Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Viertes Vierteljahr.Zum hundertsten Geburtstag Alfred de Müssets zu schließen, wird er "zwischen Lipp' und Kelchesrand" von der Tücke des Ein heiteres Gegenbild zu dem düsteren Gemälde ist das zweiaktige roman¬ Diesen beiden Stücken hat der Dichter eine poetische Erzählung "t^rnouna, Musset hat wesentliche Züge seines Don Juan bei unserem deutschen Dichter Kameau trsmdlant encor cle l'arbrs ete la vie, Don Juan sucht das Ideal der Liebe in Tausenden von Frauen: l'rois mille noms eliarrnants! trois mitis noms cle remms! Diese Sentimentalität Don Juans ist ein Mussetscher Zug. Musset hat Auch in der genialen epischen Dichtung "Kolin" wird die Liebe als die Grenzboten IV 1910 58
Zum hundertsten Geburtstag Alfred de Müssets zu schließen, wird er „zwischen Lipp' und Kelchesrand" von der Tücke des Ein heiteres Gegenbild zu dem düsteren Gemälde ist das zweiaktige roman¬ Diesen beiden Stücken hat der Dichter eine poetische Erzählung „t^rnouna, Musset hat wesentliche Züge seines Don Juan bei unserem deutschen Dichter Kameau trsmdlant encor cle l'arbrs ete la vie, Don Juan sucht das Ideal der Liebe in Tausenden von Frauen: l'rois mille noms eliarrnants! trois mitis noms cle remms! Diese Sentimentalität Don Juans ist ein Mussetscher Zug. Musset hat Auch in der genialen epischen Dichtung „Kolin" wird die Liebe als die Grenzboten IV 1910 58
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0469" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/317420"/> <fw type="header" place="top"> Zum hundertsten Geburtstag Alfred de Müssets</fw><lb/> <p xml:id="ID_2193" prev="#ID_2192"> zu schließen, wird er „zwischen Lipp' und Kelchesrand" von der Tücke des<lb/> Geschicks ereilt. Der Kern und die Lehre des Ganzen ist Franks Ausspruch<lb/> gegen die DöbaucKe:</p><lb/> <lg xml:id="POEMID_27" type="poem"> <l/> </lg><lb/> <p xml:id="ID_2194"> Ein heiteres Gegenbild zu dem düsteren Gemälde ist das zweiaktige roman¬<lb/> tische Lustspiel quoi rövent Iss jeunes litte8", „Wovon die jungen Mädchen<lb/> träumen". Es mutet uns an wie ein Märchen- oder Schäferspiel. Die<lb/> Handlung hat nie und nirgends sich begeben. Aber die Verse sind voll Wohllaut<lb/> und duftiger Poesie, und das Erwachet! der Liebe in den jungfräulichen Herzen<lb/> ist außerordentlich zart geschildert. Das Stückchen steht unter dem freundlichen<lb/> Zeichen Jean Pauls, auf den Musset sehr viel hielt und dem er zwei Aufsätze<lb/> gewidmet hat.</p><lb/> <p xml:id="ID_2195"> Diesen beiden Stücken hat der Dichter eine poetische Erzählung „t^rnouna,<lb/> corto oriental", zugesellt. Sie zeigt im Stil Byronschen Einfluß. Berühmt ist<lb/> die glänzende Apotheose des Don Juan im zweiten Gesang. Die Don Juan-<lb/> Gestalt hat für Musset immer einen großen Reiz gehabt, ganz besonders in ihrer<lb/> Verherrlichung durch Mozart. Er schildert sie hier in einer idealen Verklärung.<lb/> Don Juan ist ein herrlicher Jüngling.</p><lb/> <lg xml:id="POEMID_28" type="poem"> <l/> </lg><lb/> <p xml:id="ID_2196"> Musset hat wesentliche Züge seines Don Juan bei unserem deutschen Dichter<lb/> E. Th. A. Hoffmann in den Phantasiestücken 1. Ur. IV, gefunden. Auch Müssets<lb/> Schilderung ist ein „Phantasiestück". Ist es nicht eine kühne Phantasie, wenn<lb/> er Don Juan mit Christus vergleicht?</p><lb/> <quote> Kameau trsmdlant encor cle l'arbrs ete la vie,<lb/> 1'onde annuae le Llirist pnur aimer et soukirir.</quote><lb/> <p xml:id="ID_2197"> Don Juan sucht das Ideal der Liebe in Tausenden von Frauen:</p><lb/> <quote> l'rois mille noms eliarrnants! trois mitis noms cle remms!<lb/> Pas un qu'avsc clef pleurs tu n'ales balbutis.</quote><lb/> <p xml:id="ID_2198"> Diese Sentimentalität Don Juans ist ein Mussetscher Zug. Musset hat<lb/> sich im Don Juan selbst gezeichnet. Auch ihm hat ja in einer seiner Chansons<lb/> sein „schwaches Herz" eingestanden, daß der Reiz der Liebe im ewigen Wechsel<lb/> liege, ein Bekenntnis, das wir in der Tat nur als Schwäche erkennen können,<lb/> solange das Wort von der deutscheu Treue noch etwas bei uns gilt.</p><lb/> <p xml:id="ID_2199"> Auch in der genialen epischen Dichtung „Kolin" wird die Liebe als die<lb/> leuchtende Göttin der Erde geschildert, die selbst in die dunkle Höhle des Lasters<lb/> ihre Strahlen sendet. Diese Vergötterung der Liebe ist echt romantisch, und<lb/> Musset erscheint in der Tat seinem Wesen nach als Romantiker, wenn er auch<lb/> nicht zur Fahne der Romantik schwört. So folgte er denn auch dem roman¬<lb/> tischen Brauch, die Romantik ins eigene Leben zu übertragen.</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten IV 1910 58</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0469]
Zum hundertsten Geburtstag Alfred de Müssets
zu schließen, wird er „zwischen Lipp' und Kelchesrand" von der Tücke des
Geschicks ereilt. Der Kern und die Lehre des Ganzen ist Franks Ausspruch
gegen die DöbaucKe:
Ein heiteres Gegenbild zu dem düsteren Gemälde ist das zweiaktige roman¬
tische Lustspiel quoi rövent Iss jeunes litte8", „Wovon die jungen Mädchen
träumen". Es mutet uns an wie ein Märchen- oder Schäferspiel. Die
Handlung hat nie und nirgends sich begeben. Aber die Verse sind voll Wohllaut
und duftiger Poesie, und das Erwachet! der Liebe in den jungfräulichen Herzen
ist außerordentlich zart geschildert. Das Stückchen steht unter dem freundlichen
Zeichen Jean Pauls, auf den Musset sehr viel hielt und dem er zwei Aufsätze
gewidmet hat.
Diesen beiden Stücken hat der Dichter eine poetische Erzählung „t^rnouna,
corto oriental", zugesellt. Sie zeigt im Stil Byronschen Einfluß. Berühmt ist
die glänzende Apotheose des Don Juan im zweiten Gesang. Die Don Juan-
Gestalt hat für Musset immer einen großen Reiz gehabt, ganz besonders in ihrer
Verherrlichung durch Mozart. Er schildert sie hier in einer idealen Verklärung.
Don Juan ist ein herrlicher Jüngling.
Musset hat wesentliche Züge seines Don Juan bei unserem deutschen Dichter
E. Th. A. Hoffmann in den Phantasiestücken 1. Ur. IV, gefunden. Auch Müssets
Schilderung ist ein „Phantasiestück". Ist es nicht eine kühne Phantasie, wenn
er Don Juan mit Christus vergleicht?
Kameau trsmdlant encor cle l'arbrs ete la vie,
1'onde annuae le Llirist pnur aimer et soukirir.
Don Juan sucht das Ideal der Liebe in Tausenden von Frauen:
l'rois mille noms eliarrnants! trois mitis noms cle remms!
Pas un qu'avsc clef pleurs tu n'ales balbutis.
Diese Sentimentalität Don Juans ist ein Mussetscher Zug. Musset hat
sich im Don Juan selbst gezeichnet. Auch ihm hat ja in einer seiner Chansons
sein „schwaches Herz" eingestanden, daß der Reiz der Liebe im ewigen Wechsel
liege, ein Bekenntnis, das wir in der Tat nur als Schwäche erkennen können,
solange das Wort von der deutscheu Treue noch etwas bei uns gilt.
Auch in der genialen epischen Dichtung „Kolin" wird die Liebe als die
leuchtende Göttin der Erde geschildert, die selbst in die dunkle Höhle des Lasters
ihre Strahlen sendet. Diese Vergötterung der Liebe ist echt romantisch, und
Musset erscheint in der Tat seinem Wesen nach als Romantiker, wenn er auch
nicht zur Fahne der Romantik schwört. So folgte er denn auch dem roman¬
tischen Brauch, die Romantik ins eigene Leben zu übertragen.
Grenzboten IV 1910 58
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |