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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Viertes Vierteljahr.

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Außerordentliche Professoren

Wichtiger noch ist aber ein zweites Moment. Die freie Möglichkeit der
Betätigung ist in der Tat bei den akademischen Lehrern größer als bei irgend¬
einer anderen Beamten- oder "beamtenähnlichen" Kategorie; und wir gestehen
es ein, daß dieser unschätzbare Borten durch einige Nachteile nicht zu teuer
erkauft ist; nur -- ganz so groß brauchten sie doch nicht zu sein. In bezug
auf den Idealismus der Lebenshaltung nämlich ist ein Privileg immer mehr zu
einem Servitut geworden und droht es bei der jetzigen Praxis noch ärger zu
werden.

Es ist in der Ordnung, daß die Angehörigen der höheren Berufsarten,
wenn man denn solche anerkennen will, die Ehre, einem idealen Beruf zu dienen,
für sich selbst in Anschlag bringen. Der Offizier, der Professor, der Richter,
der den Wert seines Amtes lediglich nach den Emolumenten bemißt, wäre nicht
wert, dies Amt zu bekleiden. Gerade aber aus dieser idealen Auffassung heraus,
die uns nie verloren gehen möge, erscheint es als unwürdig, wenn diese Ehre
als ein pekuniärer Wert verrechnet, als ein Äquivalent für Gehaltsummen in
Anschlag gebracht wird. Den Spielmann entschädigte das alte Recht, wenn
er verletzt worden war, höhnisch mit dem Klang eines Geldstücks; den Hoch¬
schullehrern soll diese Anrechnung von imaginären Werten zur besonderen Aus¬
zeichnung dienen!

Ich wiederhole: die Ehre, einer deutschen Universität als wirkendes Glied
anzugehören, kann nicht hoch genug geschätzt werden. Aber wer sie in Geld
umsetzt, beleidigt. Und dies Verfahren, halb mit Ehre und halb mit Geld zu
bezahlen und beides als gleichwertig zu verrechnen, ist in der Praxis der Kultus¬
ministerien eine selbstverständliche Gewohnheit geworden.

Überall sonst gilt die Auszeichnung als ein Mittel, die Gleichgestellten zu
unterscheiden. Der Offizier, der einen Orden erhält, der Beamte, dem ein Titel
verliehen wird -- wer denkt daran, ihnen nun dafür einen Teil des Gehalts
zu entziehen? Bei uns aber wird dem Privatdozenten gesagt: Wenn du den
Rang eines Extraordinarius erhältst, hast du auf alle Beförderungs- oder
Gehaltsansprüche zu verzichten; und der vielgerühmte Althoff zwang der Notlage
des zu "Befördernden" darüber einen schriftlichen "Revers" ab!

Althoff selbst hat bei der Neuregelung der Professorengehälter im Ab¬
geordnetenhause nachdrücklich erklärt, die Vermögensverhältmsse der Dozenten
würden bei der Beförderungsfrage "natürlich" keine Rolle spielen. In anderen
Ressorts wäre diese Erklärung so überflüssig wie möglich. Niemand denkt daran,
einem Kapitän zur See die Beförderung zu versagen, weil er kein höheres Gehalt
nötig habe. Es ist nicht bekannt, daß Regimentskommandeure oder Ober-
Präsidenten jemals auf ihr Gehalt hätten Verzicht leisten müssen, weil sie Fidei-
kommißinhaber oder Millionäre waren. Bei den Professoren gilt das dagegen
als durchaus berechtigt. Ein anerkannt tüchtiger Dozent erhält für dieselbe
Wirksamkeit, um derentwillen er sonst eine etatsmäßige, d. h. besoldete Professur
erhielte, keine solche, weil "er es ja nicht nötig habe". "Titel so viel Sie wollen",


Außerordentliche Professoren

Wichtiger noch ist aber ein zweites Moment. Die freie Möglichkeit der
Betätigung ist in der Tat bei den akademischen Lehrern größer als bei irgend¬
einer anderen Beamten- oder „beamtenähnlichen" Kategorie; und wir gestehen
es ein, daß dieser unschätzbare Borten durch einige Nachteile nicht zu teuer
erkauft ist; nur — ganz so groß brauchten sie doch nicht zu sein. In bezug
auf den Idealismus der Lebenshaltung nämlich ist ein Privileg immer mehr zu
einem Servitut geworden und droht es bei der jetzigen Praxis noch ärger zu
werden.

Es ist in der Ordnung, daß die Angehörigen der höheren Berufsarten,
wenn man denn solche anerkennen will, die Ehre, einem idealen Beruf zu dienen,
für sich selbst in Anschlag bringen. Der Offizier, der Professor, der Richter,
der den Wert seines Amtes lediglich nach den Emolumenten bemißt, wäre nicht
wert, dies Amt zu bekleiden. Gerade aber aus dieser idealen Auffassung heraus,
die uns nie verloren gehen möge, erscheint es als unwürdig, wenn diese Ehre
als ein pekuniärer Wert verrechnet, als ein Äquivalent für Gehaltsummen in
Anschlag gebracht wird. Den Spielmann entschädigte das alte Recht, wenn
er verletzt worden war, höhnisch mit dem Klang eines Geldstücks; den Hoch¬
schullehrern soll diese Anrechnung von imaginären Werten zur besonderen Aus¬
zeichnung dienen!

Ich wiederhole: die Ehre, einer deutschen Universität als wirkendes Glied
anzugehören, kann nicht hoch genug geschätzt werden. Aber wer sie in Geld
umsetzt, beleidigt. Und dies Verfahren, halb mit Ehre und halb mit Geld zu
bezahlen und beides als gleichwertig zu verrechnen, ist in der Praxis der Kultus¬
ministerien eine selbstverständliche Gewohnheit geworden.

Überall sonst gilt die Auszeichnung als ein Mittel, die Gleichgestellten zu
unterscheiden. Der Offizier, der einen Orden erhält, der Beamte, dem ein Titel
verliehen wird — wer denkt daran, ihnen nun dafür einen Teil des Gehalts
zu entziehen? Bei uns aber wird dem Privatdozenten gesagt: Wenn du den
Rang eines Extraordinarius erhältst, hast du auf alle Beförderungs- oder
Gehaltsansprüche zu verzichten; und der vielgerühmte Althoff zwang der Notlage
des zu „Befördernden" darüber einen schriftlichen „Revers" ab!

Althoff selbst hat bei der Neuregelung der Professorengehälter im Ab¬
geordnetenhause nachdrücklich erklärt, die Vermögensverhältmsse der Dozenten
würden bei der Beförderungsfrage „natürlich" keine Rolle spielen. In anderen
Ressorts wäre diese Erklärung so überflüssig wie möglich. Niemand denkt daran,
einem Kapitän zur See die Beförderung zu versagen, weil er kein höheres Gehalt
nötig habe. Es ist nicht bekannt, daß Regimentskommandeure oder Ober-
Präsidenten jemals auf ihr Gehalt hätten Verzicht leisten müssen, weil sie Fidei-
kommißinhaber oder Millionäre waren. Bei den Professoren gilt das dagegen
als durchaus berechtigt. Ein anerkannt tüchtiger Dozent erhält für dieselbe
Wirksamkeit, um derentwillen er sonst eine etatsmäßige, d. h. besoldete Professur
erhielte, keine solche, weil „er es ja nicht nötig habe". „Titel so viel Sie wollen",


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[0511] Außerordentliche Professoren Wichtiger noch ist aber ein zweites Moment. Die freie Möglichkeit der Betätigung ist in der Tat bei den akademischen Lehrern größer als bei irgend¬ einer anderen Beamten- oder „beamtenähnlichen" Kategorie; und wir gestehen es ein, daß dieser unschätzbare Borten durch einige Nachteile nicht zu teuer erkauft ist; nur — ganz so groß brauchten sie doch nicht zu sein. In bezug auf den Idealismus der Lebenshaltung nämlich ist ein Privileg immer mehr zu einem Servitut geworden und droht es bei der jetzigen Praxis noch ärger zu werden. Es ist in der Ordnung, daß die Angehörigen der höheren Berufsarten, wenn man denn solche anerkennen will, die Ehre, einem idealen Beruf zu dienen, für sich selbst in Anschlag bringen. Der Offizier, der Professor, der Richter, der den Wert seines Amtes lediglich nach den Emolumenten bemißt, wäre nicht wert, dies Amt zu bekleiden. Gerade aber aus dieser idealen Auffassung heraus, die uns nie verloren gehen möge, erscheint es als unwürdig, wenn diese Ehre als ein pekuniärer Wert verrechnet, als ein Äquivalent für Gehaltsummen in Anschlag gebracht wird. Den Spielmann entschädigte das alte Recht, wenn er verletzt worden war, höhnisch mit dem Klang eines Geldstücks; den Hoch¬ schullehrern soll diese Anrechnung von imaginären Werten zur besonderen Aus¬ zeichnung dienen! Ich wiederhole: die Ehre, einer deutschen Universität als wirkendes Glied anzugehören, kann nicht hoch genug geschätzt werden. Aber wer sie in Geld umsetzt, beleidigt. Und dies Verfahren, halb mit Ehre und halb mit Geld zu bezahlen und beides als gleichwertig zu verrechnen, ist in der Praxis der Kultus¬ ministerien eine selbstverständliche Gewohnheit geworden. Überall sonst gilt die Auszeichnung als ein Mittel, die Gleichgestellten zu unterscheiden. Der Offizier, der einen Orden erhält, der Beamte, dem ein Titel verliehen wird — wer denkt daran, ihnen nun dafür einen Teil des Gehalts zu entziehen? Bei uns aber wird dem Privatdozenten gesagt: Wenn du den Rang eines Extraordinarius erhältst, hast du auf alle Beförderungs- oder Gehaltsansprüche zu verzichten; und der vielgerühmte Althoff zwang der Notlage des zu „Befördernden" darüber einen schriftlichen „Revers" ab! Althoff selbst hat bei der Neuregelung der Professorengehälter im Ab¬ geordnetenhause nachdrücklich erklärt, die Vermögensverhältmsse der Dozenten würden bei der Beförderungsfrage „natürlich" keine Rolle spielen. In anderen Ressorts wäre diese Erklärung so überflüssig wie möglich. Niemand denkt daran, einem Kapitän zur See die Beförderung zu versagen, weil er kein höheres Gehalt nötig habe. Es ist nicht bekannt, daß Regimentskommandeure oder Ober- Präsidenten jemals auf ihr Gehalt hätten Verzicht leisten müssen, weil sie Fidei- kommißinhaber oder Millionäre waren. Bei den Professoren gilt das dagegen als durchaus berechtigt. Ein anerkannt tüchtiger Dozent erhält für dieselbe Wirksamkeit, um derentwillen er sonst eine etatsmäßige, d. h. besoldete Professur erhielte, keine solche, weil „er es ja nicht nötig habe". „Titel so viel Sie wollen",

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_316950/511>, abgerufen am 22.07.2024.