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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Viertes Vierteljahr.

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RolouinlpoUtik und Rolonicilwirtschaft

Die beiden ersten Kolonialkongresse waren Kongresse von Gelehrten und
"Kolonialschwärmern", weil sie des praktischen Hintergrundes einer im Gang
befindlichen Kolonialwirtschaft entbehrten. Dernburg erst hat dein Schlagwort
"Wirtschaftliche Kolonialpolitik" Inhalt gegeben. Die Verhandlungen des dritten
Kolonialkongresses unterschieden sich infolgedessen von denjenigen seiner Vorgänger
wesentlich dadurch, daß nicht nur über Dinge geredet wurde, die erst werden
sollten, ohne daß man wußte wie, sondern es konnte vor unserm geistigen Auge
das Bild eines wohlfundierten, in guter Entwickelung begriffenen Kolonialbesitzes
aufgerollt werden. Man brauchte der öffentlichen Meinung nicht mehr den
Segen kolonialer Bestrebungen überhaupt und den Wert unsrer Kolonien im
besonderen anzupreisen, es galt vielmehr nur noch, zu erörtern, wie am vorteil¬
haftester auf der vorhandenen Grundlage weitergebaut werden kann. Bemerkens¬
wert war namentlich, daß diesmal der traditionelle "Kolonialfreund", der
früher überall mitzureden sich berufen fühlte, in den Hintergrund gedrängt war,
das Hauptwort hatte der Kolonialpraktiker, und es war schon einigermaßen zu
merken, daß man sich dem Ideal eines Kolonialkongresses, des britischen, nähert,
bei dem die einzelnen Kolonien verantwortlich vertreten sind.

Der Kongreß hat eine Fülle von Belehrung und Anregung gebracht, und
wenn nur ein Teil der Saat aufgeht, die da gestreut worden ist, so erhält
die Entwickelung unsrer Kolonien einen starken Antrieb. Während noch beim
zweiten Kongreß außer dem Zentralverband und dem Bund der Industriellen
nur gelehrte und Agitationsgesellschaften als Veranstalter auftraten, hat sich
diesmal eine Reihe von Korporationen und wirtschaftlichen Jnteressenverbänden
aus Handel, Industrie und Landwirtschaft beteiligt. Infolgedessen waren auch
alle Vorträge und Erörterungen sachlich ernsthaft, und der Dilettantismus hielt
sich in der Hauptsache zurück. Und wagte er sich einmal hervor, so sah man
schon an der schlecht verhehlten Ungeduld des Auditoriums sofort deutlich, wenn
die Ausführungen des Redners von keinerlei Sachkenntnis getrübt waren. Ver¬
schiedene Gouverneure und höhere Kolonialbeamte beteiligten sich diesmal lebhaft
an den Verhandlungen, und einige Reichstagsabgeordnete, die noch zur Zeit des
zweiten Kongresses zu den schlimmsten Kolonialgegnern gehört hatten, waren
jetzt Feuer und Flamme. Namentlich Herr Matthias Erzberger lief herum, als
ob er an dem Aufschwung schuld wäre. (Schlich fosqi,)




RolouinlpoUtik und Rolonicilwirtschaft

Die beiden ersten Kolonialkongresse waren Kongresse von Gelehrten und
„Kolonialschwärmern", weil sie des praktischen Hintergrundes einer im Gang
befindlichen Kolonialwirtschaft entbehrten. Dernburg erst hat dein Schlagwort
„Wirtschaftliche Kolonialpolitik" Inhalt gegeben. Die Verhandlungen des dritten
Kolonialkongresses unterschieden sich infolgedessen von denjenigen seiner Vorgänger
wesentlich dadurch, daß nicht nur über Dinge geredet wurde, die erst werden
sollten, ohne daß man wußte wie, sondern es konnte vor unserm geistigen Auge
das Bild eines wohlfundierten, in guter Entwickelung begriffenen Kolonialbesitzes
aufgerollt werden. Man brauchte der öffentlichen Meinung nicht mehr den
Segen kolonialer Bestrebungen überhaupt und den Wert unsrer Kolonien im
besonderen anzupreisen, es galt vielmehr nur noch, zu erörtern, wie am vorteil¬
haftester auf der vorhandenen Grundlage weitergebaut werden kann. Bemerkens¬
wert war namentlich, daß diesmal der traditionelle „Kolonialfreund", der
früher überall mitzureden sich berufen fühlte, in den Hintergrund gedrängt war,
das Hauptwort hatte der Kolonialpraktiker, und es war schon einigermaßen zu
merken, daß man sich dem Ideal eines Kolonialkongresses, des britischen, nähert,
bei dem die einzelnen Kolonien verantwortlich vertreten sind.

Der Kongreß hat eine Fülle von Belehrung und Anregung gebracht, und
wenn nur ein Teil der Saat aufgeht, die da gestreut worden ist, so erhält
die Entwickelung unsrer Kolonien einen starken Antrieb. Während noch beim
zweiten Kongreß außer dem Zentralverband und dem Bund der Industriellen
nur gelehrte und Agitationsgesellschaften als Veranstalter auftraten, hat sich
diesmal eine Reihe von Korporationen und wirtschaftlichen Jnteressenverbänden
aus Handel, Industrie und Landwirtschaft beteiligt. Infolgedessen waren auch
alle Vorträge und Erörterungen sachlich ernsthaft, und der Dilettantismus hielt
sich in der Hauptsache zurück. Und wagte er sich einmal hervor, so sah man
schon an der schlecht verhehlten Ungeduld des Auditoriums sofort deutlich, wenn
die Ausführungen des Redners von keinerlei Sachkenntnis getrübt waren. Ver¬
schiedene Gouverneure und höhere Kolonialbeamte beteiligten sich diesmal lebhaft
an den Verhandlungen, und einige Reichstagsabgeordnete, die noch zur Zeit des
zweiten Kongresses zu den schlimmsten Kolonialgegnern gehört hatten, waren
jetzt Feuer und Flamme. Namentlich Herr Matthias Erzberger lief herum, als
ob er an dem Aufschwung schuld wäre. (Schlich fosqi,)




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[0465] RolouinlpoUtik und Rolonicilwirtschaft Die beiden ersten Kolonialkongresse waren Kongresse von Gelehrten und „Kolonialschwärmern", weil sie des praktischen Hintergrundes einer im Gang befindlichen Kolonialwirtschaft entbehrten. Dernburg erst hat dein Schlagwort „Wirtschaftliche Kolonialpolitik" Inhalt gegeben. Die Verhandlungen des dritten Kolonialkongresses unterschieden sich infolgedessen von denjenigen seiner Vorgänger wesentlich dadurch, daß nicht nur über Dinge geredet wurde, die erst werden sollten, ohne daß man wußte wie, sondern es konnte vor unserm geistigen Auge das Bild eines wohlfundierten, in guter Entwickelung begriffenen Kolonialbesitzes aufgerollt werden. Man brauchte der öffentlichen Meinung nicht mehr den Segen kolonialer Bestrebungen überhaupt und den Wert unsrer Kolonien im besonderen anzupreisen, es galt vielmehr nur noch, zu erörtern, wie am vorteil¬ haftester auf der vorhandenen Grundlage weitergebaut werden kann. Bemerkens¬ wert war namentlich, daß diesmal der traditionelle „Kolonialfreund", der früher überall mitzureden sich berufen fühlte, in den Hintergrund gedrängt war, das Hauptwort hatte der Kolonialpraktiker, und es war schon einigermaßen zu merken, daß man sich dem Ideal eines Kolonialkongresses, des britischen, nähert, bei dem die einzelnen Kolonien verantwortlich vertreten sind. Der Kongreß hat eine Fülle von Belehrung und Anregung gebracht, und wenn nur ein Teil der Saat aufgeht, die da gestreut worden ist, so erhält die Entwickelung unsrer Kolonien einen starken Antrieb. Während noch beim zweiten Kongreß außer dem Zentralverband und dem Bund der Industriellen nur gelehrte und Agitationsgesellschaften als Veranstalter auftraten, hat sich diesmal eine Reihe von Korporationen und wirtschaftlichen Jnteressenverbänden aus Handel, Industrie und Landwirtschaft beteiligt. Infolgedessen waren auch alle Vorträge und Erörterungen sachlich ernsthaft, und der Dilettantismus hielt sich in der Hauptsache zurück. Und wagte er sich einmal hervor, so sah man schon an der schlecht verhehlten Ungeduld des Auditoriums sofort deutlich, wenn die Ausführungen des Redners von keinerlei Sachkenntnis getrübt waren. Ver¬ schiedene Gouverneure und höhere Kolonialbeamte beteiligten sich diesmal lebhaft an den Verhandlungen, und einige Reichstagsabgeordnete, die noch zur Zeit des zweiten Kongresses zu den schlimmsten Kolonialgegnern gehört hatten, waren jetzt Feuer und Flamme. Namentlich Herr Matthias Erzberger lief herum, als ob er an dem Aufschwung schuld wäre. (Schlich fosqi,)

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_316950/465>, abgerufen am 22.07.2024.