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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Viertes Vierteljahr.

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Im Flecken

"So? Ich habe nichts davon gehört, daß du mit jemand hier in Verbindung
stehest."

Räbzow strich den Bart auseinander und blickte schlau auf den Hausherrn.

"Könntest davon auch nichts hören, Väterchen, konntest nicht. Ich habe mit
niemand darüber gesprochen."

Botscharow sah ihn fragend an.

"Hin, das heißt," fuhr Räbzow fort, "bisher habe ich hier nichts zu tun
gehabt, aber ich denke hier ein Geschäft einzuleiten."

"Eine kaufmännische Operation?" warf Botscharow leicht hin, aber sein
Gesicht erhielt einen mißtrauischen Zug.

"M--ja, natürlich, natürlich. Ich bin Kaufmann und will nichts anderes
sein. Ich mache keine andere Operationen als kaufmännische, rein kaufmännische."

"Willst vielleicht wie in früheren Zeiten in der Umgegend ein Waldstück zum
Abholzen erstehen?"

Botscharow sagte das mit Lachen, aber das Lachen klang sehr gezwungen.

"Und wenn das so wäre?" entgegnete Räbzow und kniff die Augen zusammen.

"Mit mir zusammen wie damals?"

"Sage, Tit Grigorjewitsch, liebst du Kompagniegeschäfte?"

Botscharow schwieg ein Weilchen.

"Mit einem guten Menschen, wenn ihm daran liegt," antwortete er dann
bedächtig, "ich weiß nicht, ich glaube, ich würde mich nicht zurückziehen. Aber
lieben? Nein. Gott sei Dank, ich habe es nicht nötig. Die Geschäfte, die es
hier im Kreise geben kann, wo ich dazu da bin, sind mir nicht zu groß. Ich kann
sie allein besorgen."

"Gut, gut," versetzte Räbzow. "Das gefällt mir. Ich sehe, du bist, wie man
dich geschildert hat. Gut, sehr gut. Hin, wenn sich mir ein Geschäft bietet, werde
ich es also allein übernehmen. Ich bin ganz deiner Ansicht. Ich halte auch nichts
von Kompagnons."

Botscharow stand auf und ging einigemal das Kabinett entlang.

"Höre, Kusma Karpowitsch," sprach er, indem er sich vor dem Gaste hinstellte,
"wir kennen uns ein halbes menschliches Leben, sind beide Leute alten Schlages,
gehören zur kaufmännischen Nation. Wir brauchen uns voreinander nicht zu ver¬
stecken. Was sollen die halben Reden! Geradeheraus. Hast du die Absicht, hier
ein Waldstück zu kaufen?"

"Wollen wir annehmen, ich hätte die Absicht."

"Hier im Kreise?"

"Hier im Kreise."

"Wo ich die Hand darauf halte?"

"Nu, was ist, wenn du die Hand darauf hältst? Ich kaufe, und dann halte
ich die Hand darauf."

"Und du meinst, ich würde das zugeben, würde mich so ohne Umstände bei¬
seite schieben lassen?"

"Eh, Bruder, du vermagst doch nicht den ganzen Kreis mit der Hand
zuzudecken. Werden genug Spalten zwischen deinen Fingern bleiben, wo ein anderer
sich hineinsetzen kann."

"Das denkst du?"


Im Flecken

„So? Ich habe nichts davon gehört, daß du mit jemand hier in Verbindung
stehest."

Räbzow strich den Bart auseinander und blickte schlau auf den Hausherrn.

„Könntest davon auch nichts hören, Väterchen, konntest nicht. Ich habe mit
niemand darüber gesprochen."

Botscharow sah ihn fragend an.

„Hin, das heißt," fuhr Räbzow fort, „bisher habe ich hier nichts zu tun
gehabt, aber ich denke hier ein Geschäft einzuleiten."

„Eine kaufmännische Operation?" warf Botscharow leicht hin, aber sein
Gesicht erhielt einen mißtrauischen Zug.

„M—ja, natürlich, natürlich. Ich bin Kaufmann und will nichts anderes
sein. Ich mache keine andere Operationen als kaufmännische, rein kaufmännische."

„Willst vielleicht wie in früheren Zeiten in der Umgegend ein Waldstück zum
Abholzen erstehen?"

Botscharow sagte das mit Lachen, aber das Lachen klang sehr gezwungen.

„Und wenn das so wäre?" entgegnete Räbzow und kniff die Augen zusammen.

„Mit mir zusammen wie damals?"

„Sage, Tit Grigorjewitsch, liebst du Kompagniegeschäfte?"

Botscharow schwieg ein Weilchen.

„Mit einem guten Menschen, wenn ihm daran liegt," antwortete er dann
bedächtig, „ich weiß nicht, ich glaube, ich würde mich nicht zurückziehen. Aber
lieben? Nein. Gott sei Dank, ich habe es nicht nötig. Die Geschäfte, die es
hier im Kreise geben kann, wo ich dazu da bin, sind mir nicht zu groß. Ich kann
sie allein besorgen."

„Gut, gut," versetzte Räbzow. „Das gefällt mir. Ich sehe, du bist, wie man
dich geschildert hat. Gut, sehr gut. Hin, wenn sich mir ein Geschäft bietet, werde
ich es also allein übernehmen. Ich bin ganz deiner Ansicht. Ich halte auch nichts
von Kompagnons."

Botscharow stand auf und ging einigemal das Kabinett entlang.

„Höre, Kusma Karpowitsch," sprach er, indem er sich vor dem Gaste hinstellte,
„wir kennen uns ein halbes menschliches Leben, sind beide Leute alten Schlages,
gehören zur kaufmännischen Nation. Wir brauchen uns voreinander nicht zu ver¬
stecken. Was sollen die halben Reden! Geradeheraus. Hast du die Absicht, hier
ein Waldstück zu kaufen?"

„Wollen wir annehmen, ich hätte die Absicht."

„Hier im Kreise?"

„Hier im Kreise."

„Wo ich die Hand darauf halte?"

„Nu, was ist, wenn du die Hand darauf hältst? Ich kaufe, und dann halte
ich die Hand darauf."

„Und du meinst, ich würde das zugeben, würde mich so ohne Umstände bei¬
seite schieben lassen?"

„Eh, Bruder, du vermagst doch nicht den ganzen Kreis mit der Hand
zuzudecken. Werden genug Spalten zwischen deinen Fingern bleiben, wo ein anderer
sich hineinsetzen kann."

„Das denkst du?"


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[0634] Im Flecken „So? Ich habe nichts davon gehört, daß du mit jemand hier in Verbindung stehest." Räbzow strich den Bart auseinander und blickte schlau auf den Hausherrn. „Könntest davon auch nichts hören, Väterchen, konntest nicht. Ich habe mit niemand darüber gesprochen." Botscharow sah ihn fragend an. „Hin, das heißt," fuhr Räbzow fort, „bisher habe ich hier nichts zu tun gehabt, aber ich denke hier ein Geschäft einzuleiten." „Eine kaufmännische Operation?" warf Botscharow leicht hin, aber sein Gesicht erhielt einen mißtrauischen Zug. „M—ja, natürlich, natürlich. Ich bin Kaufmann und will nichts anderes sein. Ich mache keine andere Operationen als kaufmännische, rein kaufmännische." „Willst vielleicht wie in früheren Zeiten in der Umgegend ein Waldstück zum Abholzen erstehen?" Botscharow sagte das mit Lachen, aber das Lachen klang sehr gezwungen. „Und wenn das so wäre?" entgegnete Räbzow und kniff die Augen zusammen. „Mit mir zusammen wie damals?" „Sage, Tit Grigorjewitsch, liebst du Kompagniegeschäfte?" Botscharow schwieg ein Weilchen. „Mit einem guten Menschen, wenn ihm daran liegt," antwortete er dann bedächtig, „ich weiß nicht, ich glaube, ich würde mich nicht zurückziehen. Aber lieben? Nein. Gott sei Dank, ich habe es nicht nötig. Die Geschäfte, die es hier im Kreise geben kann, wo ich dazu da bin, sind mir nicht zu groß. Ich kann sie allein besorgen." „Gut, gut," versetzte Räbzow. „Das gefällt mir. Ich sehe, du bist, wie man dich geschildert hat. Gut, sehr gut. Hin, wenn sich mir ein Geschäft bietet, werde ich es also allein übernehmen. Ich bin ganz deiner Ansicht. Ich halte auch nichts von Kompagnons." Botscharow stand auf und ging einigemal das Kabinett entlang. „Höre, Kusma Karpowitsch," sprach er, indem er sich vor dem Gaste hinstellte, „wir kennen uns ein halbes menschliches Leben, sind beide Leute alten Schlages, gehören zur kaufmännischen Nation. Wir brauchen uns voreinander nicht zu ver¬ stecken. Was sollen die halben Reden! Geradeheraus. Hast du die Absicht, hier ein Waldstück zu kaufen?" „Wollen wir annehmen, ich hätte die Absicht." „Hier im Kreise?" „Hier im Kreise." „Wo ich die Hand darauf halte?" „Nu, was ist, wenn du die Hand darauf hältst? Ich kaufe, und dann halte ich die Hand darauf." „Und du meinst, ich würde das zugeben, würde mich so ohne Umstände bei¬ seite schieben lassen?" „Eh, Bruder, du vermagst doch nicht den ganzen Kreis mit der Hand zuzudecken. Werden genug Spalten zwischen deinen Fingern bleiben, wo ein anderer sich hineinsetzen kann." „Das denkst du?"

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_316950/634>, abgerufen am 23.07.2024.