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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Viertes Vierteljahr.

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Der Übergang der Niederlande zur Schutzzollpolitik
und die Frage eines deutsch-holländischen Zoll¬
bündnisses

und die Niederlande wollen die bisher befolgte Wirtschaftspolitik
aufgeben und Schutzzölle einführen. Denn wie die Thronrede
vor den kürzlich eröffneten staken-Generaal ankündigte, ist der
schon im Mai d. Is. von der Regierung in Aussicht gestellte
Entwurf eines neuen Zollgesetzes nunmehr fertiggestellt, so daß er
noch vor Weihnachten den Kammern vorgelegt werden kann. Über die einzelnen
Abänderungen wird allerdings noch tiefes Geheimnis bewahrt. Aber wer die
schon 1901 in den Niederlanden eingesetzten Bestrebungen zwecks Neuordnung
der Handelspolitik verfolgt hat, kann keinen Augenblick darüber im Zweifel sein,
daß es sich durchweg um ziemlich beträchtliche Erhöhungen der meisten Positionen
handelt, und was für uns noch wichtiger ist, daß Holland fest entschlossen ist,
den auf dem Boden des Freihandels stehenden Zolltarif durch einen solchen des
Schutzes der nationalen Arbeit abzulösen.

Wie schon erwähnt, ist die Handelspolitik der Niederlande freihändlerisch,
und zwar seit 1850. Von 1815 bis 1830 hatten die entgegengesetzten Strö¬
mungen die Oberhand, da die während der napoleonischen Kontinentalsperre in
denk mit Holland noch vereinigten Belgien zum Teil künstlich ins Leben gerufene
Industrie im Wettbewerb mit England ohne Schutzzölle nicht auszukommen
glaubte. In Holland wußte man noch 1830 indes keinen bestimmten Weg in
der Handelspolitik einzuschlagen, und erst nach langen: Schwanken erklärten sich
die Kammern im Interesse des Zwischenhandels durch die Gesetze vom
8. August 1850 für das Freihandelssustem. Alle Rohstoffe sollten zollfrei ein¬
gehen, die Halbfabrikate mit einem Zoll von 2 bis 3 Prozent ihres Wertes


Grenzboten IV 1910 76


Der Übergang der Niederlande zur Schutzzollpolitik
und die Frage eines deutsch-holländischen Zoll¬
bündnisses

und die Niederlande wollen die bisher befolgte Wirtschaftspolitik
aufgeben und Schutzzölle einführen. Denn wie die Thronrede
vor den kürzlich eröffneten staken-Generaal ankündigte, ist der
schon im Mai d. Is. von der Regierung in Aussicht gestellte
Entwurf eines neuen Zollgesetzes nunmehr fertiggestellt, so daß er
noch vor Weihnachten den Kammern vorgelegt werden kann. Über die einzelnen
Abänderungen wird allerdings noch tiefes Geheimnis bewahrt. Aber wer die
schon 1901 in den Niederlanden eingesetzten Bestrebungen zwecks Neuordnung
der Handelspolitik verfolgt hat, kann keinen Augenblick darüber im Zweifel sein,
daß es sich durchweg um ziemlich beträchtliche Erhöhungen der meisten Positionen
handelt, und was für uns noch wichtiger ist, daß Holland fest entschlossen ist,
den auf dem Boden des Freihandels stehenden Zolltarif durch einen solchen des
Schutzes der nationalen Arbeit abzulösen.

Wie schon erwähnt, ist die Handelspolitik der Niederlande freihändlerisch,
und zwar seit 1850. Von 1815 bis 1830 hatten die entgegengesetzten Strö¬
mungen die Oberhand, da die während der napoleonischen Kontinentalsperre in
denk mit Holland noch vereinigten Belgien zum Teil künstlich ins Leben gerufene
Industrie im Wettbewerb mit England ohne Schutzzölle nicht auszukommen
glaubte. In Holland wußte man noch 1830 indes keinen bestimmten Weg in
der Handelspolitik einzuschlagen, und erst nach langen: Schwanken erklärten sich
die Kammern im Interesse des Zwischenhandels durch die Gesetze vom
8. August 1850 für das Freihandelssustem. Alle Rohstoffe sollten zollfrei ein¬
gehen, die Halbfabrikate mit einem Zoll von 2 bis 3 Prozent ihres Wertes


Grenzboten IV 1910 76
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[0605] [Abbildung] Der Übergang der Niederlande zur Schutzzollpolitik und die Frage eines deutsch-holländischen Zoll¬ bündnisses und die Niederlande wollen die bisher befolgte Wirtschaftspolitik aufgeben und Schutzzölle einführen. Denn wie die Thronrede vor den kürzlich eröffneten staken-Generaal ankündigte, ist der schon im Mai d. Is. von der Regierung in Aussicht gestellte Entwurf eines neuen Zollgesetzes nunmehr fertiggestellt, so daß er noch vor Weihnachten den Kammern vorgelegt werden kann. Über die einzelnen Abänderungen wird allerdings noch tiefes Geheimnis bewahrt. Aber wer die schon 1901 in den Niederlanden eingesetzten Bestrebungen zwecks Neuordnung der Handelspolitik verfolgt hat, kann keinen Augenblick darüber im Zweifel sein, daß es sich durchweg um ziemlich beträchtliche Erhöhungen der meisten Positionen handelt, und was für uns noch wichtiger ist, daß Holland fest entschlossen ist, den auf dem Boden des Freihandels stehenden Zolltarif durch einen solchen des Schutzes der nationalen Arbeit abzulösen. Wie schon erwähnt, ist die Handelspolitik der Niederlande freihändlerisch, und zwar seit 1850. Von 1815 bis 1830 hatten die entgegengesetzten Strö¬ mungen die Oberhand, da die während der napoleonischen Kontinentalsperre in denk mit Holland noch vereinigten Belgien zum Teil künstlich ins Leben gerufene Industrie im Wettbewerb mit England ohne Schutzzölle nicht auszukommen glaubte. In Holland wußte man noch 1830 indes keinen bestimmten Weg in der Handelspolitik einzuschlagen, und erst nach langen: Schwanken erklärten sich die Kammern im Interesse des Zwischenhandels durch die Gesetze vom 8. August 1850 für das Freihandelssustem. Alle Rohstoffe sollten zollfrei ein¬ gehen, die Halbfabrikate mit einem Zoll von 2 bis 3 Prozent ihres Wertes Grenzboten IV 1910 76

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_316950/605>, abgerufen am 22.07.2024.