung
eine der zwingendsten Pflichten des Staates. Gewiß ist diese Aufgabe nicht leicht,
wenn aber Amerika sie schon gelöst hat -- ob gut oder schlecht, wollen wir hier
nicht entscheiden --, so brauchen auch unsere berühmten deutschen Finanz- und
Gesetzeskünstler nicht davor zurückzuschrecken. Und sie werden die Aufgabe um so
besser lösen können, in je gesicherteren, ruhigeren und stetigeren wirtschaftlichen
Verhältnissen wir leben. Ist erst das Kind in den Brunnen gefallen, dann ist es
gemeinhin zu spät, ihn zuzudecken.

Ein nicht minder wichtiges Ereignis wie jene bedeutsame Anleihe ist die vor
einigen Tagen erfolgte Gründung der Deutschen Betriebsgesellschaft für drahtlose




Anzeigen-Annahme für diesen Teil beim Verlag der Grenzvoten G. in. b. H.,
Berlin 8W. II, Bernburger Straße 22 a/23.




Reichsspiegel

großen Aktienbanken ziehen ihre Netze immer weiter und immer dichter über
das Reich; sie errichten immer neue Filialen oder gliedern sich ältere, an kleineren
Plätzen bestehende solide Bankgeschäfte an; so wurde kürzlich die Oberschlesische
Bank in Beuthen in eine Filiale der Dresdner Bank umgewandelt. Man mag es
bedauern, daß damit der Typ des selbständigen Privatbankiers, der seine Kundschaft
individuell zu beraten weiß, immer mehr verschwindet; aber gegen diese aufsaugende,
diese zentripetale Kraft des Großkapitals sich zu stemmen, ist ein eitles, ein frucht¬
loses Beginnen, ja mitunter sogar ein gefährliches. Und wenn nun der Konkurrenz¬
kampf gegen die Übermacht der Großbank den kleineren Bankier zu immer
größeren Anstrengungen zwingt — muß da nicht die Gefahr latent sein, daß
schließlich der kleine Sparer, der Kunde des Privatbankiers, die Kosten des Wett¬
bewerbes zu tragen hat? Daß er schließlich entweder alles verliert oder froh
sein muß, mit einem blauen Auge davon zu kommen? So verhältnismäßig viel
größer auch die Sicherheit ist, die eine gutfundierte Aktienbank etwa im Stil der
O-Banken dem sparenden Publikum zu bieten vermag, so werden unseres Ercichtens
Regierung und Reichstag auf die Dauer doch nicht um das Problem eines
Depotgcsetzes herumkommen-, selbst die besten wirtschaftlichen Verhältnisse sind
Wandlungen und Erschütterungen unterworfen, und unter allen Umständen ist der
Schutz der Spargroschen vor den Spekulationen einer waghalsigen Bankleitung
eine der zwingendsten Pflichten des Staates. Gewiß ist diese Aufgabe nicht leicht,
wenn aber Amerika sie schon gelöst hat — ob gut oder schlecht, wollen wir hier
nicht entscheiden —, so brauchen auch unsere berühmten deutschen Finanz- und
Gesetzeskünstler nicht davor zurückzuschrecken. Und sie werden die Aufgabe um so
besser lösen können, in je gesicherteren, ruhigeren und stetigeren wirtschaftlichen
Verhältnissen wir leben. Ist erst das Kind in den Brunnen gefallen, dann ist es
gemeinhin zu spät, ihn zuzudecken.

Ein nicht minder wichtiges Ereignis wie jene bedeutsame Anleihe ist die vor
einigen Tagen erfolgte Gründung der Deutschen Betriebsgesellschaft für drahtlose




Anzeigen-Annahme für diesen Teil beim Verlag der Grenzvoten G. in. b. H.,
Berlin 8W. II, Bernburger Straße 22 a/23.




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[0165] Reichsspiegel großen Aktienbanken ziehen ihre Netze immer weiter und immer dichter über das Reich; sie errichten immer neue Filialen oder gliedern sich ältere, an kleineren Plätzen bestehende solide Bankgeschäfte an; so wurde kürzlich die Oberschlesische Bank in Beuthen in eine Filiale der Dresdner Bank umgewandelt. Man mag es bedauern, daß damit der Typ des selbständigen Privatbankiers, der seine Kundschaft individuell zu beraten weiß, immer mehr verschwindet; aber gegen diese aufsaugende, diese zentripetale Kraft des Großkapitals sich zu stemmen, ist ein eitles, ein frucht¬ loses Beginnen, ja mitunter sogar ein gefährliches. Und wenn nun der Konkurrenz¬ kampf gegen die Übermacht der Großbank den kleineren Bankier zu immer größeren Anstrengungen zwingt — muß da nicht die Gefahr latent sein, daß schließlich der kleine Sparer, der Kunde des Privatbankiers, die Kosten des Wett¬ bewerbes zu tragen hat? Daß er schließlich entweder alles verliert oder froh sein muß, mit einem blauen Auge davon zu kommen? So verhältnismäßig viel größer auch die Sicherheit ist, die eine gutfundierte Aktienbank etwa im Stil der O-Banken dem sparenden Publikum zu bieten vermag, so werden unseres Ercichtens Regierung und Reichstag auf die Dauer doch nicht um das Problem eines Depotgcsetzes herumkommen-, selbst die besten wirtschaftlichen Verhältnisse sind Wandlungen und Erschütterungen unterworfen, und unter allen Umständen ist der Schutz der Spargroschen vor den Spekulationen einer waghalsigen Bankleitung eine der zwingendsten Pflichten des Staates. Gewiß ist diese Aufgabe nicht leicht, wenn aber Amerika sie schon gelöst hat — ob gut oder schlecht, wollen wir hier nicht entscheiden —, so brauchen auch unsere berühmten deutschen Finanz- und Gesetzeskünstler nicht davor zurückzuschrecken. Und sie werden die Aufgabe um so besser lösen können, in je gesicherteren, ruhigeren und stetigeren wirtschaftlichen Verhältnissen wir leben. Ist erst das Kind in den Brunnen gefallen, dann ist es gemeinhin zu spät, ihn zuzudecken. Ein nicht minder wichtiges Ereignis wie jene bedeutsame Anleihe ist die vor einigen Tagen erfolgte Gründung der Deutschen Betriebsgesellschaft für drahtlose Anzeigen-Annahme für diesen Teil beim Verlag der Grenzvoten G. in. b. H., Berlin 8W. II, Bernburger Straße 22 a/23.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_317612/165>, abgerufen am 29.12.2024.